Bad Berleburg/Hamm. . Der Senat des Oberlandesgerichts Hamm tendiert dahin, die „wildlebenden und herrenlosen“ Wisente als besonders schutzwürdig einzustufen.

  • Hammer Senat beabsichtigt, Revision zuzulassen – lang­wieriger juristischer Weg steht bevor
  • Population der ­ausgewilderten Wisente soll weiterhin nicht die Zahl von 25 überschreiten
  • Klagen der Oberkirchener Waldbauern Droste, Silberg und Vollmers nur kurz verhandelt

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat extra seinen großen Konferenzraum neben dem Foyer zum Sitzungssaal umfunktioniert. Auch wenn am Ende einige Sitzreihen leer bleiben – der Wisent-Streit beschäftigt die Öffentlichkeit. Es ist ein hoch emotionales Thema, wie es mit den stämmigen Tieren aus dem Wittgensteiner Land weiter geht, die für Schälschäden in sauerländischen Wäldern sorgen.

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Hubertus Dohle macht nach der dreistündigen Verhandlung aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich bin unzufrieden“, sagt der Waldbauer aus Oberkirchen. Auch wenn der 5. Zivilsenat erst am 29. Mai ein Urteil verkünden will – die rechtlichen Hinweise des Senatsvorsitzenden Hermann Greving gehen eher in eine Richtung, die den fünf Schmallenberger Waldbesitzern, die gegen den Trägerverein der Wisent-Welt Wittgenstein geklagt haben, nicht schmecken dürfte, denn: Für die Richter deutet vieles darauf hin, dass die Wisente mittlerweile „wildlebend und herrenlos“ und damit den Artenschutzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes gemäß besonderen Schutz genießen.

Langwieriger juristischer Weg

Der Hammer Senat beabsichtigt, Revision zuzulassen. Ein lang­wieriger juristischer Weg unter ­Beteiligung des Bundesgerichtshofs und womöglich des Euro­päischen Gerichtshofs steht bevor. So gut wie keine Chance, in dieser Zeit die Riesen von den Grund­stücken fernzuhalten. „Man kommt nicht weiter“, klagt Hubertus Dohle. „Ich befürchte, dass unser Buchenbestand in zehn ­Jahren so geschädigt ist, dass wir nicht mehr viel damit ­anfangen ­können.“ In die gleiche Kerbe schlägt sein ebenfalls klagender Kollege Georg Feldmann-Schütte: „Der Radius der Tiere wird immer größer. Und sie schädigen mittlerweile auch andere Bäume wie Fichten und Douglasien.“

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Von Lars-Peter Dickel

Während die Oberkirchener Waldbesitzer enttäuscht von dannen ziehen, steht Bad Berleburgs Bürgermeister und 1. Vorsitzender des Trägervereins Bernd Fuhrmann eher entspannt im Foyer des Oberlandesgerichts. Nach den Ausführungen des Senatspräsidenten weiß er, dass die Chancen für das Überleben des europaweit ­einmaligen Artenschutzprojektes und damit der Wisente nicht schlechter geworden sind. „Gut, dass das Gericht unserer Argumentation gefolgt ist, dass es auf die tatsächlichen und nicht die vertraglichen Verhältnisse ankommt.“ Demnach tendieren die Richter dazu, die dunkelbraunen Giganten als mittlerweile wildlebend und herrenlos anzusehen. Das hat eine besondere Schutzwürdigkeit nach den Artenschutzbestimmungen im Bundesnaturschutzgesetz zur ­Folge.

Ziel: Attraktiven Lebensraum schaffen

Fuhrmann versprach nach Ende der dreistündigen Verhandlung, alles zu tun, um „unsere Flächen zu optimieren“, sprich: den Wisenten einen attraktiven Lebensraum im Projektgebiet zu bieten. „Aber das ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen.“

Nach dem Willen des Träger­vereins soll die Population der ­ausgewilderten Wisente weiterhin nicht die Zahl von 25 überschreiten. „Wir fühlen uns an diese ­Grenze gebunden“, so Fuhrmann. Johannes Röhl von der Witt­genstein-Berleburg’schen Rentkammer zufolge sollen Zuchtbulle Egnar oder seine älteste ­geschlechtsreife Tochter in nächster Zeit aus der Herde genommen werden – um Inzucht zu vermeiden und damit genetische Verände­rungen sicherzustellen. Wegen der kalten Witterung sei ein Wechsel in der Wisent-Herde in den vergan­genen ­Wochen nicht möglich gewesen.

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Drei Verfahren ruhen

Die Anwälte der Klägerseite werfen dem Trägerverein Gesetzesverstöße bei den nach ihrer Ansicht illegalen Auswilderungsmaßnahmen vor. Jurist Thies bemüht gar Martin Luther mit dessen „Hier steh ich und kann nicht weiter“. Will heißen: Von Menschenhand wurde künstlich in eine Landschaft eingegriffen, indem Tiere ausgesetzt wurden, die dort nicht hingehören („diese Wisente sind keine selbstständig überlebensfähige Art“). Und jetzt bekomme man die Geister, die man rief, nicht mehr los.

Gestern verhandelte der 5. Zivil­senat des Oberlandesgerichts nur kurz die Klagen der Oberkirchener Waldbauern Droste, Silberg und Vollmers. Die Verfahren ruhen bis zur Urteilsverkündung in Sachen Dohle und Feldmann-Schütte am 29. Mai.