Siegen-Wittgenstein. Entscheidungen über zwei Reizthemen: Vor allen von den fresslustigen Wisenten haben die Kreis-Politiker mehr oder weniger die Nase voll.
Kein neuer Runder Tisch für die Wisente, noch kein Aus für eine Nationalpark-Bewerbung: Mit knappen Mehrheiten hat der Kreistag über Reizthemen entschieden. Einen der wenigen Heiterkeitserfolge in den Debatten erzielt Katrin Fey (Linke) mit ihrer Frage, ob man die Wisente in einen Nationalpark „integrieren“ könne. Das nämlich würde nur möglich, wenn auch das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet Schanze in den Nationalpark einbezogen würde, erklärt Landrat Andreas Müller. Kein Staatswald, sondern Genossenschaftswald im Hochsauerlandkreis. Dessen Kreistag wiederum sei gegen einen Nationalpark. Die Wisente aber auf dem Siegen-Wittgensteiner Rothaarkamm anzusiedeln, „halte ich für ausgeschlossen“. Ulrich Schmidt-Kalteich (Grüne): „Wisente gehören nicht in den Nationalpark.“
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Nationalpark: 26 zu 24 Stimmen
Auf einem Fachtag oder einem Forum soll das Für und Wider einer Nationalpark-Bewerbung Siegen-Wittgensteins erörtert werden. Das haben CDU und Grüne beantragt, und so wird es schließlich mit 26 gegen 24 Stimmen beschlossen - weil zwar einerseits zwei CDU-Kreistagsmitglieder nicht mitmachen, andererseits aber Lukas Debus (SPD) mit CDU und Grünen stimmt und der Landrat sich der Stimme enthält.
„Wir sind nicht im Bayerischen Wald und nicht in der Eifel“, sagt Roland Steffe (AfD), „wir sind eine Industrieregion.“ Betriebe könnten abwandern - auf der anderen Seite würde der angestrebte Tourismus das Verkehrsaufkommen erhöhen: „Für uns überwiegen die Nachteile.“ Der Bad Berleburger Georg Freitag (CDU) fordert das umgehende Ende der Überlegungen. „Ich habe keinen weiteren Beratungsbedarf mehr.“ Julian Maletz (SPD) erinnert daran, dass der Kreistag noch im September die Bedingung für einen Einstieg in die „Findungsphase“ formuliert habe, dass das Land die Bewerbungsfrist über den März 2024 hinaus verlängert - was nicht erfolgt ist. „Und wir waren uns eigentlich alle einig, dass ein regionaler Schulterschluss nötig ist“ - der angesichts vielfältige Widerstände auch nicht gegeben sei. „Was erhoffen Sie sich dann von einem Fachtag?“
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Ulrich Schmidt-Kalteich (Grüne) hebt hervor, dass die Stellungnahmen der Verbände „nicht alle negativ“ ausgefallen seien. Und dass manche Vorbehalte darauf zurückzuführen seien, dass nur „wolkige“ Gebietsszenarien kursierten. Dabei gebe es einen konkreten Vorschlag, den Naturpark auf das FFH-Gebiet Rothaarkamm und Wiesentäler, angrenzenden Staatswald und die Wildnis der Dieter-Mennekes-Stiftung bei Heiligenborn zu konzentrieren. Die CDU-Fraktion näherer sich dem Thema „mit Sicherheit nicht leichten Herzens“, betont deren Fraktionschef Hermann-Josef Droege und nimmt für die CDU einen „deutlichen Unterschied zum Antrag der Grünen“ in Anspruch. Es gehe lediglich darum, „in die Region hineinzuhören“, um dann im März endgültig über eine Bewerbung zu entscheiden. Dass die Waldbauern dagegen seien, sagt Horst Günter Linde (UWG), die ihrerseits Windräder aufstellen lassen wollten, „da könnte ich nur kotzen. Was uns kaputt macht, ist die schlechte Verkehrsanbindung.“ Und nicht der Nationalpark.
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Meike Menn (Grüne) fragt, warum der Kreistag überhaupt befasst werde: „Wir hätten längst den Findungsprozess in Gang gesetzt haben können.“ Der sei doch noch gar nicht beschlossen, widerspricht Landrat Andreas Müller, „da gibt es offensichtlich unterschiedliche Interpretationen.“ Andreas Klein (Wir Bürger) wirft der Verwaltung vor, „recht halbherzig“ und „nicht objektiv“ an dem Thema zu arbeiten.
Markus Böhmer (SWM) sieht - im Gegensatz zu den Naturpark-Befürwortern - nicht nur den Bau der Ortsumgehungskette Route 57 gefährdet, sondern auch den Ausbau der L 719 über die Siegquelle, der Geiersgrundstraße und eine zukünftige Elektrifizierung der Rothaarbahn. „Das sind Lebensadern.“
Horst Günter Bertelmann (UWG) warnt vor einer Kampfabstimmung: Eine Bewerbung mit nur knapper Mehrheit werde nicht viele Chancen haben. Zumal es andere Regionen gebe, die den Naturpark wirklich wollten, ergänzt Michael Sittler (SPD). „Wir sollten uns nicht auf Spielfelder begeben, auf denen wir nur schlecht abschneiden können“, meint Ullrich Georgi (Linke).
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Wisente: 23 zu 25 Stimmen
Mit 25 gegen 23 Stimmen lehnt der Kreistag den Antrag von CDU, Grünen, Wir Bürger und FDP ab, den Runden Tisch fortzuführen, der unter Moderation der ehemaligen Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und Ursula Heinen-Esser (CDU) nach einer Zukunft des Eisen-Projektes sichern soll „Rechtssicher“ und - durchaus zweideutig - „zielgerichtet“ müsse das Projekt beendet werden, fordert Julian Maletz (SPD). Es mache „Sinn, weiter an dem Projekt zu arbeiten“, findet dagegen Andreas Klein (Wir Bürger) und wundert sich, „wie die SPD sich gegen Naturschutz und Artenschutz aufstellt“. Es müsse darum gehen, eine neue Trägerstruktur zu finden und „die Tiere auf einen anderen Weg zu bringen“, sagt Hermann-Josef Droege (CDU).
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Das Gatter wird gebaut, sagt Landrat Andreas Müller. Alles andere, was der Kreistag im September auf Empfehlung des Runden Tischs beschlossen hat, passiert nicht: keine weitere Winterfütterung, kein Herdenmanagement. Per Dringlichkeitsbeschluss, den Landrat und die Fraktionsvorsitzenden von SPD, AfD, SWM, UWG, FDP, Linken und Wir Bürger gefasst haben und den der Kreistag später genehmigt, sind die Beschlüsse schon Ende November wieder aufgehoben worden. Der Kreis hatte die Gefahr gesehen, auf diese Weise Eigentümer der Herde zu werden.
„Wir können doch nicht einfach sagen: Schluss“, sagt Jutta Capito (CDU). Für ein zumindest „vernünftiges Ende“ spricht sich Ullrich Georgi (Linke) aus. Und dann holt Michael Sittler (SPD) aus und fängt bei der 2010 begonnenen Auswilderung an, bei der der kommende Ärger voraussehbar geworden sei: „Ich war dabei, als Egnar das erste Mal durch den Zaun brach.“ Ein „Schlussstrich“ sei das „Gebot der Stunde“, „es wird nicht anders gehen, als die Tiere dort rauszunehmen“. Horst Günter Linde (UWG) keilt zurück: Die SPD sei nur deshalb von Anfang an gegen die Wisente gewesen, weil mit Landrat Paul Breuer, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und dem Bad Berleburger Bürgermeister Bernd Fuhrmann CDU(-nahe) Politiker in der ersten Reihe gestanden hätten. Der Landrat habe als Privatmann gehandelt, erwidert Michael Sittler: „Wäre der Kreistag gefragt worden, wäre Breuer allein gewesen.“
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500.000 Euro im Jahr würden fällig, wenn der Kreis einsteige, warnt Julian Maletz (SPD). 13 Kühe seien derzeit trächtig, die Herde sei bald mit mehr als 50 Tieren doppelt so groß wie ursprünglich geplant. „Zielsicher“, sagt der SPD-Fraktionschef schon wieder, müsse man da rauskommen.
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