Siegen. Streit zwischen Stadt und Umsonstladen geht in die nächste Runde: Siegen kündigt der Einrichtung. Ehrenamtliche sorgen sich um die Bedürftigen.
Erneut gibt es Streit um den Umsonstladen in der alten Hammerhütter Schule an der Koblenzer Straße 90, erneut soll die Einrichtung aus dem KIQ (KulturIntegrationQuartier) ausziehen. Die Stadt Siegen hat die Betriebserlaubnis für die Initiative erneut aufgehoben, spätestens zum Jahresende soll der Umsonstladen die Räume verlassen haben. Beide Seiten machen sich gegenseitig Vorwürfe zur Vorgeschichte, wie es dazu kommen konnte. Aus der Politik und von weiteren ehrenamtlichen Trägern wird Unterstützung für den Umsonstladen geäußert – und Kritik am Vorgehen der Stadtverwaltung.
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Aus den Schriftwechseln zwischen Umsonstladen-Initiator Philip Engelbutzeder mit der städtischen Sozialverwaltung geht hervor, dass man sich in herzlicher Abneigung zugetan ist. Schon im Juni drängte sich der Eindruck auf, dass nicht wirklich miteinander geredet wurde, sondern eher aneinander vorbei, beide Seiten geben sich dafür wechselseitig die Schuld. Die Kündigung seinerzeit wurde dann zwar aufgehoben – wie es danach weiterging, dazu gibt es unterschiedliche Angaben.
Stadt Siegen und Umsonstladen machen sich gegenseitig Vorwürfe
Die Verwaltung verweist nach wie vor darauf, dass im KIQ zu wenig Platz ist, als dass der Umsonstladen allein einen ehemaligen Klassenraum im Erdgeschoss für einen Öffnungstag nutzen kann, andere Initiativen bräuchten ebenfalls Raum. Philip Engelbutzeder habe auf Alternativen und Gesprächsangebote nicht oder ablehnend reagiert. Man habe dem Umsonstladen in einer prekären Notlage geholfen, unbürokratisch die vorübergehende Nutzung ermöglicht, weitere Ressourcen des Hauses zur Verfügung gestellt, sich konstruktiv bemüht, das Projekt auch künftig am Standort erhalten zu können. „Aus unserer Sicht sind Sie leider auf keinen der angebotenen Kompromissvorschläge abschließend eingegangen“, nach verbalen Attacken sehe man keine Möglichkeit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, heißt in dem von Sozialdezernent Andree Schmidt unterzeichneten Schreiben an Philip Engelbutzeder. Auch die Nutzungsvereinbarung für das „Reallabor für Verbraucherinformatik“ im KIQ ist aufgehoben.
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Für den Umsonstladen bestreitet Philip Engelbutzeder die Vorwürfe der Stadtverwaltung – im Gegenteil habe sie nicht auf konstruktive Gesprächsangebote reagiert. Er habe um persönliche Termine gebeten, sei immer nur auf Ablehnung gestoßen, was er nachweisen könne. Er habe den Konflikt nie eskalieren lassen wollen, ihm sei immer an einer einvernehmlichen Lösung zur Fortführung des Projekts gelegen. Hier werde die Abhängigkeit ehrenamtlicher Organisationen von der Stadt deutlich, der erneute Entzug der Betriebserlaubnis habe viele Ehrenamtliche schwer getroffen. Dass dem Reallabor ebenfalls gekündigt wird, sei „Kollektivhaft“. Zur Lösung des Konflikts sei wohl ein moderiertes Gespräch zwischen ihm und der Stadt nötig.
Siegener Frauenhilfe: Umsonstladen leistet zielführende Integrationsarbeit
Ehrenamtlichen und Kundschaft des Umsonstladens stoßen die Auseinandersetzung und die erneute Kündigung sauer auf. „Ich möchte keinen Streit, wenn hier so viele Bedürftige vor der Tür stehen“, sagt Elena Müller. Sie lebt seit 25 Jahren in Deutschland, ist seit fünf Jahren in der CDU, arbeitet als Sprachvermittlerin, hilft jeden Mittwoch im Umsonstladen. Seit neun Monaten sind ihre Sprachkenntnisse sehr gefragt, weil viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine im Umsonstladen grundlegende Dinge des täglichen Bedarfs bekommen, die sie sich sonst kaum leisten könnten. Die drohende Schließung überschattet die Unterstützung, die sich längst nicht nur etwa auf Kleidung und Geschirr, sondern auch Beratungs- und Integrationsarbeit erstreckt. „Wir wollen kein Geld, wir brauchen nur einen Raum“, sagt auch Dominik Korczak. „Und der wird uns genommen.“
Unverständnis kommt auch von außerhalb: „Der Umsonstladen ist für uns ein hilfreicher Partner bei der Versorgung von Menschen, die günstig oder umsonst Ware erhalten möchten“, betont Heike Henrichs-Neuser, Geschäftsführerin des Bezirksverbands der Siegerländer Frauenhilfe. Wie im Kleiderladen der Frauenhilfe sei die Kooperation von Bürgerschaft und Universität auch überaus wertvoll: Für eine nachhaltige Denkweise in der Gesellschaft brauche es niedrigschwellige Zugänge wie den Umsonstladen. Dass hier Geflüchtete aus der Ukraine Hilfe bekommen, sich sogar selbst engagieren: „Das ist zielführende integrative Arbeit. Die Stadt Siegen kann mit der Unterstützung dieses Projektes einen zukunftsorientierten Beitrag leisten.“ Stadt und Engagierte im KIQ sollten gemeinsam nach einer verträglichen Lösung für alle Beteiligten suchen.
Siegener Politik will mitentscheiden: Ein Konzept fürs KIQ soll her
Ähnlich äußert sich Lisa Bleckmann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen-Ratsfraktion und des Sozialausschusses: Gerade jetzt, wo etwa Tafel nicht genug Lebensmittel für alle Bedürftigen bekommen, müssten Anlaufstellen wie der Umsonstladen unbedingt erhalten werden – unabhängig davon, wo und wie. Schon im Juni hatten Fraktionen aus dem gesamten politischen Spektrum betont, dass ihnen am Umsonstladen gelegen ist – und dass die Politik verlangt, mitzuentscheiden. Denn bevor überhaupt mit den Nutzern des KIQ diskutiert oder die Politik beteiligt wurde, habe die Verwaltung hier Fakten geschaffen. „Das geht nicht“, sagt Bleckmann. Eine Hauskonferenz oder ähnliche Gespräche hätten im KIQ wohl seit Langem nicht mehr stattgefunden.
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Dass die Kapazitäten dort zu knapp seien, „müsste erstmal nachgewiesen werden“. Wer das KIQ in welchem Umfang nutzen dürfe, sei „keine alleinige Entscheidung der Verwaltung“, findet sie. Es brauche endlich ein tragfähiges Konzept. Und unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten und Streitereien müsse es doch möglich sein, lösungsorientierte Gespräche zu führen.
Stadt Siegen sendet Signal der Entspannung: Alternativ-Angebote bleiben bestehen
Sollte eine Fortsetzung des Umsonstladens an dieser Stelle an schlechter Kommunikation über Alternativen oder persönliche Befindlichkeiten scheitern, „wird es dringend Zeit, den Kommunikationskonflikt aufzulösen“, sagt SPD-Fraktionschef Detlef Rujanski. Gerade in der aktuellen Zeit sei es immens wichtig, praktische Hilfe zu leisten, „wir brauchen jede Unterstützung, damit sich die Menschen über Wasser halten können.“
Auch für die Volt-Fraktion hat sich nichts geändert: Dass der Umsonstladen raus soll aus dem KIQ sei nicht gut, so Geschäftsführer Jacob Kammann. Die wohl beidseitige schlechte Kommunikation schade dem Projekt.
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Update: Nachdem das Thema im Siegener Sozialausschuss angesprochen wurde, bekräftigt die Stadtverwaltung, dass die Angebote an den Umsonstladen bezüglich alternativer Räumlichkeiten und Lösungen grundsätzlich weiter bestünden. Einen Container könne man erst genehmigen, wenn man Details kenne. Umsonstladen-Initiator Philip Engelbutzeder hat sich umgehend auf die Suche nach einem Container gemacht.