Kreuztal. Die Ortsumgehungen „57-verbinden“ sind Thema auf dem Kreuztaler Wochenmarkt. Dort stellt Straßen NRW erstmals Varianten für das Ferndorftal vor.
„Und wie weit sind Sie jetzt mit der Südumgehung?“ Immerhin ist es nun schon fast neun Jahre her, dass Helmut Six die Initiative „Weniger Lärm B 508 und B 62“ mitgegründet hat. „Ein Trauerspiel, dass es so lange dauert.“ Der Stand des Landesbetriebs Straßen NRW auf dem Kreuztaler Wochenmarkt kann, was die Besucherfrequenz angeht, durchaus mit den Obst-, Gemüse-, Fleisch-, Wurst- und Blumenständen mithalten, wegen denen man eigentlich am Donnerstagmorgen, 27. Oktober, in die Kreuztaler Innenstadt kommt.
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Kevin Lass, der Projektleiter für „57-verbinden“, wie die Ortsumgehungskette von Kreuztal nach Schameder inzwischen heißt, könnte sich die Antwort sparen – das Vorhaben ist einfach zu umstritten. Auch die Gegner zeigen Präsenz, die Initiative Unglinghausen sogar mit einem eigenen Stand direkt gegenüber. „Sie kriegen doch hier schon Ihre Umgehung", sagt Manfred Heinz, der Chef der Netphener SPD-Ratsfraktion, zu Helmut Six – da brauche es die folgenden Straßenabschnitte bis nach Erndtebrück nicht mehr. „Ich wohne aber in Dahlbruch", kontert Helmut Six.
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Das ist der Stand der Dinge
Kevin Lass und sein Team haben Karten und Grafiken mitgebracht.
Südumgehung Kreuztal – der erste Abschnitt von 57-verbinden, der hinter Buschhütten von der HTS abzweigt, durchs Mattenbachtal und über den Kilgeshahn hinüber ins Ferndorftal führt und dort an die B 508 anbindet. Den Planfeststellungsbeschluss hat das Oberverwaltungsgericht kassiert, Straßen NRW muss nacharbeiten und andere Ausgleichsflächen suchen, damit die den Reit- und Fahrverein Kindelsberg nicht auch noch belasten. „Zeitnah“, kündigt Kevin Lass an, werde die Planänderung eingebracht, gemeint ist Anfang 2023. „An der Trassenführung wird nichts mehr geändert“, betont er. Zur Offenlegung können die Betroffenen Stellung nahmen, dann wird der geänderte Planfeststellungsbeschluss erlassen. Und dann könnte gebaut werden, wenn niemand klagt. Der Reit- und Fahrverein hat allerdings bereits angekündigt, dass er genau das ein weiteres Mal tun wird.
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Ortsumgehung Kreuztal-Ferndorf – der zweite Abschnitt, mit einem etwas irreführenden Namen. Es geht um eine Straßenverbindung, die an die Südumgehung Kreuztal anschließt und nach sechs Kilometern in Allenbach ankommt. 2023 erwartet der Landesbetrieb das Ergebnis einer Verkehrsuntersuchung, dann wird aus den verschiedenen Varianten eine für die Linienbestimmung ausgewählt. Umweltverträglichkeit spielt da neben Verkehrsnutzen und Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. Deshalb hängt auch die seit einem Jahr fertige„Raumwiderstandskarte" aus, auf der die Flächen markiert sind, die keinesfalls von der Straße berührt werden sollten, und die, wo ein Straßenbau möglich ist.
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Erstmals öffentlich gezeigt wird der mögliche Verlauf für drei Varianten. Die Varianten „Süden“ und „Höhenlage“ zweigen beide schon westlich des Kilgeshahn von der Südumgehung ab, kreuzen die L 729 auf der Höhe zwischen Unglinghausen und Kredenbach und münden auf der Oberbach bei Allenbach in die L 728. Die Variante „Ortsnah“ wurde auf Wunsch der letzten SPD/Grünen-Landesregierung untersucht: Sie zweigt beim bereits aufgeschütteten Damm vor dem Industriegebiet Johannespfad in Kredenbach von der Südumgehung ab und läuft südlich der Bahnstrecke durchs Tal bis zur L 728. Drei Tunnelbauten halten die Planer auf dieser Linie für notwendig, zwei in Kredenbach und einen in Dahlbruch – was diese Trassenführung wohl zur teuersten machen wird.
Auf die Linienbestimmung folgt die Entwurfsplanung, bevor dann das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wird, von heute an in vier Jahren, schätzt Kevin Lass. „In der Theorie“, so der Projektleiter weiter, wird die Planfeststellung innerhalb eines Jahres hinzubekommen sein. Für die Südumgehung Kreuztal hat das elf Jahre gedauert.
Ortsumgehung Hilchenbach: Ob sie oben auf der Oberbach oder unten im Insbachtal ansetzt, hängt von der Entscheidung über den Abschnitt davor ab. Im ersten Quartal 2023 wird die Raumwiderstandskarte erwartet, Fortsetzung siehe oben.
Lützel-Altenteich: Am Ortsausgang von Lützel geht es weiter. Der Abschnitt von der Kronprinzeneiche bis Lützel ist auf der jetzigen Trasse der B 62 ausgebaut worden, für eine Ortsumgehung Lützel gibt es keinen Platz – der Ort liegt zwischen geschützten Flora-Fauna-Habitat-Gebieten. Für den dreispurigen Ausbau der B 62 und die Brücke über die Bahn, die den Bahnübergang Altenteich ersetzt, muss nun der Bund grünes Licht geben. Danach kann die Planfeststellung eingeleitet werden.
Das sagen die Bürgerinnen und Bürger
„In Wittgenstein warten die Unternehmen auf die Straße“, sagt Helmut Six – und im Siegerland auch, wobei man dort nicht mehr auf allzu geduldigen Lokalpatriotismus zählen dürfe: „Bei allen wichtigen Unternehmen sind die Entscheider nicht mehr im Siegerland.“ Den Dahlbrucher wundert der Widerspruch der Naturschützer. Die hätten sich doch auch nicht gemeldet, als jetzt an der alten B 508 im Ferndorftal die Bäume gefällt wurden, um Platz für einen Radweg zu gewinnen. Friedrich Hofmann wohnt in der Moltkestraße in Kreuztal, die – so berichtet er – trotz „Anlieger frei“ vom Durchgangsverkehr befahren wird, der die große Kreuzung vermeiden will: „Das ist jetzt unsere nördliche Südumgehung."
„Wenn das wenigstens wirkliche Ortsumgehungen wären“, sagt Manfred Heinz. Der Netphener SPD-Fraktionschef spricht von einer „Täuschung“. Elke Bruch, Ortsbürgermeisterin von Unglinghausen, verweist auf die letzte veröffentlichte Verkehrszählung von 2015. In Lützel wurden auf der B 62 nur rund 5700 Fahrzeuge in 24 Stunden gezählt, die sich im weiteren Verlauf auf die B 508 nach Hilchenbach und die B 62 nach Netphen verteilen. „Das ist keine große Zahl“, stellt Manfred Heinz fest. Elke Bruch verweist auf die wachsende Bedeutung von Homeoffice und Klimaschutz. „Es gibt ein Umdenken, sagt die SPD-Politikerin, die sich in das vom Landesbetrieb eingerichtete „Dialogforum“ hat hineinlosen lassen. Als Gegnerin des Straßenbaus, räumt sie ein, „bin ich da eigentlich gar nicht richtig“. „Ist die Route überhaupt noch wichtig?“, fragt die Ruckersfelderin Christiane Afholderbach-Stötzel, „das ist doch ein Naherholungsgebiet.“
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Dieter Gebauer, Grünen-Politiker aus Kreuztal, erinnert an nicht weiter verfolgte Pläne zum Ausbau der B 62 zwischen Siegen und Wittgenstein: „Die hätten die bessere Anbindung schon seit 30 Jahren haben können.“ Stattdessen habe die politische Mehrheit Ideen für eine „Bundesfernstraße“ verfolgt, die jetzt zu „57-verbinden“ geschrumpft ist. „Eigentlich war die Straße politisch schon tot“, erinnert Manfred Heinz an die Entstehungsgeschichte des aktuellen Bundesverkehrswegeplans. Dafür wiederum kann Straßen-NRW-Mann Kevin Lass nichts: In Dreis-Tiefenbach wird geplant, was der Bund bestellt.
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