Netphen. Schornsteinfeger-Ehepaare gibt es nicht viele: Kim und Dominik Kuhn aus Netphen verbindet eine einmalige Geschichte und ein „super cooler“ Job.
Schornsteinfeger-Ehepaare gibt es nicht wie Sand am Meer – um so außergewöhnlicher ist es, dass es ausgerechnet eins davon nach Siegen-Wittgenstein verschlagen hat: Kim und Dominik Kuhn hat die Meisterschule vereint, ihr Beruf brachte sie zurück in ihre Heimat. Die 31-Jährige kümmert sich seit Juli in ihrem Kehrbezirk um 2850 Häuser. „Alleine schaffe ich das nicht“, sagt sie. Da trifft es sich, dass ihr Mann sie unterstützen kann: Dominik Kuhn hilft ihr, wo er kann. Leon Peters ist der Dritte im Team, der den Kehrbezirk schon aus der Zeit vor Kim Kuhns Übernahme kennt. Sie und Dominik Kuhn erzählen, wie es ist, auf einmal für so viele Häuser zuständig zu sein und wie sie sich gefunden haben.
Hilchenbach: Wie eine schlagfertige Antwort zwei Schornsteinfeger zusammenführte
„Ich bin gerade von Mathe wiedergekommen, wollte raus und er stand in der Tür“, erzählt Kim Kuhn. Es sei nicht ihr bester Tag gewesen, über irgendetwas habe sie sich aufgeregt. Als sie dann auf den Pausenhof der Schornsteinfeger-Meisterschule ging, lief sie direkt in den E-Zigarettenqualm von Dominik Kuhn hinein. „Er hat mich komplett zugequalmt“, sagt sie. Als sie ihn bat, wegzugehen, habe er nur geantwortet: „Nö, geh du doch weg.“ Bei Kim Kuhn ist immer noch die Entrüstung über diese schlagfertige Antwort zu spüren. „Ne, das hat er nicht gesagt!“, habe sie gedacht. Und so fing alles an.
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Kim und Dominik Kuhn unterhielten sich viel und schrieben ebenso viel miteinander und irgendwann war die Sache klar. Schnell zogen sie zusammen, irgendwann wurden sie zum Ehepaar Kuhn. Rund 20 Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger schauten in ihren Uniformen bei ihrer Hochzeit in Marl (bei Recklinghausen) vorbei. Der Zusammenhalt unter Schornsteinfegern sei eben riesig, erzählen beide. Er zieht sich durch ihr Leben.
Es sind aber nicht nur die Gefühle, die zwischen Kim und Dominik Kuhn stimmen. Schnell war klar: Sie wollen einen Kehrbezirk führen. Beide besuchten die Meisterschule in Dülmen bei Münster, um außer der Meister-Ausbildung auch viele Lehrgänge zu absolvieren. In der Branche wisse man, ab wie vielen Punkten ein Kehrbezirk ungefähr abgegeben würde, erzählt Dominik Kuhn. Meister-Titel und die verschiedenen Lehrgänge sorgen neben mehr Wissen auch für mehr Punkte. Schließlich wurde ein Kehrbezirk in Kim Kuhns Heimat frei – ein glücklicher Zufall. Sie kommt gebürtig aus Netphen, Dominik Kuhn aus dem Ruhrgebiet. „Dann habe ich mich kurz vor knapp beworben“, sagt Kim Kuhn.
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Genau eine Träne hätte sie vor Freude geweint, als sie schließlich die Zusage für den Kehrbezirk bekam, erzählt sie und lacht. Sie setzte sich damit gegen bundesweite Konkurrenz durch, übernahm schließlich von Peter Kernig, der altersbedingt seine Tätigkeit aufgab, den Kehrbezirk und ist nun für die Häuser in gleich mehreren Ortschaften in Hilchenbach und Erndtebrück zuständig (Hilchenbach: Lützel, Vormwald, Grund; Erndtebrück: Schameder, Zinse, Benfe, Birkelbach, Birkefehl, Altenteich, Röspe und Womelsdorf).
Hilchenbach: Darum ist der Schornsteinfeger-Beruf „super cool“
Viele kennen Schornsteinfeger nur vom Aufstieg aufs Dach. „Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von einem Ganzen“, sagt Kim Kuhn. Natürlich einer, der besonders viel Spaß macht, gerade wenn sich ein herrlicher Ausblick in ein Tal oder auf einen Sonnenuntergang biete, erzählt das Ehepaar. Schornsteinfeger bzw. Schornsteinfegerin zu sein bedeutet und umfasst aber noch so viel mehr. „Es ist ein hochmoderner Beruf“, sagt Dominik Kuhn. „Wir werfen nicht nur einen Besen in ein schwarzes Loch.“ So spielen Statik, Dachdecker-Arbeiten, Solartechnik und ganz viele andere Aspekte mit hinein. „Wir müssen einiges auf dem Kasten haben“, unterstreicht Dominik Kuhn. An der Meisterschule kann man sich beispielsweise mit Brandschutztechnik, Energieberatung und Existenzgründung beschäftigen. „Es ist ein riesen Feld“, sagt der 31-Jährige.
Auf der Suche nach Nachwuchs
Auch wenn es nichts Besonderes mehr sein sollte, dass eine Frau Schornsteinfegerin ist, ist es immer wieder Thema. „Ich habe da bis jetzt meine Taktik entwickelt“, sagt Kim Kuhn. Wenn sie einmal gezeigt hätte, was sie kann, sei meist Ruhe. „Frauen sind besser“, betont Dominik Kuhn und macht sich für Frauen in seinem Beruf stark.
Das Ehepaar Kuhn würde sehr gerne eine Schornsteinfegerin oder einen Schornsteinfeger in ihrem Kehrbezirk ausbilden. Generell sei ihre Branche immer auf der Suche nach Nachwuchs, betonen Kim und Dominik Kuhn. Wer Interesse hat, kann sich per E-Mail an schornsteinfeger-kuhn@outlook.de bei ihnen melden.
Einen Kehrbezirk zu übernehmen ist dann nochmal etwas ganz Besonderes: Viereinhalb Wochen hatte Kim Kuhn nach der Zusage Zeit, sich mental darauf vorzubereiten und alle möglichen Dinge schon einmal anzustoßen und vorzubereiten. Am schwierigsten gestaltete sich die Arbeit mit der Computer-Verwaltungssoftware für einen Kehrbezirk: Bis nachts um halb 11 Uhr saßen Kim und Dominik Kuhn am Anfang regelmäßig vor dem Computer, vormittags waren sie im Bezirk unterwegs, nebenbei kümmerten sie sich auch noch um den Telefondienst. Gerade sei zum Beispiel die Nachfrage nach Kaminöfen extrem hoch. „Die Leute holen sich einen Ofen und lassen die Heizung aus“, sagt Dominik Kuhn.
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Sie sind froh, dass sie die Arbeit auf drei Leute verteilen können. Für die „hoheitlichen Tätigkeiten“ im Bezirk ist allein Kim Kuhn zuständig, sie haftet als Kehrbezirksbevollmächtigte. Sie allein nimmt in ihrem Bezirk neue Anlagen ab, kümmert sich um die „Feuerstättenschau“, die zwei Mal in sieben Jahren in einem Haus ansteht. Unter „Feuerstätte“ fallen zum Beispiel Gas-, Pellet- und Ölheizungen.
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Dominik Kuhn ist bei einer vom Ehepaar extra gegründeten GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) angestellt. Damit können die „hoheitlichen Tätigkeiten“ von den „freien handwerklichen Tätigkeiten“ im Kehrbezirk abgegrenzt werden. Letztere übernimmt Dominik Kuhn, darunter fallen zum Beispiel das Kehren, Fegen und Messen. Jedes Haus bringt unterschiedliche Anforderungen mit sich. Zu einem Haus mit einer Pellet-Heizung fährt Kim Kuhn zum Beispiel zwei Mal im Jahr zum Kehren. Über alles muss auch bürokratisch genau Buch geführt werden, damit alle wissen, was sie im jeweiligen Jahr zu tun haben und welche Häuser mit welchen Aufgaben anstehen.
Hilchenbach: Was den Schornsteinfeger-Beruf so einzigartig macht
Obwohl der Schornsteinfeger-Beruf unglaublich erfüllend und schön sein kann, ist er in den Köpfen junger Menschen oft kaum präsent. Oder um es mit den Worten von Kim Kuhn zu sagen: „Der Beruf ist super cool. Aber es kriegt fast keiner mit.“ Dabei hat er so viele Vorzüge, betonen Dominik und Kim Kuhn. Da ist etwa der extreme Zusammenhalt in der Branche. Dort gelte noch das „Einer für alle, alle für einen“-Prinzip. Als Kim Kuhn zum Beispiel den Beginn in ihrem Kehrbezirk mit einem „Anfegen“ einläutete, kamen Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger aus ganz Deutschland, um sie zu unterstützen (wir berichteten).
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Häufig sind Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger auch einmal Seelsorger oder einfach gerngesehene Gäste, berichtet das Ehepaar. Gerade bei den älteren Menschen würden sie sich die Zeit nehmen, wenn sie sie denn haben, um ihnen zuzuhören und ihren Geschichten zu lauschen. „Man lernt so viele Leute kennen“, sagt Kim Kuhn.
Sie kam über ihren Vater zu ihrem Beruf: „Er hat mit dem Nachbarn Bier getrunken“, erzählt sie. Und aus einer Bierlaune heraus vereinbarte er für seine Tochter einen Praktikumsplatz beim Schornsteinfeger. „Auf einmal hatte ich einen tollen Job“, erzählt Kim Kuhn. Auch Dominik Kuhn kam eher durch Zufall zu seinem Beruf. „Ich hätte nie gedacht, dass das was für mich ist“, sagt er. Doch es war und ist sein Ding. Nun lebt er seinen geliebten Beruf in Siegen-Wittgenstein aus und vergisst nie, dass er aus dem Ruhrpott kommt.
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Denn da wäre ja noch eine Sache: Das Glück. Manchmal laufe man über die Straße und die Leute würden sagen: „Jetzt habe ich Glück!“, erzählt Kim Kuhn. Sie freut sich über das Interesse und findet die Reaktionen süß. Bei Dominik Kuhn spielt das Glück noch eine andere Rolle: Wenn er im Kehrbezirk unterwegs ist, begrüßt er die Menschen jedes Mal mit dem Gruß aus seiner Heimat: „Glück auf.“
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