Siegen. Wie denen helfen, die sich weigern? Zwingen kann man sie nicht. Siegen hat immer weniger Plätze für Obdachlose. Unterkünfte in schlechtem Zustand
Die Frage des Umgangs mit wohnungslosen Menschen, die erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenleben mit anderen haben, treibt die Siegener Kommunalpolitik um. Hintergrund sind die geplanten Containeranlagen, die zunächst in der Nähe des Geisweider Freibads errichtet werden sollten und nun neben dem Leimbachstadion entstehen (wir berichteten). An beiden Standorten hatte das für Widerstand und Ärger seitens der Menschen gesorgt, die dort leben; sie fürchten, dass von den sogenannten Systemsprengern ein Sicherheitsrisiko ausgeht.
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Systemsprenger sind Menschen, bei denen die gängigen Unterstützungs- und Beratungsangebote nicht greifen, weil sie sich dem verweigern. Oft spielen Sucht und psychische Erkrankungen eine Rolle, gerade im Zusammenleben mit anderen in Not- und Gemeinschaftsunterkünften zeigt sich das. Die Zahl dieser Menschen ist in Siegen sehr gering, im einstelligen Bereich. Der Stadt sind vier Personen bekannt, die die von der Fachstelle für Wohnungsnotfälle angebotenen Übernachtungsplätze meiden – was nicht heißen muss, dass sie als „Systemsprenger“ gelten, sie schlafen irgendwo draußen. Für mindestens acht Personen bestehe „die Notwendigkeit einer Einzelunterbringung“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zum Sozialausschuss. Insgesamt leben auf Siegener Stadtgebiet demnach 113 Wohnungs- oder Obdachlose.
Siegen: Die Menschen wollen einfach nicht, Rückkehr in „normales“ Leben kaum möglich
Die Zahl dieser Menschen sei stabil, allerdings nehmen den Angaben zufolge die Probleme zu. Es gebe kaum noch Kapazitäten, Personen in Wohnungsnotlagen unterzubringen – vor allem seit das Hotel Acon in Weidenau dafür nicht mehr zur Verfügung steht (wir berichteten). Auch andere (Gemeinschafts-) Notunterkünfte sollten aufgrund ihres Zustands möglichst schnell aufgelöst werden, so die Sozialverwaltung – auch daher werden mehr Plätze fehlen.
Die Wohncontainer sind für beide Seiten, Stadt wie „Systemsprenger“, so etwas wie der letzte Ausweg. Da diese Menschen meist nicht bereit sind, irgendwelche Hilfe anzunehmen, ist eine „Eingliederung“ im Sinne von „Rückkehr in ein geregeltes Leben“ nur sehr schwer möglich – diese Personen wollen schlicht nicht und es gibt auch keine rechtliche Handhabe, sie dazu zu zwingen. Wenn Krankheitseinsicht fehlt oder die Bereitschaft, die Sucht zu behandeln – oder beides –, kann die Stadt kaum etwas tun, außer eben das Problem dahingehend einzugrenzen, dass keine Konflikte mit Mitbewohnern oder Vermietern der Unterkünfte entstehen. Die Stadt mietet für die Unterbringung Wohnungsloser häufig auch Objekte an, wo es dann zu Sachbeschädigung, Vandalismus und Aggressionen kommen kann. Wenn das ein paar Mal vorkommt, werden die Vermieter vorsichtig, wem sie ihre Immobilien zur Verfügung stellen – das verschärft die Knappheit.
Sicherheitsdienst soll Wohncontainer-Anlage am Siegener Leimbachstadion betreuen
Es gibt zwar Hilfepläne für diese Menschen, in enger Abstimmung mit Trägern wie der Diakonie oder der Alternative Lebensräume, aber auch ein „Training sozialer Kompetenzen“, wie von der FDP gefragt, sei kaum erfolgversprechend. Die Stadt wird daher wie in allen anderen Not- und Sammelunterkünften auch einen Sicherheitsdienst in der geplanten Wohnanlage beauftragen, der sich rund um die Uhr darum kümmert, dass die Hausordnung eingehalten wird. Zudem ist die Fachstelle für Wohnungsnotfälle mit nur gut zweieinhalb Stellen kaum für eine Intensivbetreuung ausgelegt, die bei diesen Menschen zwingend erforderlich wäre, um echte Fortschritte in Richtung eines geregelten Lebens zu erzielen – wenn sie denn überhaupt mitwirken würden.
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„Die Leistungen der Stadt Siegen werden nicht refinanziert“, heißt es zudem in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen zum gleichen Thema, die sich insbesondere nach den Beratungsangeboten für diese Personengruppe erkundigt hatten.