Wilnsdorf. „Wilnsdorf trifft es extrem hart“: Hannes Gieseler kritisiert den Kreis scharf. Der rette das Siegener Apollo, andere müssten das bezahlen.

„Es macht dieses Jahr nicht so viel Spaß.“ Wilnsdorfs Kämmerer Daniel Denkert präsentiert zwar keinen Haushaltsplan mit roten Zahlen. Aber einen mit einer drastischen Steuererhöhung: Mit einem Hebesatz von 695 Prozent bei der Grundsteuer B katapultiert sich Wilnsdorf an die Spitze im Kreis Siegen-Wittgenstein – zumindest bis andere Städte und Gemeinden mit ihren Planungen für das nächste Jahr auch nachziehen.

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Deshalb werden die Steuern in Wilnsdorf erhöht

Der Aufschlag um 220 Prozentpunkte ist zwar der erste seit 2016 und lässt sich auch schnell erträglich rechnen, indem zum Beispiel sagt, dass mehr als die Hälfte der Wilnsdorfer Steuerzahler nicht mehr als 15 Euro im Monat zusätzlich aufbringen müssen. Der Zorn von Bürgermeister Hannes Gieseler ist aber um so größer, wenn er darstellt, wofür die Gemeinde die Mehreinnahme braucht: Die zusätzlichen Steuereinnahmen (außerdem: Vergnügungssteuer von 13 auf 17, Grundsteuer A von 275 auf 400, Gewerbesteuer von 475 auf 500 Prozent) betragen 2,1 Millionen Euro, der Kreis Siegen-Wittgenstein verlangt dagegen von Wilnsdorf 3,9 Millionen Euro mehr Kreisumlage. „Da fehlen mir jegliche Worte.“

Die Empörung wird auch nicht dadurch kleiner, dass der Erhöhungswunsch von Kreiskämmerer und Landrat in Wilnsdorf gar nicht erst in vollem Umfang und ein Kompromiss auf halber Strecke mit der Senkungsforderung der Bürgermeisterin und der Bürgermeister eingeplant ist. Denn selbst wenn der Kreis überhaupt nicht an seinem Hebesatz schrauben würde, wäre Wilnsdorf mit 3,4 Millionen Euro mehr dabei. Was auch daran liegt, dass Wilnsdorf und andere Gemeinden im nächsten Jahr einen höheren Anteil zum Kreishaushalt besteuern müssen, weil Burbach, bisher mit Kreuztal Spitzenverdiener bei der Gewerbesteuer, gerade deutlich weniger einnimmt und entsprechend wenige abführt.

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Darum kritisiert Wilnsdorf den Kreis Siegen-Wittgenstein so scharf

So kompliziert die Begründung, so einfach die Konsequenz: „Wilnsdorf trifft es extrem hart“, stellt Bürgermeister Hannes Gieseler fest, „und der Kreis packt noch oben drauf.“ Dass Wilnsdorf gerade versuche, den Vereinen bei den Hallennutzungsgebühren entgegenzukommen, während der Kreis das Siegener Apollo-Theater mit 150.000 Euro unterstützen wolle, passe nicht zusammen: „Mit dem Geld kann ich allen Vereinen die Gebühren ganz erlassen.“ Freudenberg habe sein Hallenbad verloren, Netphen sein Eisstadion.

„Auf der anderen Seite hat der Kreis Geld für das Museum für Gegenwartskunst und das Evangelische Gymnasium.“ Zurückhaltend als „schwierig“ bezeichnet Gieseler die Planung für ein neues Verwaltungsgebäude und die Finanzierung des Siegerland-Flughafens („nicht mehr vertretbar“). Dem 1000-Dächer-Programm des Kreises zur Förderung von Photovoltaikanlagen stellt der Bürgermeister den bisher nicht erfüllten Wilnsdorfer Wunsch gegenüber, wenigstens Balkon-Solarstecker bezuschussen zu können. „Der Kreis haut das Geld einfach raus, da fehlt mir das Augenmaß.“

Darum drücken die Schulden in Wilnsdorf

Es ist ja nicht nur die Kreisumlage. Die Schulden drücken. Investitionskredite und Kassenkredite (die fürs überzogene Konto) machen im nächsten Jahr knapp 49 Millionen Euro aus, 2026 werden es schon über 72 Millionen Euro sein. Und danach wird die Gemeinde auch die Mehrbelastungen durch Pandemie und Krieg abtragen müssen, die sich bis dahin auf zehn Millionen Euro türmen werden – eine Summe, die „isoliert“ wird und jetzt noch gar nicht in Haushalt auftaucht. Immerhin halten sich Gas- und Stromrechnungen in Grenzen. „Wir haben noch rechtzeitig Festpreise für vier Jahre bekommen können“, berichtet Kämmerer Daniel Denkert. Aber die Zinsen galoppieren davon: von gerade einmal 100.00 Euro im vorigen Jahr auf rund eine halbe Million Euro im nächsten Jahr und auf mehr als eine Million Euro im Jahr 2026.

Dafür gibt Wilnsdorf Geld aus

„Wir müssen investieren“, sagt Bürgermeister Hannes Gieseler. Rund 15,6 Millionen Euro im nächsten Jahr, zusammen mit der Bauunterhaltung sogar 20 Millionen, unter anderen für:

Radwege: 2,7 Millionen Euro für die Verbindungen von Wilnsdorf nach Wilgersdorf und Rudersdorf, dafür gibt es 2,4 Millionen Euro Zuschuss vom Land.

Bürgermeister Hannes Gieseler (rechts) und Kämmerer Daniel Denkert.
Bürgermeister Hannes Gieseler (rechts) und Kämmerer Daniel Denkert. © Steffen Schwab

Bushaltestellen: 2 Millionen Euro für den barrierefreien Umbau, darunter der neue Busbahnhof am Höhwäldchen. Landeszuschuss: 1,5 Millionen Euro.

Grundschule Wilnsdorf: Vorerst schlagen erst weitere Ingenieurleistungen mit 2 Millionen Euro und der Straßenbau mit 450.000 Euro zu Buche; das 20-Millionen-Euro-Vorhaben wird über die folgenden Jahre verteilt finanziert.

Die Bauunterhaltung an Schulen und Gebäuden kostet 3,1 Millionen Euro, vor allem für Brandschutz und energetische Sanierung. „Das sind notwendige Dinge", sagt Bürgermeister Hannes Gieseler.

Für Wasserbaumaßnahmen stehen 757.000 Euro im Etat. Dafür werden der Wildebach und der Michelbach renaturiert.

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So geht es in Wilnsdorf mit dem Gemeindehaushalt weiter

Knapp 14.000 Euro Überschuss stehen unter dem Strich im Haushalt. Würden die „isolierten“ Kriegs- und Corona-Lasten dazugenommen, würde daraus ein Defizit von 1,4 Millionen Euro. Oder von 3 Millionen, wenn die Gemeinde nicht schon in diesem Jahr Geld für die Kreisumlage zurückgelegt hätte. Sparen? „Wir sind an dem Punkt angelangt, wo weiter runter nicht mehr möglich ist“, sagt der Bürgermeister. Es sei denn, die Gemeinde verzichte auf Feuerwehrgerätehäuser und die neue Grundschule, Straßen- und Gebäudesanierungen oder ihr Museum. Auch in der am schönsten gerechneten Variante rutscht der Wilnsdorfer Haushalt ab 2024 wieder in die roten Zahlen, ab 2025 sechsstellig. Ob dann die nächste Grundsteuererhöhung kommt? Hannes Gieseler versucht sich in Optimismus. „Alle reden vom wirtschaftlichen Abschwung – aber vielleicht kommt er ja gar nicht.“

Verabschiedet werden soll der Haushalt in der Ratssitzung am Freitag, 13. Januar.

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