Siegen-Wittgenstein. Der Kreistag entscheidet in geheimer Abstimmung, die Kontroverse endet nicht: Auf die CDU sei „massiver Druck ausgeübt worden“, sagt ihr Sprecher

Einen Nationalpark „Rothaarkamm“ wird es nicht geben. In geheimer Abstimmung hat der Kreistag am Freitag, 15. März, beschlossen, „sich in dem von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen eingeleiteten Findungsprozess für einen zweiten Nationalpark nicht einzubringen und auf eine Bewerbung als Nationalparkregion zu verzichten“. 28 Kreistagsmitglieder stimmten auf diese Weise für den Ausstieg aus der Debatte, 19 dagegen, zwei enthielten sich der Stimme.

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„Niemand soll sich erklären müssen“, begründete CDU-Fraktionschef Hermann-Josef Droege den Wunsch nach geheimer Abstimmung. Auf Mitglieder seiner Fraktion, die - ebenso wie die UWG - nicht geschlossen votierte, sei im Vorfeld „massiv Druck ausgeübt worden“.

Grüne Siegen-Wittgenstein wollten Verlängerung für Nationalpark-Entscheidung

„Es braucht mehr Zeit als drei Monate“, sagte Landrat Andreas Müller. Die Grünen hatten beantragt, mit der Entscheidung bis Juni zu warten und bis dahin zu klären, ob der Kreis sich auch unter Bedingungen bewerben könne. Zu einer Abstimmung über eine solche „konditionierte Bewerbung“ kam es nicht mehr. Beschlossen wurde dagegen der Antrag der FDP, in einem nicht öffentlichen Arbeitskreis „ergebnisoffen Fragen, Bedenken und Fürsprachen zu einem Nationalpark zu bearbeiten“. Guido Müller (FDP) sah weiterhin Klärungsbedarf: „Ich weiß nicht, woher dieser Widerstand kommt.“

Der Kreistag beschließt das Aus für Nationalpark-Ambitionen am Rothaarkamm.
Der Kreistag beschließt das Aus für Nationalpark-Ambitionen am Rothaarkamm. © WP | Steffen Schwab

Ulrich Schmidt-Kalteich (Grüne) rief dazu auf, „die Chance wahrzunehmen“. Viele Einwände seien entkräftet worden, im Nationalpark Eifel zum Beispiel werde auch gejagt und Holzwirtschaft betrieben. „Die Tür nicht zuschlagen“, riet Andreas Klein (Wir Bürger). Es gehe darum, Tourismus und Wirtschaft zusammenzubringen. Das beim Nationalpark-Forum im Februar in Siegen erzeugte Abstimmungsergebnis hielt Klein nicht für aussagekräftig: „Das Stimmungsbild war nicht eindeutig.“ Es habe zwar mehrheitlich Stimmen gegen den Nationalpark, aber auch viele für ein Weiterberaten gegeben, berichtete Katrin Fey (Linke). Ein großer Teil der 130 Teilnehmenden hatte allerdings überhaupt nicht abgestimmt. Bei dem Forum waren 29 Stimmen für, 34 gegen eine Bewerbung abgegeben worden, 13 waren für „Weiter diskutieren“. Katrin Fey: „Wir würden gern in die Bewerbung einsteigen.“

Wir sind häufig enttäuscht worden. Uns fehlt das Vertrauen, dass man einen Deal machen könnte.
Hermann-Josef Droege, CDU

Kreuztaler Südumgehung hätte fertig sein müssen

Hermann-Josef Droege (CDU) teilte mit, seine Fraktion sei „deutlich mehrheitlich“ gegen eine Bewerbung, „weil wir nicht wollen, dass die Region sich verhakt“. Das hänge zusammen mit der Politik des Landes: „Wir sind häufig enttäuscht worden. Uns fehlt das Vertrauen, dass man einen Deal machen könnte.“ Droege berichtete, dass Umweltminister Oliver Krischer persönlich bei ihm sondiert habe, ob Siegen-Wittgenstein als Nationalpark-Bewerber denkbar sei („Ich hatte eher einen Anruf zu den Wisenten erwartet“), dann aber einer Einladung nach Siegen nicht gefolgt sei. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass der Minister dieses Thema nicht zur Chefsache gemacht hat.“ Wenn Kreuztal seine Südumgehung hätte und einige weitere Abschnitte der Ortsumgehungskette nach Wittgenstein zumindest in Bau wären, „hätten wir diese Diskussion völlig anders geführt.“

Nicht ausgeschlossen sei es, „in späteren Wahlperioden“ erneut über einen Nationalpark zu sprechen – „wenn wir mit unserer Verkehrsinfrastruktur weiter sind“, sagte Droege. Den Begriff eines „Großschutzgebietes“ hatte der Landrat in seiner Vorlage eingeführt – über das „zu gegebener Zeit“ und „ohne inhaltliche und gebietsmäßige Vorgaben der Landesregierung“ gesprochen werden könne, „gegebenenfalls auch mit benachbarten Kreisen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen“.

Nationalpark Siegen-Wittgenstein: Zu den Wisenten auch noch Wölfe?

Roland Steffe (AfD) sah in der Abstimmung des Forums „ein deutliches Ergebnis“. Siegen-Wittgenstein sei „eine Industrieregion im Grünen“, durch einen Nationalpark werde die Planung der Route 57 „massiv gefährdet“. Steffe berichtete, dass sich im bisher einzigen NRW-Nationalpark Eifel der Wolf ausbreite. „Dann hätten wir nicht nur ein Wisent-Problem.“

Julian Maletz (SPD) stellte fest, dass sich die gewünschte Einigkeit der Region nicht herstellen lasse. „Die Stimmung war von Anfang an konträr, daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Maletz kritisierte, dass die betroffenen Kommunen, vor allem Hilchenbach und Netphen, in den Entscheidungsprozess nicht einbezogen worden seien.

Seine Fraktion sei „von Anfang an gegen die Bewerbung“ gewesen, sagte Markus Böhmer (SWM), „wir bleiben dagegen. Für uns überwiegen die Nachteile.“ „Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Zeit gehabt hätten“, sagte Horst Günter Linde (UWG), der sich dem Wunsch der Grünen nach Vertagung anschloss. Den Waldskulpturenweg in Bad Berleburg hätten anfangs auch viele Entscheidungsträger abgelehnt, „heute ist das ein Highlight.“

Zu wenig Zeit für Entscheidung zu Nationalpark in Siegen-Wittgenstein

„Wir sind nicht der Bayerische Wald oder das Wattenmeer“, räumte Ursula Belz (CDU) ein, dennoch biete ein Nationalpark die Chance des Interessenausgleichs zwischen Wirtschaft und Umweltschutz. „Klimaschutz ist das Thema unserer Zeit“, sagte Ursula Belz. Ein Aufeinanderzugehen sei generell „als langfristiges Ziel eine Antwort auf Probleme unserer Gesellschaft. Und wir sind innovativ.“

Das hätte schon viel früher gestoppt werden müssen.
Michael Sittler, SPD

„Es war bekannt, dass die Zeit zu knapp ist“, sagte Michael Sittler (SPD), „was wir jetzt haben, hätten wir auch vor sechs Monaten haben können. Das hätte schon viel früher gestoppt werden müssen.“ Von der Landesregierung sei es „eine Frechheit, eine Region so unter Druck zu setzen“. Ursprünglich hatte das Land Ende März als Termin für einen Bewerbungsschluss gesetzt. Erst beim Nationalpark-Forum im Februar hatte Staatssekretär Viktor Haase signalisiert, dass eine Bewerbung auch im Sommer noch entgegengenommen werde. „Andere haben mehrere Jahre gebraucht“, sagte Hans Günter Bertelmann (UWG) mit Blick auf die Entstehungsgeschichte anderer Nationalparke in Deutschland.

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