Siegen-Wittgenstein. Landrat Andreas Müller will die Kreisumlage nun nicht mehr erhöhen, sondern senken. Möglich wird das durch Überschüsse in Vorjahren.

Mit wenigen Sätzen nimmt Landrat Andreas Müller dem Konflikt die Spitze: Eigentlich, so sagt er, sei die Stellungnahme der Bürgermeister zum Etatentwurf des Kreises „sehr abgewogen“ und „durchaus moderat“. Und macht dann dasselbe, was er vor fünf Jahren schon einmal getan hat: Mit einem Federstrich nimmt er er die gerade noch von Kämmerer Thomas Damm vertretene Erhöhung der Kreisumlage zurück.

Die Kreisumlage

Der Hebesatz steigt nicht von 36,8 auf 37,8 Prozent. Sondern er wird, genau wie es die Konferenz der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verlangt hat, auf 36,3 Prozent gesenkt. Weil die Umlage sich auf die Finanzkraft der Städte und Gemeinden bezieht und die sich verbessert hat, entstehen dadurch immer noch acht Millionen Euro Mehreinnahmen für den Kreis. Nur eben nicht mehr 16 Millionen.

Was das bedeutet, hat Kämmerer Thomas Damm, den dieser Zugriff seines Landrats natürlich nicht überrascht, schon einmal ausgerechnet: Das Defizit steigt von 4,9 auf 12,3 Millionen Euro, entsprechend stärker wird die Ausgleichsrücklage geleert, von der dann nur noch wenig mehr als der Sockel von 5 Millionen Euro übrig bliebe, den der Kreistag für unantastbar erklärt hat. Dass der Landrat das in seiner folgenden Wortmeldung in der Pressekonferenz anders sehen wird, weiß Damm natürlich auch schon: Andreas Müller weist auf unerwartete 7 Millionen Überschuss aus dem Jahr 2018 hin. Und kündigt an, dass auch 2019 noch mehr als 6 Millionen übrig bleiben.

Der Haushalt

„Das Leben der Menschen Stück für Stück ein bisschen besser machen“ – so überschreibt der Landrat sein Statement zu dem Zahlenwerk, das in diesen Wochen von den Fachausschüssen beraten und am 13. Dezember vom Kreistag verabschiedet wird. Das sind die Themen:

Bezahlbare Wohnraum: Das Programm mit Zuschüssen an Bauwillige und Vermieter, Wohnbauflächenfonds und kommunaler Entwicklungsgesellschaft schlägt sich im Haushalt nieder, unter anderem mit der ersten von fünf Millionen für den Fonds. Landrat Müller weist den Einwurf des Burbacher Bürgermeisters Christoph Ewers zurück, die Gemeinde wolle nicht für Wohnungen in Siegen bezahlen. „Das erinnert mich an die Flughafendiskussion“, sagt Müller – der steht bekanntlich in Burbach und wird vom Kreis finanziert. Bezahlbares Wohnen sei „ein zentrales Zukunftsthema, bei dem es um den sozialen Frieden geht“. Dabei „ganz deutlich interkommunale Solidarität geboten“

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Breitbandausbau: Jetzt geht es um die letzten zwei Prozent der Haushalte. Zehn Millionen Euro werden eingeplant, tatsächlich sei aber ein „höhere zweistelliger Millionenbetrag“ zu erwarten, deutet Müller an. Denn weil kein Telekommunikationsunternehmen an den entlegenen Standorten Interesse hat, wird der Kreis nicht nur eine „Wirtschaftlichkeitslücke“ zu füllen haben, sondern das Glasfaserkabel komplett bezahlen müssen. Bei den bisher realisierten 98 Prozent des Netzes ist der Kreis mit 3,6 Millionen Euro ausgekommen.

Kitas: Sozialleistungen machen 70 Prozent des Haushaltsvolumens aus. Mit 74 Millionen Euro haben die Kitas daran den größten Anteil, von denen der Kreis selbst 33,4 Millionen Euro trägt. Die Mehrausgabe von 16,2 Millionen Euro wird nicht nur von 194 neuen Kita-Plätzen und vier neuen Großtagespflegestellen verursacht. Sondern auch von der Erhöhung der Pauschalen pro Kind durch das Land, das die örtlichen Jugendämter an diesen Mehrkosten beteiligt. „Wir hatten auf Entlastung gehofft“, sagt Andreas Müller. Dieses Vorgehen des Landes sei „absolut kommunalunfreundlich“. Die Folge ist die Erhöhung des Hebesatzes für die Jugendamtsumlage von 21,34 auf 23,1 Prozent, die alle Kommunen des Kreises außer der Stadt Siegen bezahlen, die ein eigenes Jugendamt hat.

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Steffen Schwab
Von Steffen Schwab

Rettungsdienst: Der Kreis beginnt mit der Umsetzung des Rettungsdienstbedarfsplans. „Wir sind an allen Standorten in Grundstücksverhandlungen“, berichtet Landrat Müller. Die Freudenberger Wache zieht auf die Wilhelmshöhe um, die Netphener Wache nach Deuz, Kreuztal aus Ferndorf in die Stadtmitte. Eine zusätzliche Rettungswache entsteht in Hilchenbach. Erste Maßnahme im nächsten Jahr ist die Sanierung der Wache in Walbach für 1,2 Millionen Euro. Außerdem werden insgesamt 16 neue Krankentransport- und Rettungswagen angeschafft, weitere vier erhalten neue Fahrgestelle.

ÖPNV: 2,5 Millionen Euro pumpt der Kreis zusätzlich in das dem Namen nach noch „eigenwirtschaftliche“ System. Offen ist, ob das Geld als weiterer Ausgleich für die Vergünstigungen des vom Land finanzierten Azubi-Tickets an die Verkehrsunternehmen überwiesen wird oder ob damit ein neues Familienticket subventioniert wird – so wie die Schülertickets, die der Kreis in jedem Jahr für vier Millionen Euro kauft und kostenlos weitergibt.

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