Siegen. Mit Fotos von Erich Koch zeichnen Traute Fries und Andreas Bingener in neuer Broschüre den Brand der Siegener Synagoge am 10. November 1938 nach

Es sollte nach Volkszorn aussehen, was sich am 10. November 1938 am Obergraben abspielte. „Zivilkleidung war angeordnet“, schreibt Traute Fries vom Leitungsteam des Aktiven Museums Südwestfalen (AMS) im nun erschienenen 28. Band der „Beiträge zur Geschichte der Stadt Siegen und des Siegerlandes“ über den Trupp, der die Synagoge in Brand steckte.

Dem Heft „Der Brand der Siegener Synagoge am 10. November 1938“ haben die Herausgeber – Traute Fries und Andreas Bingener – den Untertitel „Eine Fotodokumentation des Fotografen Erich Koch“ gegeben. 26 Aufnahmen zeigen den Verlauf des verheerenden Feuers; und sie zeigen die Schaulustigen, die eng gedrängt zusehen, wie das Zentrum der jüdischen Gemeinde abbrennt.

Die Idee zum Heft beim Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein

Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome im Jahr 2018 sei die brennende Siegener Synagoge in diversen überregionalen Zeitschriften abgebildet worden, schreibt Traute Fries. Beim Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein sei daraufhin die Idee entstanden, gemeinsam mit dem AMS eine neue Broschüre zum Thema herauszugeben, in der alle Aufnahmen des Siegener Fotografen Erich Koch, für die der Geschichtsverein die Nutzungsrechte besitzt, ergänzt durch Textbeiträge Verwendung finden sollten.

Die Synagoge Siegen: Jüdische Gemeinde erst ab 1884

Eine jüdische Gemeinde bildete sich in Siegen formell erst 1884. Sie war relativ klein und hielt ihre Gottesdienste zunächst in verschiedenen Räumlichkeiten ab. Meyer Leser Stern, Gründer und Vorsitzender der Gemeinde, hatte zwar schon 1891 für 8000 Reichsmark ein Grundstück am Obergraben gekauft, bis zur Einweihung der Synagoge an diesem Ort dauerte es aber noch bis zum 22. Juli 1904.

In der Urkunde zur Grundsteinlegung gibt Simon Grünwald, Lehrer, Prediger und Kantor der Synagogengemeinde, die jüdische Bevölkerung mit 24 Familien und etwa 105 Menschen in Siegen sowie weiteren elf Familien mit rund 60 Personen in den Nebenorten an – bei circa 24.000 Einwohnern in der Stadt Siegen insgesamt.

Der Brand 1938: „Die Siegener Feuerwehr hatte keinen Auftrag das Feuer zu löschen“

Die Novemberpogrome wurden von München aus eingeleitet, „der angegebliche Volkszorn wurde von der NSDAP geschürt, was jedoch nicht so aussehen sollte“, so Traute Fries. Der SS-Hauptsturmführer Heinrich Lumpe aus Kassel „beauftragte den Unterscharführer Erich Wünsch, Polizei und Feuerwehr zu benachrichtigen sowie eine Reihe zuverlässiger Männer zusammenzuholen“, heißt es weiter.

Etwa ein Dutzend Männer, Lumpe und Wünsch eingeschlossen, versammelte sich kurz vor Mittag des 10. November 1938, gekleidet als Privatpersonen. Sie drangen durch eine Seitentür in die Synagoge ein, errichteten aus zertrümmertem Mobiliar einen Scheiterhaufen und zündeten ihn an. Der Brand griff auf das geschieferte Holzdach über. Die Feuerwehr rückte an, „hatte jedoch keinen Auftrag, das Feuer zu löschen“, schreibt Traute Fries. „Es wurden die Nachbargebäude und das Krankenhaus vorsorglich mit Löschwasser versehen, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern.“

Die Dokumentation: Siegener Fotograf Erich Koch in 1930ern sehr aktiv

Erich Koch, geboren 1914 in Siegen, „war seit Mitte der 1930er Jahre als Fotograf sehr aktiv“, erläutert Andreas Bingener in seinem Beitrag über den Urheber der Fotos. Für diese setzte er, so vermutet Bingener, ein Teleobjektiv ein.

Zu Beginn des Feuers war er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ort, denn auf seinen ersten Bildern steigt bereits starker Rauch aus der Synagoge auf. Das gewaltige Ausmaß des Feuers und der Zerstörung werden aber in der Fotoserie deutlich, an deren Ende eine Aufnahme der lediglich übriggebliebenen Außenmauern steht.


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