Siegen. 23 junge Menschen aus Vietnam starten an der Internationalen Pflegeschule in Siegen die Ausbildung. Wie klappt es, dass sie im Anschluss bleiben?
Der erste Eindruck hat überzeugt. Nach seiner Pflegeausbildung möchte er in Siegen bleiben, betont Troy Cao. Der 34-Jährige ist einer der 23 jungen Menschen aus Vietnam, die Anfang des Monats für die Internationale Pflegeschule in die Stadt gekommen sind und hier die Ausbildung absolvieren wollen. „Siegen ist für mich das Richtige“, sagt Troy Cao.
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Einschätzungen wie diese sind sehr im Sinne des Projekts. Damit sie sich im Laufe der kommenden vier Jahre noch verfestigen, soll einiges getan werden. Die Internationale Pflegeschule ist eine Antwort des Kreises auf den Pflegenotstand in Deutschland, Partner sind das Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe (Bigs) am Wellersberg, dessen Trägerkliniken (DRK-Kinderklinik, St. Marien-Krankenhaus, Klinikum Siegen) und seine Kooperationspartner. Außerdem ist das Kommunale Integrationszentrum des Kreises eng eingebunden.
Pflegenotstand Siegen: Junge Vietnamesen nutzen Berufschancen in Deutschland
Aktuell würden nach Angaben der Bundesregierung in Deutschland 110.000 Pflegekräfte fehlen, sagt Landrat Andreas Müller beim Pressetermin zum Projektbeginn. Bis 2030 würden es 300.000 sein. Zwar sei die Lage in der heimischen Region weniger heikel als in manchen anderen Gegenden, doch Probleme werde es auch hier geben. 2022 hätten zum ersten Mal nicht alle lokalen Ausbildungsstellen in den Pflegeberufen besetzt werden können. „Das war der richtige Zeitpunkt, um ,das Bewerberpotenzial zu erhöhen’, wie es in der Fachsprache heißt“, erklärt der Landrat.
Ein Baustein
Mit der Internationalen Pflegeschule, die der Kreis finanziell fördert, ließen sich natürlich nicht sämtliche Pflegenotstandsprobleme in Deutschland lösen, merkt Landrat Andreas Müller an. Aber immerhin sei es ein Baustein. „Irgendwann muss man ja starten.“
„Wenn das super klappt, werden wir es in jährlichen Turnus fortführen“, sagt der Landrat über das Projekt. Dabei könnten dann auch noch andere Länder in den Blickpunkt rücken.
In Nordrhein-Westfalen sei das Projekt seines Wissens nach einzigartig, so Andreas Müller. Es stecke viel Arbeit darin, weil es auch um ausländerrechtliche Fragen oder Visa-Schwierigkeiten gehe, außerdem sei die Logistik aufwendig. „Uns erreichen aber schon Anfragen aus anderen Regionen: ,Wie habt ihr das geschafft?’.“
Konkret bedeutet das in diesem Fall: Den Blick ins Ausland richten. Da alle Regionen in Deutschland dieselben Schwierigkeiten im Fachkräftebereich allgemein und in der Pflege im Besonderen hätten, sei Akquise auf nationale Ebene nur bedingt aussichtsreich. In Ländern wie Vietnam hingegen sehen demografischer Status Quo und Arbeitsmarkt völlig anders aus. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung seien dort jünger als 40 Jahre, sagt Quang Nuygen vom Devi-Spracheninstitut. Die vietnamesische Einrichtung ist Kooperationspartner der internationalen Kolping Pflegeschule in Kempten, die wiederum ist Partner des Bigs – so kam der Kontakt zustande. Die Pflegeausbildung koste Azubis in Vietnam Geld, Chancen auf einen Job und Verdienstmöglichkeiten seien überschaubar, erläutert Quang Nuygen. Darum würden die jungen Menschen ihre Heimat verlassen und tausende Kilometer entfernt ihre Zelte aufschlagen.
Internationale Pflegeschule Siegen: Von diesen Faktoren hängt der Erfolg (auch) ab
Damit Bewerberinnen und Bewerber aus Ländern mit moderat aussichtsreichen Arbeitsmärkten und deutsche Krankenhäuser mit Nachwuchssorgen aber nicht nur zueinander finden, sondern auch beieinander bleiben, braucht es mehr als ökonomische Argumente. „Wenn es darum geht, Fachkräfte im Ausland anzuwerben – da haben wir über Jahre reichlich Erfahrungen im Misserfolg“, merkt Andreas Müller kritisch an – wobei sich das nicht nur auf den Kreis bezieht, sondern auch darüber hinaus gelten dürfte. Fertige Fachkräfte im Ausland abzuwerben und zu erwarten, dass sie im deutschen Arbeitsleben und Alltag von selbst funktionieren und sich wohlfühlen ist nämlich umso blauäugiger, je größer die kulturellen Unterschiede sind.
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Die Internationale Pflegeschule hat deshalb einen anderen Ansatz. Die jungen Leute durchlaufen nicht nur die – ganz normale – dreijährige Ausbildung, sondern vorab ein Jahr Ausbildung zur Pflegeassistenz. Während dieser zwölf Monate sollen sie ihre Sprachkenntnisse verbessern. Voraussetzung für die Aufnahme ins Programm sind zwar Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1, Ziel ist aber mindestens Niveau B2. Dies soll nicht nur durch das erste Jahr Vorab-Ausbildung erreicht werden, sondern auch durch einen wöchentlichen kompletten Schultag mit Deutschunterricht am Berufskolleg Allgemeingewerbe, Hauswirtschaft und Sozialpädagogik des Kreises. Darüber hinaus stehen Tools für das eigenständige Lernen bereit.
Siegen: Internationale Pflegeschule unterstützt junge Vietnamesen bei der Integration
Es gehe um „gesteuerte Zuwanderung“, sagt Andreas Müller, „aber die muss gut gemacht sein“. Die jungen Vietnamesinnen und Vietnamesen – 21 Frauen, zwei Männer – werden deshalb auch bei der Integration unterstützt. Sie sollen in die Gesellschaft so sehr eingebunden und willkommen geheißen werden, dass sie dauerhaft in Deutschland leben möchten. „Sie fühlen sich bisher sehr wohl“, schildert Quang Nuygen seinen Eindruck. „Das ist ein sehr wichtiger Baustein, um zu bleiben.“ Denn auch, wenn die jungen Menschen dank digitaler Technik täglichen Kontakt zu Freunden und Familien in ihrer Heimat halten könnten: Einfach sei so ein großer Schritt nicht.
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„Ich möchte ein guter Krankenpfleger werden“, begründet Troy Cao, wieso er sich für die Teilnahme entschieden hat. Er habe sich im Internet informiert und so erfahren, dass die Ausbildung in Deutschland renommiert und sehr professionell sei. Seine Kollegin Helina Dam, 25, merkt an, dass sie zudem von der Landschaft positiv überrascht gewesen sei. Die beiden kommen aus sehr großstädtischen Verhältnissen, Siegen ist da ein reizvoller Gegenentwurf. Troy Cao: „Frische Luft, viele Bäume – ich liebe die Natur.“
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