Hilchenbach. Hilchenbach hat am Samstag eine der wohl größten politischen Demonstrationen seiner Geschichte erlebt – hier sind die Fotos.
Rund 720 Menschen haben am Samstag in Hilchenbach gegen die rechtsextreme Partei „Der 3. Weg“ demonstriert, die einen „Tag der Heimattreue“ auf der Gerichtswiese ausgerichtet hat. Deren Demonstrationszug, der etwa eine Stunde später auf derselben Route durch die Innenstadt zog, schlossen sich nach Angaben der Polizei etwa 45 Personen an – insgesamt, so die Polizei später, hatte der „3.Weg“ bis zu 70 Teilnehmer.
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Umrahmt wurde der Demonstrationszug, zu dem „Hilchenbach gegen Rechts“ aufgerufen hatte, von einem Fest auf dem oberen Marktplatz und auf dem Kirchplatz, das das Hilchenbacher Bündnis für Toleranz und Zivilcourage ausgerichtet hat. Eine Vielzahl von Organisationen war mit Ständen vertreten, dabei waren auch die „Omas gegen Rechts“, die Hilchenbacher Frauen „Alles außer Rechts“, das Jugendforum und der Jugendförderverein Push, Parteien, Vereine und auswärtige Initiativen. In den Klimawelten gab es ein Programm für Kinder.
Bunt statt braun: Junge Leute ergreifen Initiative
Bei Metzger Schmitt in der Hilchenbacher Straße gibt es Riesen-Fleischkäse, bei Engelbert auf dem Markt füllt sich die Biergarten-Terrasse. Die Eisdiele ist zu, die meisten anderen Geschäfte auch. „Wegen einer Veranstaltung“, schreibt der Bäcker an die verschlossene Tür. Die Menschen, die an diesem Samstagmittag nach Hilchenbach strömen, kommen nicht zum Einkaufen.
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„Man hat schon Angst, bei denen am Haus vorbeizugehen“, berichtet Leonie Sommerfeld über die Adresse, um die es an diesem Tag geht: die Dammstraße 5, in der der rechtsextreme „3. Weg“ sich niedergelassen hat. Philipp Gerloff spricht von einem „unguten Gefühl“ und „ziemlich bedrückter Stimmung“ in der Stadt. Die beiden Jugendlichen werden gleich mit ihrem Transparent „Bunt statt Braun. Keine Heimat für Neonazis in Hilchenbach“ den wohl größten politischen Demonstrationszug anführen, den die kleine Stadt je erlebt hat, Seite an Seite mit Pfarrer Herbert Scheckel, der sich ganz vorne einreiht. Aus dem Hilchenbacher Jugendzentrum ist die Initiative „Hilchenbach gegen Rechts“ hervorgegangen, die diese Demo gestemmt hat. Eigentlich selbstverständlich, findet Philipp: „Wir wohnen halt hier.“
Vorbei am „Tag der Heimattreue“ auf der Gerichtswiese
„Nazis von der Straße nehmen.“ „Alerta!“ „Nazis verpisst euch.“ Die große und bunte Schar, die auch von vielen auswärtigen Initiativen unterstützt wird, sorgt dafür, dass man sie nicht überhören kann. An Fenstern und Balkonen wehen Regenbogenfahnen. Durch die Bruchstraße geht es Richtung Bahnhof, vorbei auch an dem Stolperstein, der an Röschen Hony erinnert, die von den Nazis ermordet wurde, weil sie Jüdin war. Durch die Trift geht es auf die B 508, die von der Polizei komplett gesperrt wird - der Demonstrationszug ist zu groß, als dass er auf eine Fahrbahnhälfte gepasst hätte.
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Über den Ruinener Weg läuft der Zug zurück auf den Marktplatz – vorbei an der Gerichtswiese, wo der „3. Weg“ eine „Tag der Heimattreue“ vollzieht. Zum Auftakt hat die Partei am Vorabend vor dem Rathaus einen Galgen aufgestellt, an dem „Grundrechte“ gehenkt wurden, und die mit Kreide geschriebenen Worte „Homoehe“ und „Genderwahn“ mit einer als Putzlumpen verwendeten Regenbogenfahne weggewischt wurden. „Ich habe Angst“, wird Roland Wiegel, Sprecher der Linken in Siegen-Wittgenstein, später auf der Bühne sagen. Roland Wiegel, selbst queer, wird dort an Malte erinnern, den Trans-Mann, der vor wenigen Tagen beim CSD in Münster totgeschlagen wurde.
45 Personen folgen dem Demonstrationszug der Rechtsextremisten
Der Zug stockt für einen Moment, eine Kölner Antifa-Gruppe wird davon abgehalten, auf die Gerichtswiese zu ziehen. Die Polizei, die stark präsent ist – gesprochen wird von 250 Bereitschaftspolizisten, die Polizei selbst sagt dazu nichts –, ändert das Programm. Es gibt zunächst keine Kundgebung auf dem oberen Markt, die Demonstrierenden werden in die Hilchenbacher Straße und auf den Hügel vor der Kirche gebeten. „Vor der Kirche haben Sie einen wunderbaren Ausblick“, tönt es aus dem Lautsprecherwagen der Polizei, „Sie haben dort die Möglichkeit, Ihren Unmut kund zu tun.“
Und das tun sie auch: Anders als zunächst geplant räumt die Polizei den ganzen Marktplatz und schafft so dem Demonstrationszug des „3. Weg“ freie Bahn. So laut und so schnell können die einigen hundert gar nicht rufen und pfeifen. wie der kleine Trupp vorbei ist. „Asylflut stoppen“ und „Kriminelle Ausländer raus“ heißt es auf den Transparenten, mit denen die Rechtsextremisten denselben Weg wie vorher die Gegendemonstranten nehmen. Wieder wird die B 508 gesperrt. Diesmal ist die Gerichtswiese das Ziel. Die Gruppe wird über den Lautsprecher des Polizeiwagens aufgefordert, sich dorthin zu begeben – der Tonfall klingt mindestens eine Spur unfreundlicher als eben bei der Runde der 720. „Ende der Durchsage.“
Beifall für den Hilchenbacher Bürgermeister
Nun wird geredet. Grußworte aus Siegen, aus Olpe, aus Plauen, aus Brandenburg, sogar von der „Stiftung Friedliche Revolution“ aus Leipzig. Grünen-Landtagsabgeordneter Gregor Kaiser tritt ans Rednerpult: „Homophobie und Rassismus müssen in die Mottenkiste der Geschichte gepackt werden.“ SPD-Landtagsabgeordnete Christin-Marie Stamm ist zusammen mit der Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke gekommen, die auch Vorsitzende des SPD-Unterbezirks ist. „Ich bin solidarisch mit meinem Bürgermeisterkollegen.“ „Wir lassen euch nicht im Regen stehen“, sagt Philipp von „Siegen gegen Rechts“. Für die Frauen von „Alles außer Rechts“ war Julia Kurz auf der Bühne, erinnerte an die ermordeten jüdischen Familien. Dass die Initiative ihre Treffen und Aktionen nicht öffentlich ankündigt, hat seinen Grund: Die Gruppe will auch geschützter Raum sein, geschützt vor den rechtsextremen Neu-Hilchenbachern. „Frauen und Kinder haben noch andere Sorgen.“
„Wenn wir viele sind, die sich dem 3. Weg entgegenstellen, braucht niemand mehr Angst zu haben“, sagt Günter Stremmel im Namen von „Hilchenbach gegen Rechts“. Die große Zahl von Teilnehmenden („Ich bin überwältigt“) zeige, „dass die Zivilgesellschaft dieser Stadt hinter ihrem Bürgermeister steht“. Und der bekommt Beifall für seine Anstrengungen, den Stützpunkt der Rechtsextremen in Hilchenbach zu vereiteln. „Hilchenbach ist bunt und vielfältig“, sagte Bürgermeister KyrIllos Kaioglidis in seiner Rede, „in Hilchenbach gibt es keinen Platz für Rechtsextremismus.“ Er dankt dem Team, das sich für das Fest eingesetzt hat: „Dazu gehört Mut. Ihr alle bringt heute viel Licht in unsere Stadt. Danke dafür.“ Mit dem Bürgermeister auf der Bühne ist der Hilchenbacher CDU-Fraktionschef André Jung, der an diesem Tag auch den Landrat vertritt: „Hilchenbach ist bunt und ganz sicher nicht braun, und unsere Stadt wird auch weiterhin bunt bleiben.“
Für den 3. Weg ist um halb fünf Feierabend
Die Bühne gehört bis zum Abend der Musik. Davor kommt es zu einem Gerangel, als an der Barriere – mit der die Polizei Marktplatz und Gerichtswiese voneinander trennt – jemand von der Gerichtswiesen-Seite kommt und Fotos macht, am Ende mit einer langen Stativ-Stange, als Antifa-Engagierte von der anderen Seite Tücher und Fahnen gegen das Kamera-Objektiv halten. Die Polizei tritt dazu, in die Runde gelangt eine Warnung vor „Spitzeln“, denen es um Fotos von den hier Versammelten geht. +
„Wir werden hier noch verdammt lang weitermachen müssen“, sagt Olaf Bruch, der das Fest für das Hilchenbacher Bündnis mitorganisiert. Gegen 16.30 Uhr meldet der „3. Weg“ sich bei der Polizei ab, ihr „Tag der Heimattreue“ ist vorbei. Am Kirchplatz und auf dem oberen Markt feiert das bunte Hilchenbach noch bis 20 Uhr. Die Polizei spricht am Ende von „vollkommen friedlichen“ Versammlungen. Lediglich zwei Strafanzeigen seien gegen Versammlungsteilnehmer gestellt worden.
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