Hilchenbach. Wofür Menschen sich in Hilchenbach engagieren, erfährt der Sozialausschuss über mehrere Stunden. Nicht allen passt die Richtung.
„Schön zu sehen, wie ein Rad ins andere greift.“ Sozialausschussvorsitzender Dr. Tim Bernshausen (SPD) freut sich über die Vielfalt an Projekten und Initiativen, die Bürgerinnen und Bürger im kleinen Hilchenbach auf die Beine stellen. Fast vier Stunden sitzen die Ausschussmitglieder zusammen, um sich auf den Stand der Dinge bringen zu lassen.
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Projekte
Elterncafé: Seit einem Jahr gibt es den wöchentlichen Treff in den Klimawelten, den das städtische Kinder- Jugend- und Familienbüro initiiert hat. Jeden Mittwochnachmittag treffen sich dort vor allem Mütter mit ihren Kindern bis zum Grundschulalter, um sich auszutauschen und auch beraten zu lassen. Silvana Döhr ist selbstständige Familienberaterin, Stefanie Quinke angehende Heilpraktikerin. Etwa zehn Mütter gehören zum regelmäßigen Besucherinnenkreis. „Familien in Krisensituationen erreichen wir weniger“, sagt Silvana Döhr, auch die Geflüchteten, für die das Café ausdrücklich geöffnet ist, kommen eher nicht – da wünschen sich die Leiterinnen schon mehr Sichtbarkeit für das Elterncafé. Vielleicht, so Renate Becker (UWG), liegt es am Termin: „Welche Berufstätigen haben schon Zeit, nachmittags in ein Elterncafé zu gehen?“ Silvana Döhr berichtet von der Idee, ein abendliches Angebot für Väter hinzuzufügen.
Hilchenbacher Bündnis für Toleranz und Zivilcourage: Seit Februar ist das Bündnis wieder aktiv, aus gegebenem Anlass. „Wir versuchen, Zeichen zu setzen gegen den braunen Geist der jenen Nazis“, sagt Olaf Bruch – jener Nazis, die sich als „3. Weg“ in der Dammstraße 5 niedergelassen haben. Olaf Bruch berichtet über die Großdemonstration am 3. September, die Mahnwache zum Jahrestag der Pogromnacht am 9. November und äußert sich zu den Prozessen zwischen Behörden und Partei, besonders dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das den Bürgermeister zur Neutralität mahnt. Er finde es „etwas beschämend“, dass dem „Maulkorb“ für den Bürgermeister „kein Aufschrei der Entrüstung“ aus Politik und Parteien in HIlchenbach gefolgt sei: „Sie sind gefordert, klare Kante zu zeigen.“
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Arbeitsgemeinschaft der Jugendgruppen der Vereine: Stefan Jäger ist schnell fertig. Seit Beginn der Pandemie habe die Stadt nicht mehr eingeladen, berichtet der Sprecher, der auch Stadtjugendfeuerwehrwart ist. Der Feuerwehrnachwuchs – 22 Mädchen und 78 Jungen in acht Gruppen – sei mittlerweile wieder an Bord. „Inzwischen sind alle neu eingekleidet worden. Nur einer ist während der Pandemie nicht größer geworden.“
Jugendforum: Die Vertretung der nicht in Vereinen organisierten Jugendlichen arbeitet in einem der Gremien zur Konzeption des Kulturellen Marktplatzes mit. „Wir gucken, dass die Jugendlichen nicht vergessen werden", sagt Mandana Krämer Auch das Jugendforum hat sich für „Bunt statt Braun“ engagiert und am Bahnhof eine „Wall Against Racism“ gestaltet, die allerdings von unbekannten Tätern beschädigt wurde. Einsatz gegen Diskriminierung und Homophobie stehen auf der Agenda „ganz weit oben“ – und die Vorfreude auf die Rückkehr ins neue Jugendcafé im Haus der Alltagskultur des Kulturellen Marktplatzes.
Kinder-, Jugend- und Familienbüro: „Die Akademie der Zauberkünste“ – so das Motto des Bauspielplatzes in diesem Jahr – gibt es nun als Film bei Youtube. 120 Kinder waren diesmal dabei, „eine Rekordzahl – nächstes Jahr schaffen wir das nicht mehr.“ Dann werden nur 100 Anmeldungen angenommen. Medienarbeit bleibe ein wichtiges Thema, sagt Heike Kühn. Mit „YouBeYou“ hat Hilchenbach einen queeren Jugendtreff bekommen, „der erste außerhalb von Siegen“. Möglich wurde dieses Projekt – wie drei weitere auch – durch die Zusammenarbeit mit dem Push-Verein, der als Träger auftritt und Fördermittel einwerben kann. Der Treff ist nur bis Jahresende finanziert. „Wir werden alles tun, dass wir weitermachen können.“
Bürgerschaftliches Engagement und Senioren-Service-Stelle: Gudrun Roth ist kreisweit die einzige Beauftragte, die beide Aufgaben in einer Stelle bündelt. „Diese Vernetzung ist hilfreich, auch Ältere engagieren sich vermehrt.“ So gibt es im Ehrenamt Heinzelwerk, Brückenbauer und Taschengeldbörse, für Senioren Kino, das Lerncafé Digital, Fahrsicherheitstraining und Gedächtnisfit-Kurse. Neu auf die Bühne kommen Ältere, die sich einmischen wollen: „Initiative Zukunft Alter“. Und – das organisiert Gudrun Roth als Behindertenbeauftragte – die Fotoausstellung „Kein Platz für Ausgrenzung“: Die Bank mit der für einen Rollstuhl ausgesparten Sitzfläche ist durch die Stadt gezogen, die Statements der darauf Abgelichteten sind dokumentiert. Gudrun Roth sieht Handlungsbedarf: Der Anteil der Hochbetagten an der Bevölkerung steigt, die Einwohnerzahl geht weiter drastisch zurück. Gebraucht würden haushaltsnahe Dienstleistungen, ambulante Pflegedienste und „dringend“ bezahlbare barrierefreie Wohnungen in zentraler Lage.
Kritik
Die CDU-Fraktion setzt den Ausschuss und seinen Vorsitzenden selbst auf die Tagesordnung. Das Gremium tage zu selten, Wünsche nach zusätzlichen Sitzungen blieben ungehört. „Ich fühle mich nicht wahrgenommen", sagt Tomas Irle (CDU). Deutlich wird, dass die ganze Richtung nicht passt: Es fehle Raum für die Arbeit der Vereine. Dominik Weist (SPD) wird noch deutlicher: In dem Ausschuss, der für Jugend, Sport, Soziales und Gleichstellung zuständig ist, spiele der Sport so gut wie keine Rolle, an der Arbeit der Vereine gebe es „null Interesse“. Der Red-Sox-Vorsitzende erweitert seine Kritik auf die Verwaltung: „Wenn ich fünf Monate auf einen Fünfzeiler warten muss, habe ich keinen Bock mehr“ – Weist legt seinen Ausschusssitz zum Jahresende nieder.
Sven Wengenroth (Linke) nennt den CDU-Vorstoß „schofelig“ und spricht von „Bashing“: Den Fraktionen stehe es frei, die Einberufung von Sitzungen zu und Tagesordnungspunkte zu beantragen. Er habe „nicht den Eindruck, dass die Vereine zu kurz kommen“, verweist Ausschussvorsitzender Dr. Tim Bernshausen (SPD) auf die gute Vernetzung der Vorstände mit der Kommunalpolitik – und stellt klar, dass er den Horizont der Hilchenbacher Sozialpolitik auch in Zukunft zu erweitern gedenkt. So wird der Ausschuss, in dem sich an diesem Tag auch die Ärztliche Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen vorstellt, demnächst außer der neuen Kita Hannes und dem neuen Jugendcafé auch die Siegener LSBTIQ-Beratungsstelle kennen lernen. „Feminismus und Gendern habe ich auch ich noch auf der Agenda.“
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