Siegen-Wittgenstein. In Siegen-Wittgenstein gibt es noch viele offene Ausbildungsstellen. Wenn die Entwicklung weiter anhält, sind tiefgreifende Folgen zu befürchten.

1262 Ausbildungsplätze sind laut der Agentur für Arbeit in Siegen-Wittgenstein und Olpe noch unbesetzt (Stand: 29. Juli). „Wer jetzt noch nichts hat, sollte die Firmen und Fachleute anrufen“, fordert Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen. Und auch Stefan Simon, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, spricht von noch 155 freien Ausbildungsstellen im Handwerk im Kreis Siegen-Wittgenstein für dieses Jahr. Doch warum bleiben all diese Stellen überhaupt unbesetzt?

Ausbildungsstart in Siegen-Wittgenstein: Unternehmen suchen immer noch Nachwuchs

Beratungsaktion für Kurzentschlossene

Eine Beratungsaktion für Kurzentschlossene findet am Freitag, 27. August, von 14 bis 18 Uhr auf der Siegbrücke statt. Dort stehen Beraterinnen und Berater der IHK Siegen, der Agentur für Arbeit Siegen und der Handwerkskammer Südwestfalen unter dem Motto „Läuft bei mir – Ausbildung jetzt“ für spontane Beratungen rund um das Thema Ausbildung zur Verfügung. Dasselbe Format findet auch am Samstag, 21. August, von 10 bis 14 Uhr in der Frankfurter Straße in Olpe statt.

Wie viele Ausbildungsstellen zum jetzigen Zeitpunkt noch frei sind, können sowohl die IHK Siegen als auch die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd nicht genau sagen. Zu lange dauern die Prozesse, bis die Zahlen den Kammern vorliegen. Die Arbeitsagentur veröffentlicht nur zum Ende des Monats die neusten Statistiken: Stand Juli kommen auf jede/n unversorgten Bewerber/in 2,6 unbesetzte Berufsausbildungsstellen. „In den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe gibt es noch viele Möglichkeiten für die Jugendlichen. Die Unternehmen suchen noch händeringend Nachwuchs“, sagt Daniela Tomczak, Chefin der Arbeitsagentur Siegen.

Klaus Gräbener nähert sich einer genauen Zahl durch die Ausbildungsverträge an: Bis zum 31. Juli 2021 seien 1625 Ausbildungsverträge in Industrie und Handel abgeschlossen worden, zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr noch 1503. Ein Zuwachs von 8,2 Prozent – allerdings lief die Ausbildungsvermittlung im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie besonders schlecht. „Das waren mehr Verträge, als wir vor Jahresbeginn erwartet haben“, so Gräbener über 2021. Er schätzt, dass bis Jahresende insgesamt 1900 bis 1950 Azubi-Verträge unterschrieben werden. Damit liegt die Zahl immer noch deutlich unter dem Jahresdurchschnitt von 2010 bis 2019 mit 2272 Ausbildungsverträgen. „Es fehlen locker noch 250 bis 300 Lehrverträge.“

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„In den nächsten zwei, drei oder vier Wochen kann noch viel passieren“, zeigt sich Stefan Simon optimistisch. Die meisten Ausbildungen in den Handwerksberufen seien im August gestartet. Aber auch ein späterer Anfang ist – nicht nur im Handwerk – möglich.

Siegen-Wittgenstein: Nachwuchsmangel bei Ausbildungen hat diese Ursachen

„In den letzten zwölf Monaten konnte keine Berufsorientierung in allgemeinbildenden Schulen stattfinden“, erklärt Klaus Gräbener. Die Berufsorientierung fehlt an allen Ecken. Sowohl Klaus Gräbener als auch Stefan Simon beklagen diese Entwicklung. „Es ist schwierig geworden, die potenziellen Ausbildungs-Interessenten überhaupt zu erreichen“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Ausbildungsmessen fielen in der Pandemie aus oder fanden nur online statt. „Und bei einer Online-Veranstaltung ist die Resonanz eben überschaubar“, sagt Stefan Simon.

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Auch Praktika hätten aufgrund der Corona-Richtlinien nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht stattgefunden, so die Geschäftsführer der IHK und Kreishandwerkerschaft. „Durch die Pandemie sind die Ausbildungsbetriebe und die Auszubildenden verunsichert worden“, sagt Stefan Simon. Zudem hätte es eine große Unsicherheit gegeben, wie es in der Wirtschaft überhaupt weitergeht, betont Klaus Gräbener. „Dann tendieren Eltern dazu, ihren Kindern zu sagen: Mach mit der Schule weiter.“ Hinzu kommt der Trend zur Akademisierung, der laut Klaus Gräbener in Corona-Zeiten als Ursache aber eine untergeordnete Rolle spielt.

Nachwuchsmangel in Siegen-Wittgenstein: Das sind die langfristigen Konsequenzen

Für die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd und die IHK Siegen ist weiterhin klar: Eine Ausbildung lohnt sich. „Wir haben viele Unternehmen, die seit Jahrzehnten qualitativ hochwertig ausbilden“, betont Klaus Gräbener. „Egal, welches Handwerk man auswählt, jedes ist immer abwechslungsreich und man hat gute Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten“, sagt Stefan Simon.

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Wenn der Negativtrend – mehr Stellen als Bewerber – weiter anhält, würde nicht mehr ausreichend Fachkräftenachwuchs ausgebildet, erklärt der Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen. „Und auch die Beschulung in den Berufskollegs wird schwieriger.“ Langfristig könnten mehr Ausbildungsberufe dann nicht mehr in der Region schulisch vermittelt werden, weil die Schüler für eine Berufsschulklasse fehlten.

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