Hamm/Bad Berleburg/Schmallenberg.. Das Oberlandesgericht Hamm hat am 8. Mai noch keine Entscheidung im Wisent-Streit getroffen. Die Urteilsverkündung soll am 29. Mai erfolgen.

Nicht nur der Mensch hat das Rothaargebirge als Wanderparadies entdeckt. Auch der Wisent nutzt als Hauptdarsteller eines international bekannten Auswilderungsprojekts die Wälder für seine Wanderungen. Das Problem: Der als König der Wälder gerühmte ­Koloss verlässt sein angestammtes Reich im Wittgensteiner Land und lässt sich im angrenzenden Sauerland insbesondere Buchenrinden schmecken. Waldbauern sind ­deshalb auf dem Baum. Die Klagen von fünf Waldbesitzern aus dem Schmallenberger Ort Oberkirchen gegen den Trägerverein Wisent-Welt Wittgenstein beschäftigte ­gestern das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Die ersten beiden Urteile sollen zwar erst am 29. Mai verkündet werden, der 5. Zivil­sensat ließ aber durchblicken, dass die Wisente womöglich zunächst einmal das genießen können, was Wanderer am Rothaargebirge schätzen: nämlich Ruhe.

Das Landgericht Arnsberg hatte in der Vorinstanz im Sinne der fünf Kläger geurteilt: Der Trägerverein müsse geeignete Maßnahmen ergreifen, damit die dunkelbraunen Riesen die Grundstücke der Waldbesitzer nicht betreten. Für die OLG-Richter könnten solche Maßnahmen allerdings einer Ausnahmegenehmigung seitens der zuständigen Naturschutzbehörde erteilt bedürfen. Senatsvorsitzender Hermann Greving: „Nach unserer vorläufigen Einschätzung sind die zunächst gezüchteten Wisente inzwischen wildlebend und herrenlos.“

Besonders schutzbedürftig

Solche Tiere seien schutzbedürftig im Sinne des Paragrafen 44 des Bundesnaturgesetz - die Artenschutzbestimmungen stünden in diesem Fall über dem Landesjagdgesetz. Das bedeute beispielsweise, dass das Nachstellen und das Fangen der Tiere nach dem Naturschutzgesetz verboten ist.

Hubertus Dohle ist einer der fünf klagenden Waldbauern. Wenn man so will, hat er nach der gestrigen OLG-Verhandlung in anderer Wortbedeutung zu klagen. „Ich bin unzufrieden“, sagt der Oberkirchener, „wir reden hier nicht von einer Wildnis, sondern von einem Wirtschaftswald, der auch noch von nachfolgenden Generationen genutzt werden soll.“ Zuletzt im vergangenen September sollen sich Wisente in seinem Wald aufgehalten haben. Anschließend sollen sich die Vertreter der größten Landsäugetierrasse Europas an die Futterstellen in ihrem eigentlichen Projektgebiet zurückgezogen haben. „Keine Sorge“, sagt Dohle. „Wenn es hier grün wird, kommen die wieder.“ Sein Blick verrät ein wenig Resignation.

Gericht lässt Revision zu

Allerdings nur vorläufige: Richter Greving geht davon aus, dass man die Revision zulassen werde. „Wir werden, wenn nötig, den Bundesgerichtshof anrufen“, sagen Dohle und sein Kollege Georg Feldmann-Schütte unisono. „Wir geben nicht Ruhe, bevor unsere Grundstücke nicht vor diesen Tieren gesichert sind.“

Derzeit soll sich die 17-köpfige Wisent-Herde (Forstdirektor Joachim Röhl: „Plus zwei Bullen, die vagabundieren“) bei den Berleburger Ortschaften Schüllar und Kühhude aufhalten. Der Funkkontakt zu den Tieren ist schon vor einiger Zeit abgebrochen. Eher atmosphärische Störungen sind es bei den Konfliktparteien auf dem juristischen Weg. Die Anwälte der klagenden Waldbauern werfen dem Trägerverein eine Vielzahl an Gesetzesverstößen bei dem ihrer Meinung nach illegalen Projekt vor. Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, Erster Vorsitzender des Vereins, kommentiert dies mit zwei Worten: „weit hergeholt.“

Die Zeit spielt für die Wisente

„Sie werden einen langen Weg vor sich haben“, ruft Greving den Konfliktparteien noch zu. Bis zu zwei Jahren kann es dauern, bis der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eine Entscheidung getroffen hat. Die Streitsache kann dann wieder ans OLG Hamm zurückgehen, womöglich steht am Ende auch noch der Europäische Gerichtshof. Das mögliche Ende des Auswilderungsprojekts - das bei einem richterlichen Umzäunungs-Gebot droht - ist zunächst in weitere Ferne ­gerückt. Die Zeit spielt für die ­Wisente.