Siegen. Rekorde, auf die niemand stolz ist: Siegener Haushalt kommt so spät wie noch nie. Und beschert mehr Steuern für Eigentümer und Unternehmen.
So spät wie noch nie wird der Rat der Stadt Siegen den Haushalt für das laufende Jahr verabschieden: wenn der Rat mitmacht und die Ausschüsse sich mit vier Wochen - statt drei Monaten - Beratungszeit abfinden, am 29. Mai.
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Die Zeit: Siegener Haushalt so spät wie nie
„Ein noch späterer Zeitpunkt würde uns vollständig lahm legen“, sagt Bürgermeister Steffen Mues. Erst mitten in den Sommerferien könnte die Stadt dann versuchen, noch Aufträge bei den Unternehmen unterzubringen, „der denkbar schlechteste Zeitpunkt“.
Haushalt 2024
Eckdaten: Erträge 381 Millionen Euro, Aufwendungen 406 Millionen Euro.
Das Defizit von 25 Millionen Euro wird durch eine globale Minderausgabe von acht Millionen Euro und die Erhöhung der Grundsteuer (zusätzlich: vier Millionen Euro) auf 13 Millionen Euro verringert. Dieser Betrag wird aus der Ausgleichsrücklage beglichen, die durch die Überschüsse der Vorjahre angefüllt ist.
Die Stadt Siegen hat am Ende des Jahres Schulden von 294,5 Millionen Euro. Diese bestehen aus 101,5 Millionen Euro für Investitionskredite und 193 Millionen Euro für Kassenkredite, aus denen laufende Ausgaben finanziert werden.
Vom Eigenkapital, das 2009 mit 446 Millionen Euro berechnet wurden, werden bis Ende 2024 262 Millionen Euro verbraucht sein, das sind 59 Prozent.
Wesentliche Erträge: 90 Millionen Euro Gewerbesteuer, 55,5 Millionen Euro Einkommensteuer, 26,6 Millionen Euro Grundsteuer.
Wesentliche Aufwendungen: 98,9 Millionen Euro Personalkosten, 81,9 Millionen Euro Kreisumlage.
In diesem Jahr investiert die Stadt 40 Millionen Euro.
Schuld ist die Cyber-Attacke auf die Südwestfalen IT (SIT). Am Freitag, 27. Oktober, hatte Kämmerer Wolfgang Cavelius die Mail mit dem Entwurf des Haushaltsplans an seine Dezernenten-Kollegen und Abteilungsleitungen verschickt. Abends wurde das Personalfest gefeiert, während die Cyber-Erpresser zum lange vorbereiteten Schlag ausholten. Am Montagmorgen, an dem Steffen Mues den Haushalt ausgedruckt hätte („das mache ich immer“) war alles weg. „Niemand hatte mehr die Zahlen.“ Nicht nur jede einzelne Anforderung der Fachabteilungen musste mühsam rekonstruiert werden. Auch die bereits vorbereiteten Ausschreibungen für Bau-Aufträge waren weg.
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Der Siegener Absturz: So tief wie nie
„Nichts ist mehr so, wie es mal war“, stellt der Bürgermeister fest. Das gilt auch für die Zahlen, die nun wieder hergestellt wurden. Aus dem Überschuss von 314.000 Euro, mit dem der Kämmerer noch im vorigen Jahr für 2024 geplant hatte, ist ein Defizit von - zunächst - 25 Millionen Euro geworden. Gemessen daran, dass 2023 und auch schon 2022 jeweils Überschüsse von 15 Millionen Euro entstanden sind, bedeutet das einen Absturz um 40 Millionen Euro. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Steffen Mues.
Es liegt nicht an den Einnahmen: Mit 90 Millionen Euro fließt die Gewerbesteuer fast unverändert üppig in Rekordhöhe, 2021 waren es gerade einmal 71 Millionen - was Bürgermeister und Kämmerer auch auf den Ertrag der in den neuen Gewerbegebieten Leimbachtal und Martinshardt angesiedelten Unternehmen zurückführen. Sondern an den Ausgaben: Die Inflation, ausgelöst durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg, hat die Kosten getrieben.
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Und dann ist da auch noch die Kreisumlage: 82 Millionen Euro, erneut fünf Millionen mehr als im Vorjahr, muss die Stadt abführen, ein Fünftel ihres gesamten Haushalts. „Entsetzlich“ sei das, findet Bürgermeister Steffen Mues, und vom Kreis „völlig unsolidarisch“. Mues lobt die Sparbeschlüsse der neu formierten „bürgerlichen“ Kreistagsmehrheit („endlich“) und kritisiert konkret die zu finanzierenden „Doppelstrukturen“: Tatsächlich bezahlt die Stadt Siegen die Bauaufsicht des Kreises mit, obwohl sie - wie Kreuztal und Netphen - eine eigene Bauaufsichtsbehörde hat. Über die Kreisumlage bezahlt Siegen auch die Kreisvolkshochschule, obwohl die Stadt eine eigene VHS hat. Jahrelange Verhandlungen über eine Fusion scheiterten letztlich auch daran, dass die Nachbarstädte nicht auf ihre eigenen VHS-Zweigstellen verzichten wollten.
Die Siegener Lösung: Kreativ
Bei den 25 Millionen Euro Defizit darf es nicht bleiben. Die Folge wäre ein neues Haushaltssicherungskonzept. Das letzte galt 30 Jahre lang bis 2022. Aus dem nächsten, fürchtet der Bürgermeister, „würden wir überhaupt nicht mehr herauskommen“. Damit der Haushalt ohne den Zugriff der Kommunalaufsicht umgesetzt werden kann, wird das Defizit auf 13 Millionen Euro begrenzt. Das gelingt durch zwei Maßnahmen:
Der Hebesatz für die Grundsteuer wird um 110 Prozentpunkte auf 695 Prozent angehoben. „Das wird politisch zu diskutieren sein“, räumt Kämmerer Wolfgang Cavelius ein, „aber ich sehe keine Alternative.“ Auch nicht in einer Anhebung der Gewerbesteuer, die nicht nur angesichts der Konjunktur kaum vorausschätzbar sei. Die Grundsteuer ist die verlässlichere Einnahmequelle - „Grundstücke kann man nicht ins Ausland verlagern“. Siegen halte zudem immer noch Abstand zur Spitzengruppe: In Kreuztal steht übernächste Woche eine Entscheidung über 790 Prozent an, dem Netphener Rat werden nächste Woche 785 Prozent vorgeschlagen.
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Rund vier Millionen Euro sollen durch die höhere Grundsteuer aufs Konto kommen. Acht Millionen bringt die „globale Minderausgabe“ von zwei Prozent der geplanten Aufwendungen. Nur auf dem Papier - „dass die tatsächlich zu erzielen sind“, ist auch für den Kämmerer fraglich. Was im Jahresabschluss nicht als Einsparung nachgewiesen werden kann, wird als Verlust in den Haushalt 2025 übertragen. Auf jeden Fall reicht die „fiktive Ergebnisverbesserung“ (Cavelius), um der Haushaltssicherung zu entkommen. Ohne solche „kreative Buchhaltung“, so der Kämmerer, müsse die Grundsteuer sogar um 300 Prozentpunkte angehoben werden. Mit 885 Prozent wäre Siegen dann aber mit Abstand an der Kreis-Spitze.
Über die vorgesehenen Investitionen in diesem Jahr berichten wir in einem weiteren Beitrag.
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