Netphen. Die Erweiterung der Grundschule Dreis-Tiefenbach ist doch keine Kleinigkeit. Auf die Schule kommen beschwerliche Jahre zu.
Damit hatten die Mitglieder des Schulausschusses nicht gerechnet. Aus der Idee, für rund eine Million Euro ein paar Räume an die Dreis-Tiefenbacher Grundschule anzubauen, wird ein stattliches Neubauvorhaben für mindestens 5,5 Millionen Euro. Für die etwa zweijährige Bauzeit wird die komplette Grundschule in Pavillons umziehen müssen - möglicher Standort könnten die Parkplätze an der Dreisbachhalle sein.
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Das ist der Plan
Architekt Stephan Almasi stellt eine Machbarkeitsstudie vor. Insgesamt sechs Varianten seien in seinem Büro diskutiert worden, zwei blieben übrig: Die eine hätte den Abbruch der alten katholischen Volksschule und einen Erweiterungsbau an das Hauptgebäude vorgesehen, das Ende der 1950er Jahre errichtet wurde - Kosten rund 7,2 Millionen Euro. Favorisiert wird die andere Variante: Der 60er-Jahre-Bau wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der mit dem Erweiterungsbau der 1990er Jahre am Rande des Schulgrundstücks und über eine neue Brücke mit dem Gebäudetrakt am Storchennest verbunden wird, der dort in den 1970er Jahren errichtet wurde. Der Altbau, in dem derzeit zwei Klassenräume untergebracht sind, würde dann nicht mehr benötigt. Mit 5,5 Millionen Euro Investitionskosten sei das „wesentlich preisgünstiger“, sagt Almasi, vor allem wegen der geringeren Bewirtschaftungskosten durch den Wegfall eines Gebäudes. Weiterer Vorteil: Der Neubau sei erweiterbar.
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Einer der Dreh- und Angelpunkte der Planung ist die Barrierefreiheit, die auf dem Schulgelände bisher kaum gegeben ist. Nur über den 1990er-Erweiterungsbau kann auch das Hauptgebäude ohne Treppen erreicht werden, selbst das Gebäude am Storchennest trennen noch Stunden vom Bürgersteig. Aufzüge gibt es nirgendwo, der Neubau wird mit einem zentralen Aufzug auskommen. Eine wirkliche Wahl habe die Stadt nicht, macht der Architekt klar: Der bisherige Bau habe zwar „Bestandsschutz“, bei jeder Veränderung aber werde ein Barrierefreiheitskonzept verlangt. Private Bauherren könnten sich davon in Härtefällen entbinden lassen, öffentliche niemals: „Sonst werden Sie keine Baugenehmigung erhalten.“
Stephan Almasi ahnt, was nun passieren wird - schließlich hat er in Siegen gerade die Erweiterung der Jung-Stilling-Schule gestemmt, arbeitet gerade am Umbau der denkmalgeschützten ehemaligen Realschule Am Häusling zur neuen Spandauer Schule und ist auch schon an Überlegungen für die neue Albert-Schweitzer-Schule in Geisweid beteiligt. „Das wird mit Sicherheit viele Gespräche benötigen.“ Zumal die Suche nach einem Standort für den Ersatzbau während der Bauzeit ansteht. An der Dreisbachhalle sei der einzige Platz in der Ortsmitte, der die benötigte Fläche anbiete, vielleicht sogar die Anbindung an die Halle selbst für Mensa und Betreuung ermögliche, regt Almasi an. Am Umzug führe jedenfalls kein Weg vorbei: „Im laufenden Betrieb würde ich keine Schule umbauen.“ Die Container, so eine weitere Empfehlung, könne die Stadt kaufen und dann auch später bei anderen Schulsanierungen verwenden. Oder schon vorhandene Container nutzen. Eine Anlage steht am Gymnasium - die würde 2026 frei, wenn dort der Erweiterungsbau fertig ist. Vor 2025, so wurde im Schuausschuss auch deutlich, ist an einen Baubeginn in Dreis-Tiefenbach sowieso nicht zu denken. Das nächste Jahr wird für Planung, Ausschreibung und Auftragsvergabe gebraucht
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Das sagt die Politik
Manfred Heinz (SPD) erinnert sich daran, dass Stephan Almasi und sein Büro sich mit Vorschlägen an der Planung des Wohnviertels am Dreisbach beteiligt haben - vor fast 20 Jahren, nachdem 2002 die Hauptschule an der Feldwasserstraße geschlossen wurde. Dorthin, so Heinz „aus der Sicht von heute“, hätte damals die Grundschule umziehen müssen. „Der jetzige Standort ist einfach suboptimal.“ „Es blutet einem das Herz, was man alles hätte machen können“, bestätigt Lothar Kämpfer (SPD). Er ist nicht der einzige, der überrascht reagiert: „Das verschlägt einem schon ein bisschen die Sprache.“ Im gerade erst verabschiedeten Schulentwicklungsplan war von gerade einmal einer Million Euro die Rede, die die erforderliche Erweiterung des Betreuungsbereichs für den offenen Ganztag kosten sollte. In der städtischen Finanzplanung stehen 4,5 Millionen Euro - für die Erweiterungen der Grundschulen Netphen und Dreis-Tiefenbach zusammen.
„Wir sind ein bisschen naiv drangegangen“, räumt Ignaz Vitt (UWG) ein, der die Frage nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Handicap wagt: „Brauchen wir überhaupt Barrierefreiheit?“ Alexandra Wunderlich (CDU) fragt nach Alternativen: zum Beispiel den Bau am Storchennest abzureißen und einen Modulbau zu errichten. „Ich glaube nicht, dass wir andere Möglichkeiten haben“, sagt Lothar Kämpfer (SPD), zumal Zeitdruck bestehen: Ab 2026 soll der Rechtsanspruch auf einen Platz im offenen Ganztag gelten - die Grundschule Netphen hat, wie Rektorin Annette Kramps später berichtet, schon jetzt die Segel gestrichen: Eltern von Kindern, die keinen Betreuungsplatz mehr bekommen haben, müssen auf die Warteliste hoffen.
„An Barrierefreiheit hat niemand gedacht“, gibt Klaus-Peter Wilhelm (UWG). Darauf aufmerksam gemacht worden ist sie von den Fachleuten in der Bauverwaltung anscheinend aber auch nicht. Der Ärger über die spärliche schriftliche Vorlage (Manfred Heinz: „Ein Zettel“) war entsprechend groß. Auf die Darstellung des Fünf-Millionen-Projekts verwendete die Verwaltung ganze zehn Zeilen. Noch ärgerlicher wird Lothar Kämpfer (SPD), als später durchsickert, dass den Gremien der Grundschule die Studie schon Anfang November vorgestellt wurde. Da hätte die Zeit für eine Vorinformation ausgereicht: „Damit wären wir heute einen Schritt weiter gewesen.“
So geht es weiter
Auch nach einer Sitzungsunterbrechung gibt es keine Entscheidung. Das Thema wird abgesetzt, die Fraktionen wollen beraten. Möglicherweise kommt es zu Sondersitzungen im Januar. Anders als die Schule hat die Stadt keine Eile: Für Planungskosten ist Geld verfügbar, die Entscheidung über die Gesamtinvestition kann warten - muss sie sogar, weil sich nicht abzeichnet, wann die Stadt nach dem Totalausfall der Südwestfalen IT überhaupt einen Haushalt für 2024 vorlegen kann, vermutlich nicht vor April.
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Das wird dann die Stunde der Grundsatzdebatte, für die Manfred Heinz (SPD) den Ton vorgibt: Allein für die Grundschule Netphen würden noch zwischen fünf und 25 Millionen Euro gebraucht, je nach dem, ob es zu einer Erweiterung in Niedernetphen oder zum Neubau einer zentralen Grundschule kommt. Die Erweiterung des Gymnasiums kostet 13,5 Millionen Euro. Zusammen mit dem Vorhaben in Dreis-Tiefenbach werde sich „die Verschuldung der Stadt verdoppeln“, sagt Manfred Heinz: „Grund- und Gewerbesteuer müssen angehoben werden, um das alles zu bezahlen.“
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