Siegen. Ältere Arbeitnehmer, die im Job unzufrieden sind, mussten sich früher oft trotzdem durchquälen. Aktuell stehen Wechselchancen aber gut. Warum?
Die Chancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für einen Jobwechsel standen nie so günstig wie derzeit. „Der Arbeitsmarkt hat sich insgesamt gedreht“, sagt Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK)Siegen im Gespräch mit der Redaktion. Unter den veränderten Bedingungen „haben Ältere richtig gute Möglichkeiten“.
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„Zwei Megathemen“ würden die Unternehmen derzeit beschäftigten, sagt Klaus Gräbener: die durch die Decke gehenden Energiekosten und die Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen. Letzteres habe in den vergangenen Jahren eine neue Dimension erreicht – und die ist ein entscheidender Grund dafür, dass sich den Menschen mit Wunsch nach beruflicher Veränderung ganz andere Wege eröffnen als früher. „Wir haben keinen Fachkräftemangel mehr, sondern einen Mangel an Arbeitskräften. Das ist ein Unterschied“, beschreibt der IHK-Geschäftsführer die Lage.
Siegen: Jobwechsel mit über 50 – die Chancen stehen besser als je zuvor
Ein Fünftel der Betriebe habe inzwischen sogar Probleme, Leute für Arbeitsplätze zu finden, die keine abgeschlossene Ausbildung erfordern. Das ist eines der Ergebnisse einer IHK-Blitzumfrage bei 206 Firmen im September. Diese neuere Entwicklung trifft auf die nach wie vor bestehenden bekannten Schwierigkeiten: 63 Prozent der heimischen Unternehmen in Industrie, Großhandel und Baugewerbe klagen laut der Befragung über Fachkräfteengpässe. Bei 35 Prozent sind sie so gravierend, dass sie Aufträge ablehnen müssen.
Flächendeckendes Problem
Probleme bei der Besetzung von Stellen betreffen nicht nur Industrie, Handel und Baugewerbe sondern auch Verwaltungen, Pflegebranche, Gastronomie.
Es beginnt bereits bei den Ausbildungsstellen – insbesondere in Branchen, die bei Jugendlichen nicht so oft auf der Wunschliste stehen.
Eine Konsequenz daraus ist, dass Unternehmen ihre Vorgaben bei der Suche nach Personal weiter fassen müssen. „Der Arbeitsmarkt hat sich zugunsten der Arbeitnehmer entwickelt“, sagt Klaus Gräbener. Das zeigt sich auch bei der Altersfrage. Wer in den 1980ern die 50 überschritten hatte und sich auf eine Stelle bewarb, hatte angesichts der Vielzahl an jüngeren Anwärterinnen und Anwärtern in der Regel schlechte Karten. In der Folge blieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittleren oder fortgeschrittenen Alters oft selbst dann bei ihren Arbeitgebern, wenn sie dort – aus welchen Gründen auch immer – unzufrieden oder sogar unglücklich waren. Und wer Kritik an Arbeitsbedingungen äußerte, lief Gefahr, auf die diversen Leute hingewiesen zu werden, die quasi vor der Tür standen und den Job sofort zu übernehmen bereits waren. Das sei vorbei, wie Nina Appel, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Siegen, bestätigt: „Da draußen steht meist niemand mehr.“
Siegen: Ältere Arbeitnehmer sind auf dem Arbeitsmarkt deutlich gefragter als früher
Natürlich befänden sich Betroffene auch derzeit in einem Spannungsfeld. Vielen sei zwar bewusst, dass sie selbst jenseits der 40, 45, 50 inzwischen noch gute Chancen hätten – aber eben auch „Angst, weil Krise ist“, sagt Nina Appel. Von unüberlegten Schnellschüssen bei der Kündigung rät sie nach wie vor ab. „Wir dürfen die Krise nicht kleinreden. Keiner weiß, was nächstes Jahr sein wird. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten.“ Aber Menschen, die in ihrem Job unzufrieden sind, sollten sich trotzdem „umgucken und Perspektiven schaffen“.
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Viele würden sich stärker als früher damit auseinandersetzen, was sie eigentlich alles können und welche beruflichen Alternativen sich darauf ergeben könnten. Dieser Trend sei seit einigen Jahren bereits zu beobachten. Die Agentur für Arbeit biete dafür die „Berufsberatung im Erwerbsleben“ an, die den Angeboten für Jugendliche ähnele, sich aber gezielt an Erwachsene richte. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten könnten die Interessierten unverbindlich „genau hingucken: Was möchte die jeweilige Person? Und geht das in der Region?“
Siegen: Jobwechsel – Arbeitnehmer schätzen Qualitäten der Generation 50plus
Die Generation 50plus sei für Arbeitgeber mittlerweile auch attraktiv, weil sie oft „anders geprägt“ sei als die heute jungen Leute. „Das Verhältnis zur Arbeit“ sei häufig anders. Wobei Nina Appel verbreiteten Vorurteilen über die Millennials – diejenigen, die um die Jahrtausendwende herum geboren wurden – klar widerspricht. „Die sind nicht faul“, betont die Pressesprecherin. Die Arbeit stehe bei ihnen nur oft nicht mehr an erster Stelle der persönlichen Prioritätenliste, die Work-Life-Balance habe dafür eine höhere Gewichtung.
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Auch Klaus Gräbener ist klar dagegen, unreflektiert irgendwelche Klischees breitzutreten. „Wandel hat es immer gegeben“, unterstreicht der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Persönlich halte ich nicht viel davon, Generationen Etiketten aufzudrücken. Jüngere Leute sind heute nicht besser oder schlechter als früher – sie sind anders.“ Zwar müssten die Jugendlichen sich auf Unternehmen und deren Ansprüche einstellen. Umgekehrt gelte das allerdings genauso. „Betriebliche Personalentwickler sind ebenfalls jünger geworden“, sagt Klaus Gräbener. Diese müssten „die Sprache der jungen Leute sprechen“. Gleichzeitig sei es ganz wesentlich, Aspekte, die junge Menschen fernhalten und ältere zum Verlassen des Unternehmens motivieren, zu identifizieren und diese abzustellen. „Kreativität in der Personalentwicklung besteht heute auch darin, möglichst viele Leute möglichst lange zu halten.“
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Viele Unternehmen hätten das erkannt, „und bewegen sich. Arbeitgeber müssen über ihre Attraktivität nachdenken“. Diejenigen, die das nicht täten, „werden am Ende des Tages das Nachsehen haben“, sagt Klaus Gräbener.
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