Siegen. Naziverbrechen fanden nicht nur weit weg statt, sondern auch mitten in Siegen. So will das Aktive Museum Südwestfalen die Erinnerung wach halten.

Das Aktive Museum Südwestfalen hatte aufgrund von Umbauarbeiten mehrere Monate geschlossen. Während Teile dieser Arbeiten inzwischen abgeschlossen sind, befindet sich die Dauerausstellung noch weitere zwei bis drei Jahre in der konzeptionellen Weiterentwicklung, unter anderem mit dem Ziel, ansprechender für ein junges Publikum zu werden.

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Am Obergraben 10 – auf den ersten Blick scheint dies lediglich eine normale Adresse zu sein, hinter der sich aber viel Geschichte verbirgt. So befand sich dort ab 1904 die Siegener Synagoge, die im November 1938 im Zuge des reichsweiten Pogroms niedergebrannt wurde. Daraufhin kaufte die Stadt das Gelände unter Wert und errichtete einen Hochbunker, der zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen und speziell der Patienten und Patientinnen des angrenzenden Stadtkrankenhauses gedacht war.

Das Aktive Museum ist im Bunkergebäude am Obergraben untergebracht. Bis zum 10. November 1938 stand hier die Synagoge.
Das Aktive Museum ist im Bunkergebäude am Obergraben untergebracht. Bis zum 10. November 1938 stand hier die Synagoge. © WP | Florian Adam

Siegen: Aktives Museum Südwestfalen erinnert mit neuem Konzept an den Naziterror

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bunker als Lager des Krankenhauses genutzt, bis die Idee entstand, dort eine Gedenkstätte einzurichten, woraus sich später auch das seit 1996 bestehende Aktive Museum entwickelte. Gerade diese Dreiteilung – Synagoge, Bunker, Museum – sei besonders, betont die hauptamtliche Mitarbeiterin des Aktiven Museums Mareike Schön im Gespräch, insbesondere, wenn man in Betracht ziehe, dass der Bunker als Schutzraum an einem Ort errichtet wurde, der wie kaum ein anderer dafür stand, dass Teile der Bevölkerung in Deutschland nicht mehr sicher waren.

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Seit 2020 befindet sich das Museum im Umbau. In der oberen Etage, die dem Museum inzwischen auch zur Verfügung steht, sind die Umbauarbeiten weitgehend abgeschlossen. Durch neue Wanddurchbrüche entstanden hier ein Raum, der für Workshops und Sonderausstellungen genutzt werden kann (bislang musste für letztere die Dauerausstellung weichen), und ein Seminarraum. Dabei bleibt die Bunkeratmosphäre angesichts der dicken Wände und diverser Schilder mit Anordnungen an die ehemaligen Bunkerinsassen an den Wänden präsent.

Neuer Eingangsbereich: Hier werden künftig die Besucherinnen und Besucher des Aktiven Museums Südwestfalen am Obergraben in Siegen empfangen.
Neuer Eingangsbereich: Hier werden künftig die Besucherinnen und Besucher des Aktiven Museums Südwestfalen am Obergraben in Siegen empfangen. © Annalena Braun

Siegen: Aktives Museum Südwestfalen erinnert an Opfer der Naziherrschaft

Die untere Etage, die die Dauerausstellung beherbergen wird, steht derzeit noch weitestgehend leer. Bis zur Wiedereröffnung werden wohl noch weitere zwei bis drei Jahre vergehen, unter anderem, weil sich die Umbauarbeiten durch die Coronapandemie verzögert haben. Auch die Finalisierung der Ausstellung und deren Inhalte stehen noch aus. Die dargestellten Biografien der Opfer des Nationalsozialismus’ werden dabei weitestgehend übernommen, doch an der Übernahme diverser Exponate und an der endgültigen Darstellungsweise wird aktuell noch gefeilt.

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Klar ist aber, dass sich die neue Ausstellung auf die Gesellschafts- und Erfahrungsgeschichte des Nationalsozialismus’ im Kreis Siegen-Wittgenstein und das Themenfeld „Mitmachen und Widerstehen in der Diktatur“ fokussieren wird. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf dem Ausbau der Digitalisierung des Angebots liegen. Schon seit 2015 wurde das Projekt „aktives Gedenkbuch“ realisiert, das diverse Biografien von Menschen aus dem heutigen Kreisgebiet aufarbeitet.

Aktives Museum Siegen will gerade junge Menschen für Geschichte interessieren

Die Ereignisse während des Naziregimes liegen immer länger zurück. Dass sie nicht in Vergessenheit geraten, dafür setzt sich das Aktive Museum ein und ist somit aktuell wie auch in Zukunft ein wichtiger Teil des Gedenkens in Siegen. Neben diversen Arbeitskreisen, zum Beispiel in den Bereichen Pädagogik, Recherche und Forschung, arbeitet auch das „Entwicklungs- und Ideenforum Dauerausstellung“ an der Neukonzeption, um die Ausstellung ansprechend zu gestalten und zur Auseinandersetzung mit ihren Inhalten anzuregen. Auch die Frage, inwieweit man dabei nicht nur den Besuchern, sondern auch den Opfern gerecht wird, spielt eine übergeordnete Rolle.

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Mitglied des Forums ist auch die 20-jährige Siegener Studentin Victoria Wolf. Auf die Frage, wie sie dazu gekommen sei, sich in diesem Rahmen zu engagieren, berichtet Victoria Wolf, dass bereits ihre Geschichtslehrerin ihr Interesse für das Fach und speziell das Thema Nationalsozialismus wecken konnte. „Das hat sich dann besonders durch einen prägenden Besuch im KZ Buchenwald gefestigt.“ Ihr sei es daher ein Anliegen, in Siegen direkt an der Erinnerungsarbeit mitwirken zu können, indem sie als junger Mensch Input gebe, der dabei helfen könne, Jugendliche und junge Erwachsene zielgruppengerechter anzusprechen. Gleichzeitig könne sie wertvolle Erfahrungen darüber sammeln, wie Diskussionen um Inhalte und Darstellungen auf wissenschaftlichem und sachlichem Niveau ablaufen. Außerdem könne sie ihr Wissen über die lokale Geschichte erweitern.

Aktives Museum Siegen: Dauerausstellung noch geschlossen – trotzdem viel Programm

Auch wenn die Wiedereröffnung der Dauerausstellung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, können in den Räumen der oberen Etage seit Anfang des Jahres wieder verschiedene Sonderausstellungen besichtigt werden. So wird beispielsweise ab September eine Fotoausstellung zum Thema „Jüdisches Leben in Deutschland heute“ stattfinden. Außerdem existieren Angebote zu Führungen in Siegen und Umgebung mit diversen Schwerpunkten, wie zum Thema „Entlang der Erinnerungsorte in der Oberstadt“.

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Mehr Informationen dazu und auch zu weiteren Angeboten sowie Mithilfemöglichkeiten gibt es auf aktives-museum-suedwestfalen.de. Unterstützung wird gerne gesehen und auch benötigt. Dabei gibt es vielfältige Aufgaben wie die Hilfe bei Rundgängen, Konzepterarbeitungen oder der Forschung. Mareike Schön betont: „Außer Interesse braucht man nichts mitzubringen.“

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