Ferndorf. Vor bald 100 Jahren ist der Zitzenbach in Ferndorf als Badeweiher aufgestaut worden. Heute gehört er zu den 111 Orten, die man gesehen haben muss.
„Guck mal, wie die Sonne auf die Bank scheint.“ Achim Stenger hat das neu aufgestellte Waldsofa ganz oben auf der Liegewiese im Blick. Eindeutig den richtigen Platz gewählt. „Das ist hier einfach immer ein Idyll“, freut sich Anne Spies. Die Vorsitzende des Fördervereins für das Naturfreibad in der Zitzenbach und ihr Stellvertreter sind startklar: Der Sommer kann kommen.
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Der Weg führt durch den Wald, ein ganzes Stück. Und dann kommt auf einmal der Weiher mit seinem in der Nachmittagssonne glitzernden Wasserspiegel. Ein paar Leute sitzen einfach da und schauen, eine Frau tritt im Wasser, ein paar andere drehen ihre Runden im noch ziemlich kühlen Nass. Weniger als 18 Grad, hat die Stadt festgestellt. Weshalb sie auch noch keine Badeaufsicht nach Ferndorf geschickt hat.
Ein eigener Oscar für die Zitzenbach
Viereinhalb Minuten dauert „Freibad“, Stück Nummer Vier aus dem zwölfteiligen „Ferndorf“-Zyklus, den Volker Bertelmann seinem Geburtsort gewidmet hat. Hauschka, so der Künstlername des in Düsseldorf lebenden Komponisten und Pianisten, hat für seine Filmmusik zu „Im Westen nichts Neues“ 2023 einen Oscar bekommen. Seine instrumentale Hommage an das Freibad seiner Kindheit verleitet zum Träumen. Schon 2015 hat eine 81-jährige Badbesucherin gereimt: „Hinein in das herrliche frische Nass, wir freuen uns wie Kinder und haben viel Spaß.“ Versteht sich, dass die Zitzenbach ihren eigenen Oscar bekommen hat, gelistet in „111 Orte in Siegen-Wittgenstein, die man gesehen haben muss“.
Die Geschichte: Vom Arbeitsdienst zum Förderverein
2027 wird das Bad 100: Denn 1927 wurde der Badeweiher eröffnet, den Arbeitslose im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes angelegt haben, den es in den 1920er Jahren in Deutschland gab. Drei Holzpfähle trennten Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich, die Baubude wurde zur Umkleidehütte umfunktioniert. Als die B 508 in den 1960er Jahren zum ersten Mal ausgebaut wurde, waren die alten Bordsteine übrig. Die dienten ein halbes Jahrhundert zur Uferbefestigung: Auf der einen Seite wurden sie inzwischen durch Granitquader ersetzt, die einen neu befestigten Rundweg vom Schwimmbecken abtrennen. Die andere Seite will sich der Förderverein auch noch vornehmen.
2011 war das, als die Ferndorfer Stadtverordnete Elfrun Bernshausen und der 2021 verstorbene Altbürgermeister Helmut Nölling den Anstoß zur Gründung des Fördervereins gaben – damals wurde in der Kreuztaler Politik darüber diskutiert, ob man sich außer dem Warmwasserfreibad in Buschhütten die Naturfreibäder weiter leisten wollte. Man wollte, zumal die Stadt sich das Geld für ein Hallenbad stets gespart hat. Ferndorf, Krombach und Eichen blieben. Nur der Kredenbacher Ochsenweiher wurde 2019 aufgegeben – er war einfach nicht mehr dicht zu kriegen. Ähnliches Ungemach drohte den Ferndorfern auch. Mit vereinten Kräften machten Stadt und Förderverein 2020 die Dämme wieder dicht. Gerd Spies hatte über seine Tiefbaufirma Kontakte und machte eine Lehmgrube in der Nähe von Burbach ausfindig: „Wir haben hier fünf Sattelzüge hingefahren.“
Die Stadt Kreuztal unterhält und betreibt das Bad, hält das 1966 errichtete Umkleidegebäude mit der Schwimmmeisterkabine in Schuss, gerade wird das WC neu gefliest. Der Förderverein unterstützt, zum Beispiel, als 2017 Strom und Telefon in die Zitzenbach gelegt wurden; vom letzten Haus in Ferndorf aus sind immerhin 700 Meter zu überwinden. Auch der elektrische Schieber ist so eine Verbesserung: Die Sensoren reagieren auf den Wasserzufluss: Wird es zu viel, geht das Schott hoch, und der Zitzenbach wird durchs Rohr am Weiher vorbeigeleitet. Früher musste dafür immer jemand rauskommen und kurbeln. Achim Stenger freut sich über den neuen Teichschlammsauger, der über die Betonplatten fahren kann, die den Boden des Weihers im vorderen Bereich bedecken. „Wir wollen ja das klare Wasser behalten.“ Und vor allem vermeiden, dass jemand ausrutscht, weil es zu glitschig ist.
Heute: Badevergnügen nicht nur für die Ferndorfer
Die Zitzenbach ist ein Geheimtipp, irgendwie. Und auch wieder nicht. Mancher alter Ferndorfer setzt sich schon morgens um 6 ans Wasser, um hier die Sonne aufgehen zu sehen, weiß Anne Speis, die den mittlerweile 205 Mitglieder starken Förderverein seit seiner Gründung leitet. Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Familien und Alte kommen aus allen Kreuztaler Stadtteilen, aber auch sogar aus Siegen in das Freibad ohne Zaun und Kasse. Hier darf Spielzeug mit ins Wasser genommen werden, der Verein selbst hält ein Stand-Up-Board, Schwimmmatten und -nudeln bereit. 5039 Gäste wurden 2023 im von den drei Kreuztaler Naturbädern besuchten Bad gezählt – an den 85 Öffnungstagen zwischen 13.30 und 19 Uhr. Davor zählt niemand. Und danach auch nicht.
Voll wie ein Schwamm: Bestes Wasser aus dem Kindelsberg
Einmal im Jahr wird gefeiert, das „Mittsommerfest“ ist inzwischen ein „Sommerfest“ geworden, in diesem Jahr am 17. August. Dann feiern wieder alle Ferndorfer Vereine mit, die sich immer wieder gegenseitig unterstützen: Das andere Waldsofa trägt noch die Aufschrift „HadZmich“, ein Geschenk des gleichnamigen Vereins, der auf seinem eigenen Gelände an der (CVJM-)– „Hödde a d‘r Zetzemich“ keinen sonnigen Platz dafür hat.
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In trockenen Sommern ist die Feuerwehr gern gesehener Helfer; dann wird der Hydrant oben im Wald angezapft, um den Wasserspiegel wieder zu erhöhen. Im Moment sieht es aber nicht danach aus, als ob diese Unterstützung in absehbarer Zeit erforderlich würde. Es hat einfach genug geregnet in diesem Frühjahr. „Der Kindelsberg ist wie ein Schwamm“, sagt Anne Spies. Und direkt aus dem Berg und aus dem Zitzenbach kommt das Wasser für das Freibad. „Beste Wasserqualität“, betont Anne Spies – hier kommen weder Industrie noch Landwirtschaft dazwischen.
Nächstes Jahr kommt die neue Rutschbahn in die Zitzenbach
„Für nächstes Jahr ist uns eine neue Rutsche versprochen worden“, sagt Achim Stenger – so nachdrücklich, als ob er Zweifel hätte, dass die Stadt sich das leisten könne. Bei den acht Millionen Euro, die die im Herbst beginnende Generalsanierung des Buschhüttener Freibades kostet, dürfte der jährlich höchstens fünfstellige Betrag für die Naturbäder kaum ins Gewicht fallen. Die vorhandene Rutsche („Wir hatten schon Sponsoren“) muss weg, weil sie nicht im Wasser aufkommt, wie es die neue Norm verlangt, sondern darüber. Mit den Zentimetern ist das schon so eine Sache: 3,50 Meter Wassertiefe sind zu wenig für ein federndes Sprungbrett, mussten die Ferndorfer schon vor Jahren lernen. Dafür lassen sich aber die 52 Meter Beckenlänge nicht wegdiskutieren. „Ich habe hier mal den Jugendschwimmschein gemacht“, erinnert Anne Spies.
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