Siegen. Mit kürzeren Öffnungszeiten wollen auch in Siegen manche Einzelhändler die gestiegenen Kosten abfangen. Doch das kann die Kundschaft vergrätzen.

Um die deutlich gestiegenen Energiekosten abzufangen, verkürzen einige Einzelhändler die Öffnungszeiten. Manche öffnen täglich später oder schließen früher, andere führen Ruhetage ein. Was individuell die richtige Entscheidung sein kann, kann für Einzelhandelsstandorte insgesamt problematisch werden.

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„Wir sehen das mit Sorge“, sagt Thomas Runge, Leiter der Wirtschaftsförderung der Stadt Siegen, über nicht übereinstimmende Öffnungszeiten. „Ein Flickenteppich ist nicht kundenfreundlich und nicht kundenbindend“. Wenn Geschäfte zu unterschiedlichen Zeiten erreichbar sind, verkompliziert das die Planung des Einkaufs. „Unser Ziel ist Einheitlichkeit“, betont Thomas Runge – damit Kundinnen und Kunden eine verlässliche Orientierung haben.

Dass die Siegenerinnen und Siegener den stationären Einzelhandel zu schätzen wissen, zeigte sich unter anderem bei einer Neueröffnung in der City-Galerie im vergangenen Mai.
Dass die Siegenerinnen und Siegener den stationären Einzelhandel zu schätzen wissen, zeigte sich unter anderem bei einer Neueröffnung in der City-Galerie im vergangenen Mai. © WP | Hendrik Schulz (Archiv)

Siegen: Hohe Energiekosten setzen Einzelhändler unter Druck

Die Gründe dafür, dass manche Einzelhändlerinnen und Einzelhändler den Ladenschluss nach vorne verlegen, „liegen auf der Hand“, sagt der Experte. „Das sind unternehmerische Entscheidungen.“ Die gestiegenen Energiepreise schlagen gleich auf zwei Ebenen zu Buche: Zum einen müssen Geschäftsleute höhere Kosten decken, zum anderen ändern viele Menschen ihr Konsumverhalten, um mit ihrem Budget zurechtzukommen.

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Die Einflussmöglichkeiten einer Kommune seien an dieser Stelle sehr begrenzt, sagt Thomas Runge. Die Stadt kann keine Zeiten vorschreiben, und „reduzierte Öffnungszeiten sind uns lieber als Schließungen“. Eine Stellschraube, um Publikum und damit Laufkundschaft in die Zentren zu ziehen, sei, „die Attraktivität zu steigern“. Mit dem „Zentrenmanagement“ habe die Stadt damit bereits im vergangenen Jahr begonnen, 2023 soll dies mit öffentlichen Aktionen fortgeführt werden. Allerdings sei das in den Wintermonaten schwierig, weil viele dieser Events im Freien stattfinden. Die Potenziale liegen also vor allem im Frühjahr, Sommer und Herbst. Dies korrespondiert mit der langfristigen Strategie der Stadt Siegen, den öffentlichen Raum aufzuwerten und die Aufenthaltsqualität auszubauen – Stichworte „Neue Ufer“ oder „Bürgerpark Herrengarten“.

Während der Lockdowns war Siegens Innenstadt wie leergefegt, fast alle Geschäfte waren geschlossen. Der Einzelhandel litt sehr unter den Einschnitten – und steht wegen der Energiekrise nun vor der nächsten heftigen Herausforderung.
Während der Lockdowns war Siegens Innenstadt wie leergefegt, fast alle Geschäfte waren geschlossen. Der Einzelhandel litt sehr unter den Einschnitten – und steht wegen der Energiekrise nun vor der nächsten heftigen Herausforderung. © WP | Florian Adam (Archiv)

Einzelhandel in Siegen: Energiekrise trifft die kleineren Geschäfte besonders hart

Von einer „komplizierten Gemengelage“ spricht Katja Teixeira, Geschäftsführerin der Stadtmarketing Siegen GmbH. Kundinnen und Kunden hätten bestimmte Ansprüche und Wünsche, was Ausdehnung und vor allem Verlässlichkeit der Öffnungszeiten betreffe, Geschäftsleute wiederum unterlägen ökonomischen Zwängen. Während „große Player“ – gerade, wenn sie zu Ketten gehören – oft noch Einiges kompensieren könnten, werde es bei kleineren Läden schneller existenzbedrohend. Zudem sei die Herausforderung der höheren Energiekosten neu. „Wie so oft in den vergangenen drei Jahren ist das eine Situation, die es so noch nicht gegeben hat.“ Und auf diese Situation hätten viele Läden rasch und auf Grundlage ihrer individuellen Gegebenheiten reagieren müssen.

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Die dadurch entstehende „Zerstücklung der Öffnungszeiten“ sei folglich nicht überraschend, aber alles andere als ideal: „Wir müssen weg von Insellösungen.“ Kundinnen und Kunden, die überraschend vor verschlossenen Ladentüren stehen, werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Frust schieben, der die Lust auf weitere Einkaufsbummel trübt. Wobei die Einschränkungen während der Coronakrise dazu geführt hätten, dass die Toleranz für dererlei Einschnitte insgesamt gestiegen sei. „Von daher wird das jetzt sicherlich besser verkraftet, als es vor einigen Jahren der Fall gewesen wäre“, sagt Katja Teixeira.

Siegen: Einheitliche Öffnungszeiten machen Einzelhandel für Kunden attraktiver

Konfrontiert mit den recht abrupt gestiegenen Energiepreisen hätten etliche Einzelhändlerinnen und Einzelhändler kurzfristig Entscheidungen treffen müssen. „Da blieb nicht viel Zeit für konzertierte Konzepte“, merkt die Stadtmarketing-Chefin an. Gerade solche seien aber wünschenswert – „koordinierte, abgestimmte Zeiten, damit der Kunde das Geschäft, in das er möchte, auch sicher offen vorfindet“. Das Stadtmarketing werde dafür in intensiven Kontakt mit der Händlerschaft treten, um Lösungen im Gesamtkontext zu entwickeln. Ein ganz wesentlicher Faktor sei die Kommunikation: Die Kundschaft muss informiert sein, wann und wo sie verlässlich einkaufen kann. Das beziehe sich ausdrücklich nicht nur auf Siegen-Mitte, sondern auch auf die anderen Stadtteilzentren, hebt Katja Teixeira hervor.

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Einfach werde das nicht, räumt sie ein, weil sehr viele individuelle Situationen unter einen Hut zu bringen seien. Außerdem sind die Unsicherheiten bei vielen Menschen groß, sagt Katja Teixeira. „Es kommt einfach keine Ruhe in die Weltlage.“

Siegerland: Einzelhandel muss mit vielen Maßnahmen Energie sparen

„Die Last gestiegener Energiepreise ist längst auch im Einzelhandel mit Wucht angekommen. Die Kundinnen und Kunden müssen sich auf angepasste Raumtemperatur, sparsamere Beleuchtung und veränderte Öffnungszeiten einstellen“, fasst Marco Butz, Handelsreferent bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen, zusammen. Ausschlaggebend für die Veränderung der Öffnungszeiten: „Die gestiegenen Kosten überfordern aktuell immer mehr Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer aus der Region. Der stationäre Einzelhandel kämpft ums Überleben“. Die Händlerinnen und Händler seien nach den schwierigen Jahren der Pandemie nun erneut enormem Kostendruck ausgesetzt und versuchten, diesen mit der Anpassung der Öffnungszeiten zu reduzieren.

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Allerdings gebe es auch weitere Gründe wie den Fachkräftemangel und anhaltende Krankheitswellen. Zu Beginn der Pandemie wurde der Einzelhandel stark beschränkt, viele Fachkräfte haben daraufhin die Branche gewechselt. „Diese Leute fehlen bis heute“, betont Marco Butz. Häufig war im vergangenen Jahr auch krankheitsbedingt nicht genügend Personal vorhanden.

Einzelhandel im Siegerland: Kürzere Öffnungszeiten, kühlere Räume, sparsameres Licht

Die Inhaberinnen und Inhaber werden beim Energiesparen durchaus erfinderisch. Sie versuchen zu sparen, wo es nur geht: „Neben einer Reduzierung der Öffnungszeiten können Händlerinnen und Händler zum Beispiel die Höchsttemperaturen in ihren Geschäften senken oder die Beleuchtung gegen energiesparende LED-Leuchtmittel austauschen“, erklärt Roger Schmidt, Experte für Energiemanagement bei der IHK Siegen. Ein großes Problem für den regionalen Einzelhandel seien nämlich auch die stark gestiegenen Strompreise.

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Für viele Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern gehe es um die Existenz: „Die Anpassung der Öffnungszeiten ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern kann viel Geld ausmachen“, sagt Marco Butz. „Welche Alternative hat denn der lokale Einzelhandel? Die Händlerinnen und Händler befinden sich in einer prekären Lage und haben kaum noch eine Wahl, als bei den Öffnungszeiten ansetzen.“

Das oberste Ziel müsse sein, langfristig negative Folgen für die Attraktivität der Einzelhandelsstandorte zu vermeiden. Denn wenn die kleinen Läden schließen und aus den Einkaufsstraßen verschwinden, würden Arbeitsplätze verloren gehen und es könnte zu Leerständen kommen. „Da leidet dann die ganze Region drunter“, sagt der IHK-Handelsreferent. Denn der lokale Einzelhandel mache das Stadtbild aus. Marco Butz hofft für die Inhaberinnen und Inhaber, dass der stationäre Einzelhandel auch diese erneute Krise meistert.

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