Siegen. Bewohner wurden in andere Notquartiere gebracht: Im Hotel Acon in Weidenau wurden noch mehr Betten aufgestellt, die Bauaufsicht Siegen griff ein.

„Hier können wir keinen Menschen mehr unterbringen“, sagt Sozialdezernent Andree Schmidt. Er bestätigt auf Nachfrage, dass das Hotel Acon an der Weidenauer Siegstraße vorerst geschlossen bleibt. Der Grund: Gravierende bauliche und brandschutztechnische Mängel in dem ehemaligen Kaufhaus. Damit fällt diese Übernachtungsmöglichkeit für Wohnungslose im Siegener Stadtgebiet vorerst weg.

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Brandschutz im Hotel Acon in Siegen-Weidenau nicht mehr gewährleistet

Seit sechs Jahren bringt die Fachstelle für Wohnungsnotfälle auch im Hotel Acon Menschen ohne Obdach unter. Immer wieder, so Andree Schmidt, habe es Hinweise und Beanstandungen mit Blick auf den Gesamtzustand des Hauses gegeben; zuletzt gehäuft. Am 24. Mai habe es eine Brandverhütungsschau der Feuerwehr Siegen gegeben. Aufgrund der umfangreichen und zum Teil erheblichen brandschutztechnischen Mängel sei tags darauf von der Bauaufsicht die Nutzung des Hotels Acon via Ordnungsverfügung untersagt worden.

Festgestellt worden sei auch, dass im Erdgeschoss des Hauses mit Umbauarbeiten begonnen worden sei. Das Ziel: „weit mehr als die vormals genehmigten Betten (26 im Obergeschoss) zu belegen.“ Diese Nutzungsänderung im Erdgeschoss des Hotels hätte zur Konsequenz gehabt, das gesamte Gebäude neu zu bewerten, inklusive eines neuen Brandschutzgutachtens. Vorigen Mittwoch sei eine weitere Ortsbesichtigung durchgeführt worden. Dabei wurde klar: Die festgestellten erheblichen brandschutztechnischen Mängel sind mitnichten behoben, die weitere Nutzung ist untersagt.

Männer übernachten jetzt in der Winchenbach-Turnhalle im Siegener Süden

Ende letzter Woche habe die Sozialverwaltung der Stadt die im Hotel untergebrachten „Wohnungsnotfälle“ über die Nutzungsaufhebung und über andere Unterbringungsmöglichkeiten informiert, sagt Dezernent Schmidt. Von jenen Menschen, die sich nicht selbst eine andere Unterkunft hätten organisieren können (etwa bei Freunden, Bekannten), seien zehn Frauen im einstigen Kreiswehrersatzamt an der Tiergartenstraße vorläufig untergekommen. Ein knappes Dutzend Männer wohnt vorübergehend in der Turnhalle des Weiterbildungskollegs in der Winchenbach. Beide Unterkünfte dienen der Stadt bei Bedarf als Ausweichquartiere – für Geflüchtete oder, im Fall der bundeseigenen Liegenschaft „Kreiswehrersatzamt“, in der Corona-Hochphase als Isolationsort für sogenannte „Quarantäne-Brecher“.

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Die Umzüge seien organisiert und eng begleitet worden von der städtischen Fachstelle für Wohnungsnotfälle, so Schmidt weiter. Diese stehe den betroffenen Personen auch weiterhin als Ansprechpartnerin zur Verfügung. In der Winchenbach habe die Stadt zudem einen Sicherheitsdienst engagiert, der rund um die Uhr vor Ort sei – auch als Kontaktstelle für die untergebrachten Menschen, die aufgrund ihrer Lebensgeschichten häufig kaum mehr sozialfähig seien, so Schmidt. Im Blick auf Wohnungsnotfälle könne die Stadt auf ganz unterschiedliche Unterkünfte zurückgreifen: von Mehr-Parteien-Wohnhäusern in der Alten Dreisbach im Siegener Süden oder der Stahlwerkstraße in Geisweid über Wohngemeinschaften oder Formen des betreuten Wohnens bis hin zu angemieteten Zimmern in Beherbergungsbetrieben. Das Hotel Acon, das verhehlt der Dezernent nicht, rangierte in dieser Liste ganz unten.

Hotel Acon war 2016 gedacht als Ersatz für das „Patchwork“ der Diakonie in Siegen

Dem Haus war im Mai 2016 eine „Baugenehmigung zur Nutzungsänderung in einen Beherbergungsbetrieb (26 Betten) im 1. Obergeschoss des Gebäudes für einen privaten Betreiber“ erteilt worden. Ende Juni desselben Jahres lief der Vertrag mit der Diakonie zum Übernachtungsbetrieb am Sieghütter Hauptweg aus. Der Betreiber des Hotels Acon selbst, der auch in Düsseldorf ein Hotel führt, wollte sich aktuell nicht zur Sachlage äußern. All das sei „noch zu frisch“.

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Soziale Dienste in Siegen: „Größte Sorge“ um Sicherheit der Bewohner

Trotz der katastrophalen Zustände in diesem Hotel sei die Räumung für einige der Bewohnerinnen und Bewohner „ein herber Schlag“ gewesen, sagt Judith Kupferoth, Koordinatorin der Beratungsstelle für Wohnungslose der Diakonie Soziale Dienste GmbH. Für manche sei das Acon zum Zuhause geworden, und nun hätten sie das Gefühl, auch das werde ihnen noch genommen. Gleichwohl sei es gut, dass das Hotel an der Siegstraße endlich geschlossen worden sei. „Wir hatten größte Sorge um die Sicherheit der Bewohner.“ Nun sei zu hoffen, dass die Übergangslösung mit den Notunterkünften nicht von langer Dauer sei, so die Sozialpädagogin.

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Den Sozialen Diensten der Diakonie in Südwestfalen gGmbH lagen und liegen die Menschen am Rande der Gesellschaft seit jeher besonders am Herzen, heißt es weiter in einer Stellungnahme. „In der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe in Siegen sind wir seit Jahrzehnten ein guter und zuverlässiger Partner.“ Von 1992 bis 2016 betrieb die Diakonie im Sieghütter Hauptweg ein Übernachtungshaus mit bis zu 15 Betten und täglichen Öffnungszeiten von 17 bis 8.30 Uhr. Das Konzept habe stets vorgesehen, die Gäste nachts nicht alleine, sondern von einem ausgebildeten Sozialarbeiter begleiten zu lassen. Dazu habe es eine Vereinbarung mit der Stadt Siegen gegeben. „Die Stadt Siegen, in deren Zuständigkeit die Unterbringung von Obdachlosen liegt, hatte sich nach 24 Jahren letztlich entschieden, einen anderen Weg zu gehen – was wir zwar bedauert, aber natürlich respektiert haben.“

Diakonie bietet Siegen Gespräche über Unterbringung Wohnungsloser an

„Sollte die Stadt Siegen mit uns sprechen wollen, sind wir dazu selbstverständlich jederzeit bereit“, sagt Dr. Michael Bräuer, Geschäftsführer Diakonie Soziale Dienste, „es geschah damals einvernehmlich, und es wurden keine Türen zugeschlagen.“ Maßgeblich für etwas Neues sei dabei neben einer verlässlichen Finanzierung auch das zugrundeliegende Konzept.

„Das Selbstverständnis der Sozialen Dienste der Diakonie in Südwestfalen ist, Menschen in schwierigen Lebensphasen beizustehen. Das machen wir zum Beispiel beim Café Patchwork, dem Tagesaufenthalt für Wohnungslose, mit stattlichen Eigenmitteln und Personaleinsatz“, sagt. Dr. Michael Bräuer. „Ferner betreiben wir mehrere Einheiten für das „Geschützte Wohnen“ und bieten Menschen ein breites Angebot an Beratungsdiensten an.“

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Die Unterbringung von obdachlosen Menschen regelt in NRW das Ordnungsbehördengesetz. Es zielt auf die „Unterbringung in einer menschenwürdigen Unterkunft (…), die Schutz vor den Unbilden der Witterung bietet sowie Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt“. Für die Unterbringung sind die Kommunen zuständig, die Kosten übernimmt , wenn die Selbstzahlung nicht möglich ist, in der Regel das jeweilige Jobcenter.