Siegen-Wittgenstein. Im Kreistag hat sich eine „bürgerliche Mehrheit“ gefunden, die den Etat nicht beschließen will. Nach den Vorberatungen sei das „nicht zumutbar“.
Der Kreistag wird am Freitag den Haushaltsplan für 2024 nicht verabschieden und damit auch die von den Städten und Gemeinden zu zahlende Kreisumlage nicht festsetzen. Die sechs Fraktionen von CDU, Grünen, Siegen-Wittgensteiner Mitte, UWG, FDP und Wir Bürger, die sich in ihrer Pressemitteilung selbst als „deutliche bürgerliche Mehrheit“ vorstellen, haben Landrat Andreas Müller aufgefordert, alle Entscheidungen über den Haushalt von der Tagesordnung abzusetzen. Damit werden im Siegerland nur Burbach und Freudenberg rechtzeitig mit einem Haushaltsplan ins neue Jahr gehen. Alle anderen Kommunen mussten passen, weil sie seit der Cyber-Attacke auf die Südwestfalen IT keinen Zugriff mehr auf ihre Zahlen haben.
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Vorberatungen über überholten Entwurf
Die Fraktionen kritisieren , dass in den letzten Wochen maßgebliche Haushaltsdaten gegenüber dem vom Landrat unterzeichneten offiziellen Entwurf von ihm selbst über eine Pressemitteilung, also über die Öffentlichkeit, verändert worden sind. Dieser ursprüngliche Entwurf, der zur Stellungnahme den Städten und Gemeinden ebenso zugeleitet wurde wie auch den Mitgliedern des Kreistags, wurde in einer Größenordnung von bis zu 15 Millionen Euro verändert. „Die Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen dagegen basierten auf dem aus Sicht des Landrats überholten Entwurf.“ Dieses Verfahren sei „in der Geschichte des Kreises Siegen-Wittgenstein erst- und einmalig“. Womit die sechs Fraktionen sich allerdings irren: Bereits 2019 hatte der Landrat den eigenen Etatentwurf unmittelbar vor Beginn der Beratungen im entscheidenden Punkt der Kreisumlage korrigiert.
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Landrat Andreas Müller hatte angekündigt, von seinem ursprünglich eingebrachten Haushalt abzuweichen: Die Kreisumlage soll von 34,7 auf 36,35 Prozent steigen, nicht auf 38,4 Prozent. Die Umlage für das Jugendamt, die alle Städte außer Siegen bezahlen müssen, wird nicht von 27,1 auf 27,41 Prozent erhöht, sondern auf 25,98 Prozent gesenkt - macht 15 Millionen Euro Entlastung für die Städte und Gemeinden. Finanziert werden soll dies durch Einsparungen, durch eine „globale Minderausgabe“ und durch die Aufgabe des letzten Fünf-Millionen-Euro-Sockels der Ausgleichsrücklage, die der Kreis bisher für unantastbar erklärt hat. Zugleich hatte der Landrat die Kreistagsfraktionen aufgefordert, die in einer Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge zu Einsparungen vorzulegen.
Zusätzliche freiwillige Leistungen noch nicht eingeplant
In den Ausschussberatungen seien Fragen der Politik nicht beantwortet worden, heißt es weiter in der Erklärung der sechs Fraktionen. Trotzdem werde eine zustimmende Entscheidung im Kreistag erwartet. „Das allerdings ist nach Auffassung der antragstellenden Fraktionen nicht zumutbar“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Zusätzliche freiwillige Leistungen des Kreises in unterschiedlichen Aufgabenbereichen, vorgeschlagen von der Verwaltung mit Unterschrift des Landrats, seien weder im offiziellen Haushaltsentwurf noch in den Veränderungen über 15 Millionen Euro „eingepreist“, fänden sich aber trotzdem auf der bisherigen Tagesordnung des Kreistags. Gemeint sind unter anderem Zahlungen an den Energieverein Siegen-Wittgenstein, für den „Startpunkt 57“, für die Prostituiertenberatungsstelle Tamar, für einen Ranger in Natura-2000-Schutzgebieten, für die neue Dauerausstellung des Aktiven Museums, für die Fortschreibung der regionalen Wohnungsmarktanalyse, für die Wohnberatung , für ein Modellvorhaben „Fachkräfte. Bilden. Zukunft“, für das geplante Gefahrenabwehrzentrum, für das Psychosoziale Zentrum und für die Biologische Station - unter dem Strich knapp 500.000 Euro im 597-Millionen-Euro-Haushalt.
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„Prinzip Hoffnung“ für Philharmonie-Finanzen
Schließlich irritiere die zuletzt im Kulturausschuss erörterte finanzielle Situation der Südwestfälischen Philharmonie insbesondere unter dem Eindruck der erheblichen Tarifsteigerungen von mehr als 10 Prozent, schreiben die sechs Fraktionen. „Im Haushaltsentwurf des Landrats findet dieses Thema schlicht nicht statt. Stattdessen soll nach dem Prinzip Hoffnung auf eine nochmals erhöhte Landesförderung oder die zusätzliche Unterstützung durch regionale Sponsoren gehofft werden, ebenfalls mit unsicherem Ausgang. Was aus Sicht der Fraktionen gar nicht geht, ist die vom Landrat anscheinend bevorzugte Nichtberatung dieses Themas.“
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Gemeinsam schlagen die Fraktionen Landrat Müller vor, die Beratung und Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2024 in einer Kreistagssitzung am 9. Februar anzustreben. Auch der Haushalt für dieses Jahr war erst im Februar verabschiedet worden, nachdem sich bei der Haushaltsdebatte im Dezember keine Mehrheit mehr gefunden hatte - im Gefolge dieser Auseinandersetzung war die Kooperation von CDU und SPD zerbrochen. Im Dezember 2022 hatte der Kreistag bis kurz vor Mitternacht gestritten. Im Lichte dieser Erfahrung hatte Landrat Andreas Müller erwogen, in diesem Jahr die Sitzung am Freitagabend zu unterbrechen und am Samstagvormittag fortzusetzen. Das wird nun nicht mehr nötig sein.
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