Littfeld. Am Holocaust-Gedenktag erinnert Kreuztal am Fred-Meier-Platz in Littfeld besonders an das jüngste Opfer der Nazis und seine Familie.

Das letzte, was Zeitzeugen über Fred Meier überliefert haben, sind die Umstände der Deportation Ende Februar 1943: In der Schubkarre brachte der Vater den Sohn zum wartenden Zug im Littfelder Bahnhof. Noch auf dem Bahnsteig wurde der Mutter das Kind entrissen, berichteten die Chronisten.

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Stilles Gedenken

Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, erinnert Kreuztal auf dem Fred-Meier-Platz in Littfeld an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, auch in diesem Jahr wegen der Pandemie wieder ohne öffentliche Beteiligung. Dazu trafen sich am Nachmittag stellvertretend für alle Fraktionen im Rat der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Björn Eckert, für die Littfelder Dorfgemeinschaft der Vorsitzende Wolfgang Breuer und für die Gesellschaft christlich-jüdischer Zusammenarbeit Heiner Giebeler. Stellvertretende Bürgermeisterin Astrid Collenberg vertrat Walter Kiß. Gemeinsam wurden Kränze sowie ein Gesteck niedergelegt und der Holocaust-Opfer mit einer anschließenden Schweigeminute gedacht.

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Das Leben von Fred Meier

Blatt Nummer 99 im Krombacher Geburtenregister des Jahrgangs 1939 – das Jahr, in dem der Zweite Weltkrieg begann: Der Krombacher Bürgermeister nimmt Silvester 1939 die letzte Eintragung des Jahres vor. Sie betrifft Fred Meier, der eine Woche zuvor geboren worden ist. Fred Meier war mit einiger Wahrscheinlichkeit der erste Neugeborene mit jüdischen Eltern in dessen Amtszeit. Wunschgemäß trug er für das Baby den Namen Fred ein. Er vergaß auch nicht den seit 1938 obligatorischen „Zweitnamen“, den die Nazis allen männlichen Juden aufzwangen: Israel. So hieß auch Vater Siegfried mit Zusatznamen. Fred Meiers Mutter Mina hatte den Namen „Sarah“ eintragen müssen.

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Was der Bürgermeister und Standesbeamte an diesem Silvestertag nicht kannte, war die verbindliche Liste „jüdischer Vornamen“: Fred gehörte nicht dazu. Darauf reagierte die Gestapo sofort. Mit Eintrag vom 25. Mai 1940 wurde „auf Anordnung der Aufsichtsbehörde“ aus Fred ein „Berl“. Elf Jahre nach der Eintragung der Geburt war es wiederum der Standesbeamte in Krombach, der die Aufgabe hatte, den Tod von Fred Meier zu registrieren. Am 27. Dezember 1950 beurkundete er den Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 14. Juli desselben Jahres. Als Todestag gilt seither der 8. Mai 1945, der Tag des Kriegsendes. Für tot erklärt wurde „Berl“ Meier.

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Hetze gegen jüdische Metzger

Zwei jüdische Metzgereien gab es in den 1930er Jahren in Littfeld: die von Raphael Meier, der mit Frau und Schwester 1942 deportiert wurde, und die von Adolf Meier, Freds Großvater. In ihrem Haus befand sich auch ein Gebetsraum. Beide Familien sind Ende des 18. Jahrhunderts nach Littfeld gekommen. Überliefert ist die Hetze im Naziblatt „Der Stürmer“ nach der Feuerwehrübung 1934. Die dort hinterher gereichte Wurst habe „scheußlich“ geschmeckt: „Kein Wunder auch: Sie war von den Judenmetzgern Raphael und Fred Meier war das jüngste Mitglied der jüdischen Gemeinde in Littfeld. Im Alter von drei Jahren wurde er am 28. Februar 1943 zusammen mit seiner Mutter nach Auschwitz deportiert. Am 30. Januar 1983, dem 50. Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP, wurde der Platz vor dem Feuerwehrgerätehaus nach Fred Meier benannt. Seitdem finden dort jährliche Gedenkstunden statt – seit 1996 am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.

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Das bedeutet Fred Meier heute

Auch der Littfelder Jugendtreff Glonk hat den Gedenktag zum Anlass genommen, das Schicksal des jungen Fred Meier und der anderen Kreuztaler Holocaust-Opfer aufzuarbeiten und erlebbar zu machen. Melvin Busch, Leiter des Jugendtreffs, hat dazu auf Instagram eine „Story-Strecke“ zusammengestellt. „Es ist unglaublich, dass hier, wo ich wohne, schon so schreckliche Dinge geschehen sind“, sagt der 14-jährige Mika Neuhaus, „man denkt immer, dass so etwas vielleicht mal irgendwo weit weg passiert ist – aber nein, es ist auch einfach hier passiert.“ Mit Politur, Bürste und Schwamm hat Mika zusammen mit Melvin Busch die Littfelder Mahnmale wieder auf Hochglanz gebracht und in Gedenken an die Schicksale, auf die sie verweisen, eine Rose niedergelegt. „Wir sind nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“, sagt Melvin Busch.

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