Hilchenbach. Hilchenbach wehrt sich gegen Rechtsextremisten: Derzeit führen Stadt, Kreis und 3. Weg sieben Prozesse – der Überblick.

Im März ist die rechtsextremistische Partei „Der 3. Weg“ in Hilchenbach eingezogen. Mit einer großen Demonstration Anfang September und mit zwei Bürgerfesten im Juni und September haben Hilchenbacher und ihre Gäste ihren Widerspruch zu den Positionen deutlich gemacht, die vom Parteibüro in der Dammstraße 5 aus verbreitet werden. Das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage hat sich wieder belebt, die Fraueninitiative „Alles außer Rechts“ hat sich neu zusammengefunden. Längst sind die Partei und ihr Vorsitzender, die Hilchenbacher Stadtverwaltung und die Kreisverwaltung Dauer-Beteiligte an gerichtlichen Auseinandersetzungen. Beim Verwaltungsgericht Arnsberg werden aktuell sechs Verfahren geführt, beim Oberverwaltungsgericht NRW eins. Und dabei wird es wohl nicht bleiben.

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Das Vorkaufsrecht

Dass der derzeitige Eigentümer sein Haus in der Dammstraße 5, das einmal AOK-Geschäftsstelle und davor Reise- und Verkehrsbüro war, schon Mitte Dezember 2021 an den Landesvorsitzenden der Partei „Der 3. Weg“ verkauft hat, wurde in Hilchenbach im März 2022 öffentlich. Da hatte der Notar, der den Kaufvertrag beurkundet hat, bei der Stadt nach einem Testat gefragt. Darin soll bescheinigt werden, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht wahrnehme. Die Stadt tat das Gegenteil: Sie verweigerte das Testat, ließ sich eine Sicherungshypothek ins Grundbuch eintragen und übte das Vorkaufsrecht aus. In weiteren Schritten erließ der Rat eine Vorkaufsrecht-Satzung und begann ein Änderungsverfahren für den Stadtmitte-Bebauungsplan, um das Grundstück Dammstraße 45 zu „Fläche für Gemeinbedarf“ umzuwandeln. Künftige Nutzung: Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine – einschließlich des Treffpunkts, der nun zunächst im Rondell des Geberparks eingerichtet wird.

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Aktueller Stand: Der 3. Weg-Vorsitzende klagte, das Hauptsache-Verfahren wird beim Verwaltungsgericht Arnsberg geführt. Im Juli verfügte das Verwaltungsgericht per Eilbeschluss, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht sofort vollziehen darf, sondern den Ausgang des Hauptverfahrens abwarten muss. Dagegen führte die Stadt Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht, das sich der Arnsberger Entscheidung anschloss – einschließlich der Einschätzung, dass die Stadt den Prozess insgesamt verlieren wird, weil sie zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs kein Vorkaufsrecht hatte.

Die Werbeanlagen

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat mit einer Ordnungsverfügung die Fensterwerbung und das Schild verboten, mit denen der 3. Weg am Haus Dammstraße 5 auf sich aufmerksam macht. Grundlage für die Verfügung sind die städtischen Gestaltungsvorschriften.

Aktueller Stand: Der Vorsitzende des 3. Wegs klagt dagegen und will außerdem in einem Eilverfahren erreichen, dass einstweiliger Rechtsschutz wiederhergestellt wird – das Verbot also erst nach einer Entscheidung des Gerichts gilt. „Wir haben jeweils Zwangsgelder angedroht“, erklärt Arno Wied, Baudezernent des Kreises Siegen-Wittgenstein, auf Anfrage dieser Zeitung. Weil die Werbeanlagen trotzdem gezeigt worden seien, habe der Kreis bereits ein erstes Zwangsgeld in dreistelliger Höhe festgesetzt und ein weiteres angekündigt. Dem Verwaltungsgericht liegt seit 11. Oktober eine erste Klage gegen ein Zwangsgeld vor, ebenso der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.

Die Nutzungsuntersagung

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat die Nutzung des Erdgeschosses als Parteigeschäftsstelle, Kleiderkammer und Tiertafel untersagt. Dazu hätte der neue Eigentümer eine Genehmigung beantragen müssen; durch die bisher erteilten Genehmigungen sei die Nutzung nicht abgedeckt. Geäußert hat sich der Kreis auch für den Fall, dass der 3. Weg die Genehmigung der Nutzungsänderung noch nachträglich beantragt: Die laufende Änderung des Bebauungsplans („Fläche für Gemeindebedarf“) könne „noch nicht absehbare Auswirkungen auf die Dauer und das Ergebnis eines Genehmigungsverfahrens haben“.

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Aktueller Stand: Die Partei hat für ihre Räume „Versammlungen“ bei der Kreispolizeibehörde angemeldet, die sie dort bis Ende 2023 wöchentlich abhalten will. Gegen die Versammlungen will die Kreisverwaltung ebenfalls mit Zwangsgeldern vorgehen. Der Landesvorsitzende des 3. Wegs hat gegen die Nutzungsuntersagung geklagt und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Es sei „noch nicht ersichtlich, wann über die einstweiligen Rechtsschutzanträge entschieden wird“, teilte das Verwaltungsgericht Arnsberg dieser Zeitung auf Anfrage mit.

Neutralitätsgebot

Der Landesvorsitzende des 3. Wegs hat geklagt, dass Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis das Neutralitätsgebot seiens Amtes verletzt hat, in dem er auf der städtischen Homepage zu der Online-Petition gegen die Eröffnung des Parteibüros in der Dammstraße verwiesen hat.

Aktueller Stand: Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung über die Beschwerde des 3. Wegs im Eilverfahren werde das Oberverwaltungsgericht „in den nächsten Wochen“ treffen, teilte das Oberverwaltungsgericht dieser Zeitung auf Anfrage mit.

Bisher kein Fall für ein Gericht ist der Bebauungsplan. Die Offenlegungszeit, in der Einwendungen gegen die von der Stadt beabsichtigte Änderung im Bereich Dammstraße 5 („Fläche für Gemeinbedarf“) erhoben werden konnten, ist am 7. Oktober abgelaufen. Zwei Stellungnahmen seien eingegangen, „die werden wir abarbeiten“, sagte Baudezernent Michael Kleber dieser Zeitung. Den Satzungsbeschluss wird der Rat erst im nächsten Jahr fassen können. Ebenfalls noch nicht angreifbar ist das Verbot rassistischer und fremdenfeindlicher Propaganda auf Sportplätzen und in Sporthallen – die Änderung der Platz- und Benutzungsordnungen wurde erst angekündigt.

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