Wilnsdorf. Steuererhöhungen fallen noch drastischer aus – sonst drohe Turnhallen, Dorfgemeinschaftshäuser und Friedhofshallen, Bibliothek, Museum der Abriss
Der Rat der Gemeinde Wilnsdorf hat den Haushalt 2023 mit 18 gegen 16 Stimmen beschlossen. Die Gegenstimmen kamen von CDU und LKR. Eingeplant wurde nun auch eine Erhöhung der Kreisumlage, zunächst um den niedrigsten, im Kreistag von UWG und FDP beantragten Satz. In der Folge fallen die Steuererhöhungen noch drastischer als ursprünglich vorgeschlagen aus: Die Grundsteuer B steigt nun von 475 auf 695 Prozent, im ersten Entwurf des Etats standen noch 675 Prozent. Die Gewerbesteuer wird von 475 auf 500 statt auf 495 Prozent erhöht. Die nur für landwirtschaftliche Grundstücke erhobene Grundsteuer A steigt von 275 auf 400 statt 350 Prozent.
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Keine Frage für die große Mehrheit war der Neubau der Grundschule Wilnsdorf: Trotz der nun erwarteten Kostensteigerung auf bis zu 25 Millionen Euro stimmte der Rat bei zwei Gegenstimmen der LKR für die Fortsetzung und Verwirklichung des Vorhabens.
Haushalt der Gemeinde Wilnsdorf nicht verabschieden?
Mit 18 gegen 16 Stimmen lehnte der Rat den Antrag der CDU-Fraktion ab, den Haushalt erst zu verabschieden, wenn auch der Kreistag entschieden hat – in einer Sondersitzung am 10. Februar, nachdem die Etat-Entscheidung vor Weihnachten geplatzt war und die CDU-Kreistagsfraktion in der Folge die Kooperation mit der SPD aufgekündigt hatte. Bürgermeister Hannes Gieseler verwies darauf, dass die Gemeinde auf jeden Fall mit einer höheren Kreisumlage rechnen muss. Bei einer Verschiebung der Entscheidung werde der Bau des Radweges Wilnsdorf-Wilgersdorf gefährdet („Es könnte sein, dass die Bezirksregierung die 900.000 Euro Fördermittel dann woandershin packt“) und die Gestaltung der Außenanlagen an der Grundschule Niederdielfen in diesem Jahr nicht mehr möglich. Für die geforderte Senkung der Kreisumlage habe der Kreis „überhaupt keinen Spielraum“, meinte Rainer Danier (Grüne). Martin Schwarzer (LKR) sah dagegen den von CDU und SPD verabredeten Hebesatz von 35 Prozent nicht mehr unumstößlich: Schließlich seien nun im Kreistag auch andere Mehrheiten möglich.
LKR: Neue Grundschule in Wilnsdorf nicht bauen?
Zwei Mal scheiterte die zweiköpfige LKR-Fraktion mit ihrer Forderung, den Neubau der Grundschule Wilnsdorf am Höhwäldchen für ein Jahr auf Eis zu legen und Alternativen zu prüfen: konkret die Erweiterung am alten Standort Vorm Brand und die Wiederinbetriebnahme der Schulstandorte Obersdorf, Wilden und Anzhausen. Der Rat gab die Entwurfsplanung – einschließlich des Ausbaus von Mensa und Forum zur Versammlungsstätte, plus 45.000 Euro – frei und lehnte einen von der LKR in der Haushaltsdebatte gestellten Antrag ab.
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Ob die Kinder in Containern und Kellerräumen unterrichtet werden sollten, fragte Schulausschussvorsitzende Karin Otterbach (CDU) in Richtung LKR: „Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen.“ Michael Plügge (SPD) warf der LKR eine „destruktive Haltung“ vor; sie präsentiere „Scheinalternativen“. Dr. Andreas Weigel (BfW/FDP) verwies darauf, dass selbst die Erweiterung der Grundschule am jetzigen Standort mittlerweile auf 15 Millionen Euro geschätzt werde. Die anderen Schulgebäude würden von Geflüchteten bewohnt, sagte Matthias Lohmann (Grüne): „Die müssen auch irgendwo untergebracht werden.“ Bürgermeister Hannes Gieseler erinnerte daran, dass der anfangs auf knapp 12 Millionen Euro geschätzte Neubau zunächst als zweizügige Grundschule geplant war - jetzt wird sie, bei um 50 Prozent gestiegenen Schülerzahlen, dreizügig.
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Die Haushaltsdebatte im Wilnsdorfer Rat: „Nur noch Ruinen“ für folgende Generationen
Bürgermeister Hannes Gieseler appellierte an den Rat, den Haushalt mit den Steuererhöhungen zu verabschieden. Die Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger sei „vertretbar“. Eine Ablehnung gefährde den Neubau der Grundschule und der Feuerwehrgerätehäuser Oberes Weißtal und Wilgersdorf. „Wer heute gegen den Haushaltsplan stimmt, bestellt praktisch den Abrissbagger für Turnhallen, Dorfgemeinschaftshäuser und Friedhofshallen, für Bibliothek und Museum.“ Nachfolgenden Generationen würden „nur noch Ruinen“ hinterlassen.
Klaus Grünebach (CDU) warf der Ratsmehrheit Beschlüsse vor, die die Gemeindekasse „existenziell belastet“ hätten. Konkret nannte Dennis Schneider (CDU) später die von den Grünen durchgesetzte Energieverbrauchsmessung in Schulgebäuden, den Ankauf des ehemaligen Forstamts Siegen-Süd als Flüchtlingsunterkunft und den „Seniorenspielplatz“ in Obersdorf – den Anne Bender (BfW/FDP) als „Dorfplatz, auf dem sich Generationen treffen können“, würdigte: „Das sind Gelder, die nicht verschwendet wurden.“ CDU-Fraktionschef Klaus Grünebach kritisierte die Baulandpolitik der Gemeinde: Ankauf und Vergabekriterien glichen einer „stillen Zwangsenteignung“. Grünebach forderte, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung keine Erschließungsbeiträge von 90 Prozent für erstmalig ausgebaute Straßen mehr zu erheben. Für den Ausbau vorhandener Anliegerstraßen nach dem umstrittenen Kommunalabgabengesetz (KAG) nimmt die Gemeinde übrigens künftig 80 statt bisher 50 Prozent – in der Erwartung, dass das Land diesen Beitrag voll übernimmt.
Stefan Dohme (SPD) hielt dem Kreis vor, die in Wilnsdorf gelungene Haushaltskonsolidierung so schnell zerplatzen zu lassen „wie eine Seifenblase im Igelgehege“. Der Philharmonie hätte „ein kostengünstiges Stück Bauland im Umland“ zur Verfügung gestellt werden könnten statt das „Filetstück“ in der Siegener Innenstadt. Dohme kritisierte die finanzielle Beteiligung des Kreises am Apollo-Theater, am Flughafen und am „Paul-Breuer-Gedächtnis-Streichelzoo mit den Wisenten“.
Dr. Andreas Weigel (BfW/FDP) warf der ehemaligen CDU-Ratsmehrheit vor, „viel zu wenig investiert“ zu haben, „wir haben zuletzt von der Substanz gelebt“. Investitionen seien nun „dringender denn je“. Um sie zu finanzieren, sei es erforderlich, die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuern „moderat anzupassen“.
Ekkehard Blume (Grüne) warf der CDU, „obwohl Mitverursacher“, vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die Steuererhöhungen seien „dringend notwendig“, um einen Absturz in den Nothaushalt zu vermeiden. Anträge seiner Fraktion zu Klimaschutz und Ressourcenschonung würden dagegen „zerredet“.
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Andreas Klein (LKR) sah in dem Haushalt einen „finanzpolitisch tödlichen Mix“. Die „isolierten“ Mehrbelastungen durch Corona und Krieg von absehbar sieben Millionen Euro würden abzutragen sein, dann drohe eine weitere Steuererhöhung. Klein kritisierte den mit 1,3 Millionen Euro veranschlagten Ankauf von Grundstücken in künftigen Baugebieten. Die könnten sich angesichts der Baupreisentwicklung als „Ladenhüter“ erweisen. Der LKR-Sprecher bedauerte, dass die Gemeinde Balkon-Photovoltaikanlagen nicht bezuschusse („In anderen Kommunen geht das“), aber 5000 Euro für Plexiglas-Abdichtungen der Ratssaal-Fenster ausgebe, die jährlich nur 600 Euro Energiekosten ersparten.