Hilchenbach/Arnsberg. Mit Flagge an Dammstraße 5 wollen unwillkommene Rechtsextreme einschüchtern und provozieren, meint die Stadt. Meint auch das Verwaltungsgericht.

Der „3. Weg“ darf an dem von ihm noch genutzten Haus Dammstraße 5 die so genannte schwaz-weiß-rote Reichsflagge vorerst nicht mehr aufhängen. Dies hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg entschieden. Das Gericht bestätigt damit eine Ordnungsverfügung der Stadt Hilchenbach.

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Stadt Hilchenbach: Gefahr für öffentliche Sicherheit

Im Erdgeschoss des Gebäudes unterhält die Partei ein Parteibüro, das Obergeschoss wird von dem Vorsitzenden des „Gebietsverbandes West“ der Partei zu Wohnzwecken genutzt. Auf dem zur Straßenseite gelegenen Balkon der Wohnung werden seit Monaten mehrere Flaggen präsentiert, unter denen auch die so genannte Reichsflagge. Die Stadt Hilchenbach hatte den Wohnungsnutzer mit Verfügung vom 7. Februar aufgefordert, die Reichsflagge bis spätestens 10. Februar abzuhängen. Hiergegen wurde Klage erhoben. Den ebenfalls angebrachten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Gericht abgelehnt.

Ordnungsbehörden können die notwendigen Maßnahmen treffen, „um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“, führt das Verwaltungsgericht in einer Pressemitteilung aus. „Der Begriff der öffentlichen Ordnung verweist auf ungeschriebene Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens angesehen wird.“ In dem Anbringen und Zurschaustellen der so genannten Reichsflagge an dem Gebäude Dammstraße 5 in Hilchenbach könne – so das Gericht – eine Gefahr für die öffentliche Ordnung liegen, weil diesem Vorgang „eine spezifische Einschüchterungs- und Provokationswirkung“ zukommen könne.

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Aufruf zu Missachtung, Bedrohung und Gewalt

Es spreche vieles dafür, dass die Stadt Hilchenbach zu Recht davon ausgehe, dass das Zeigen der Reichsflagge als Aufruf zu verstehen sei, vor allem die im Stadtgebiet lebenden Ausländerinnen und Ausländer einem Klima der Missachtung, Bedrohung und potenzieller Gewaltanwendung auszusetzen, heißt es in der Mitteilung des Gerichts weiter. Maßgeblich hierfür seien neben dem rechtsextremistischen Programm der Partei die in den Schaufenstern und an den Außenwänden des Gebäudes ausgestellten Plakate, Banner und Aushänge, die sowohl „latent einen Hinweis auf das rechtsextremistische Staats- und Gesellschaftsbild sowie das völkisch-nationalistische Gedankengut der Partei“ als auch teilweise „ausdrücklich diskriminierende Parolen“ enthielten.

Auch die umfangreiche und in Hilchenbach weithin bekannte Vorgeschichte nach Etablierung eines so genannten „Bürgerbüros“ in dem Gebäude seit März 2022 sei maßgeblich. Die Partei „Der 3. Weg“ habe seither unter anderem mit mehreren Veranstaltungen auf sich aufmerksam gemacht, in deren Rahmen ausländerfeindliche und anderweitig einschüchternde Äußerungen und Aktionen zu verzeichnen gewesen seien.

In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren könne jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob die Stadt Hilchenbach das Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe und ob die Aufforderung zum Abhängen der Flagge verhältnismäßig sei, insbesondere, inwieweit die durch die Verfügung geschützten Rechtsgüter einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Antragstellers rechtfertigten.

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Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht

In einer Entfernung der Flagge und dem Verbot ihres erneuten Aufhängens bis zum Abschluss des Klageverfahrens liege zwar eine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit. Der Antragsteller habe jedoch nichts dafür vorgetragen, „weshalb gerade das Zeigen der Reichsflagge zusätzlich zu den sonstigen an dem Gebäude zur Schau gestellten Fahnen, Bannern und Plakaten eine besondere Bedeutung und Dringlichkeit habe“. Der Antragsteller hat bereits Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Über die Beschwerde entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.

Im letzten Jahr haben sich Stadt Hilchenbach, Kreis Siegen-Wittgenstein und die Partei „Der 3. Weg“ mehrfach vor Gericht getroffen. Die Weiterverbreitung einer Petition gegen die Eröffnung des Parteibüros hatte schließlich das Oberverwaltungsgericht untersagt, das Verwaltungsgericht hatte das anders gesehen. Ebenso war es beim von der Stadt ausgesprochenen Verbot von Werbeanlagen und bei dem Vorkaufsrecht für die Immobilie, das die Stadt für sich in Anspruch nehmen wollte.

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Auseinandersetzung um Grundbucheintrag

Zuletzt war es der Stadt allerdings im Oktober 2022 gelungen, das Gebäude regulär von seinem Vorbesitzer zu erwerben – der zuvor abgeschlossene Kaufvertrag mit dem 3. Weg war nicht wirksam geworden. Gegen den Eintrag des Eigentümerwechsels ins Grundbuch führt der Nutzer des Gebäudes, Vorsitzender des „Gebietsverbandes West“ der Partei, Beschwerde. Dazu steht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm aus. Diese will die Stadt Hilchenbach abwarten, bevor sie den Auszug des „3. Wegs“ aus ihrem Haus aktiv betreibt. Die Stadt möchte in dem Gebäude Geflüchtete wohnen lassen und für sie einen Begegnungstreffpunkt einrichten.

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