Lindenberg. Christian Kolodzei sammelt bei Spedition Timmerhaus in Freudenberg Hilfsgüter. Sind genug für einen Transport da, fährt der Lkw Richtung Ukraine.
Das Leid der Menschen in der Ukraine lässt Christian Kolodzei nicht los. Irgendwas musste er tun. Er spendete an die ukrainische Gemeinde Siegen, die Hilfsaktionen koordiniert, kaufte Lebensmittelkonserven und Hygieneartikel, brachte sie zur Sammelstelle und dachte die ganze Zeit: „Wir können noch mehr tun.“ Kolodzei ist Niederlassungsleiter der Spedition Timmerhaus in Lindenberg und tut, was Logistiker am besten können: Gezielt Hilfsgüter aus dem Siegerland in die Ukraine bringen; dahin, wo sie gebraucht werden.
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Der erste spontane Plan: Bulli mieten, mit Hilfsgütern vollpacken, in die Ukraine fahren und Kriegsflüchtlinge wieder mitnehmen. Aber so eine Fahrt in ein Kriegsgebiet – oder auch nur in die Nähe – ist kein Pappenstiel. Die reale Gefahr im Grenzgebiet ist das eine, aber auch da können Raketen einschlagen. Wichtiger noch: Wo fährt man überhaupt hin, gibt es vor Ort Ansprechpartner, wo werden die Hilfen am besten benötigt – und was wird überhaupt benötigt?
In Freudenberg-Lindenberg entsteht das „Schwesterschiff“ zur Hagener Straße in Siegen
Christian Kolodzei überlegte, wälzte Ideen, ließ seine Kontakte spielen. Als erstes rief er Freitagmorgen seinen Chef an und der gab ihm freie Hand. „Wir unterstützen, wo wir nur können“, war die Devise. Dann wandte Kolodzei sich an die Helfer vom Friedensbund Siegen (ukrainische Gemeinde), die eine Sammelstelle an der Hagener Straße in Siegen eingerichtet und die Kontakte in die Ukraine haben. Er sprach mit Freunden, Bekannten, Kollegen. Der Anfang einer Kette, „nach drei Stunden konnten wir loslegen“, sagt er. Übers Wochenende hatte sich die Kette zu einem humanitären Netzwerk in der Region entwickelt.
Welche Hilfsgüter werden gerade benötigt?
Die ukrainische Gemeinde Siegen hat via Facebook eine Liste mit Hilfsgütern veröffentlicht, die derzeit benötigt werden.
Apotheke: Elastische Fixierbinden, Mullbinden, Wundschnellverband, Thermodecken, Medizintaschen, Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol,...), Druckverband, Medikamente zum Blutstillen, Zubehör und Medikamente für Diabetiker, Antibiotika, Blutdruck-Medikamente, Erwachsenenwindeln.
Fertignahrung, Getränke: Laktosefreie Süßigkeiten, löslicher Kaffee, Teebeutel, Konserven, Käse/ Wurst vakuumverpackt, Zucker, Riegel (Schoko, Müsli, Protein,...)
Für Kinder unter 6 Jahre: Hygieneartikel (Seife, Zahnpasta, Creme), Babynahrung, Windeln, Einweg-Wickeltücher, Feuchttücher.
Hygiene: Lippenbalsam, Rasierzeug, Seife, Zahnpasta, Zahnbürsten, Hand- und Badetücher, Antitranspirantien.
Technik: Power-Bank, USB-Kabel, Taschenlampe, Batterien, Handys, wiederaufladbare LED-Lampen, Schuhtrockner, Elektromotoren.
Sonstiges: Einweggeschirr, Thermobecher, Papiertücher, Isomatten, Schlafsäcke, Trockenbrennstofftabletten, Kerzen, Ferngläser, Feuerzeuge, Feuerzeugbenzin, Textmarker, Teppichmesser, Dichtmittel, Bohrer, Nietpistole.
„Ich saß auf heißen Kohlen, ich musste was tun, ich will helfen“, sagt Kolodzei. Die Sammelstelle in Lindenberg ist sozusagen das „Schwesterschiff“ zur Hagener Straße in Siegen, in Friesenhagen soll auch ein Spenden-Depot entstehen. Er ist überzeugt: Mit strukturierter Planung und Koordination, „können wir von hier aus mehr bewegen und mehr vor Ort erreichen.“
Helfer aus Siegen haben die nötigen Kontakte in die Ukraine
Wenn Speditionen eins können, dann Logistik. Telefonieren und organisieren, Fahrzeuge zu einer bestimmten Zeit an ein bestimmtes Ziel bringen. Der Friedensbund Siegen und deren Facebook-Gruppe „Hilfe für die Ukraine Siegen“ haben im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet Ansprechpartner, die die Bedürfnisse und Notlagen der Menschen vor Ort kennen. Die Spediteure stellten zusätzlich Kontakt zu polnischen Unternehmen in der Grenzregion her und jetzt wird transportiert, so viel sich irgendwie bewerkstelligen lässt. Denn das Alltagsgeschäft muss ja auch noch weiterlaufen, die Auswirkungen des Kriegs für das Speditionsgeschäft sind bereits spürbar – Fahrzeuge, Fahrer, Sprit stellt die Spedition.
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Dringend benötigte Hilfsgüter können in der Freudenberger Timmerhaus-Niederlassung abgegeben werden (siehe unten). Sobald genug für einen Sattelauflieger zusammen ist, organisiert das Logistikunternehmen einen freien Lastwagen. Der wird beladen und ab auf die Autobahn. Ohne Begrenzung – sobald genug Hilfsgüter zusammen sind, geht es sofort los, verspricht der Spediteur. Am Montag hält eine junge Frau an der Siegener Straße, ob sie hier Spenden abgeben könne – genau richtig. Babykleidung und Windeln. Genau das, was gerade dringend gebraucht wird. Christian Kolodzei strahlt.
Nachbarn, Kollegen, Bekannte helfen mit guten Ideen und packen mit an
Nachbarn meldeten sich bei ihm, erzählt er; einer ist Feuerwehrmann in Lindenberg, organisierte die Unterstützung der Löschgruppe, klapperte mit der Spendendose die Nachbarschaft ab. Ein anderer ist bei Rolling Deep aktiv, den Autotunern, die jedes Jahr abertausende Euro Spenden für den guten Zweck sammeln. Sie alle brachten weitere Kontakte und Ideen mit. Unternehmen aus dem Ort boten Grundstücke an, falls die Flächen bei der Spedition Timmerhaus zu voll werden sollten, das VW-Autohaus Walter Schneider würde Fahrzeuge zum Personentransport stellen, wenn das nötig wird. Kolodzeis Telefon steht nicht mehr still, seit die Hilfsaktion angelaufen ist. Das Netzwerk wächst jeden Tag weiter.
Gleich die erste Spenderin, die noch am Freitag nach Lindenberg kam, bestärkte das Helfer-Team darin, dass sie das Richtige tun. Die Rentnerin rief Kolodzei auf dem Handy an, sie hatte den Spenden-Aufruf bei Facebook gesehen. Sie könne nicht viel geben, sagte sie, war aber direkt einkaufen gefahren. Als die Frau in Lindenberg den Kofferraum öffnete, lag obenauf ein Kuscheltier, Aufschrift „Dein Schutzengel“. Die Helfer bedankten sich herzlich und wünschten ein schönes Wochenende. Der Frau, die ohnehin schon bedrückt gewirkt hatte, kamen die Tränen, erzählt Christian Kolodzei: „Ich habe kein schönes Wochenende, ich habe Angst um meine Familie in der Ukraine“, habe sie gesagt. Sie wisse nicht, wie sie ihre Angehörigen schützen könne, daher wolle sie wenigstens spenden. „Das war sehr ergreifend“, sagt Kolodzei. „Jetzt geben wir umso mehr Gas.“
Spenden können jeden Tag in Freudenberg-Lindenberg abgegeben werden
Die Fahrt Richtung Kriegsgebiet ist keine Selbstverständlichkeit. Aber aus der ganzen Firma mit ihren rund 100 Beschäftigten hätten sich Kollegen gemeldet, berichtet Christian Kolodzei: Sie wollen helfen, zur Ukraine fahren. „Auch die, mit denen ich nicht so gut konnte – alles beiseite. Wenn was ist, wenn sie was tun können, soll ich mich sofort bei ihnen melden, sie fahren rüber“, sagt er. Der Krieg in der Ukraine, die Hilfsbereitschaft der Menschen schweißt zusammen, alte Konflikte sind erstmal vergessen. Auch da, sagt Christian Kolodzei, habe er mit den Tränen kämpfen müssen.
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Hilfsgüter können montags bis Freitags von 7 bis 18 Uhr an der Siegener Straße 456 in 57258 Freudenberg-Lindenberg (schräg gegenüber Aral-Tankstelle) abgegeben werden. Danach und am Wochenende nach Absprache mit Christian Kolodzei: 0160/98455017. Um weitere Spenden zu sammeln, werden am Samstag, 12. Februar, zusätzlich in der Zeit von 12 bis 15 Uhr Kuchen, Waffeln und Würstchen verkauft. Aktuelle Infos auch in der öffentlichen Facebook-Gruppe „Hilfe für die Ukraine Siegen“.