Weidenau. Drei junge Menschen aus der Ukraine machen in Siegen eine Ausbildung. Mit ihren Gedanken sind sie oft bei Freunden und Familien in der Heimat.

„Ich fühle mich ungemein scheiße“, sagt Kate Mavrenko. Die Entwicklungen in ihrer Heimat, der Ukraine, mache ihr große Sorgen. Die 19-jährige Ukrainerin lebt seit November 2020 in Siegen. Zusammen mit zwei weiteren jungen Menschen aus der Ukraine absolviert Kate Mavrenko in der Pizzeria Casa’s Pizza in Weidenau eine zweijährige Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. „Und sie können noch ein drittes Jahr dranhängen, dann sind sie Fachkraft für Systemgastronomie“, erläutert Hüseyin Fidan, Inhaber des Casa’s Pizza.

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Kate Mavrenko und Marko Lienshyn kommen aus der Stadt Saporischschja, die nördlich der Halbinsel Krim gelegen ist. Dort gingen sie auf eine deutschsprachige Schule. Durch einen Stammgast erfuhr Hüseyin Fidan von den jungen Leuten. „Wie überall in Deutschland haben wir ein Nachwuchsproblem“, sagt der Geschäftsinhaber der Pizzeria. Aus diesem Grund sei er offen gewesen für die Idee, Auszubildende im Ausland zu gewinnen. Gesucht habe Fidan nach einer langfristigen Lösung: „Ich habe vor allem nach Leuten gesucht, die später als Führungskräfte arbeiten. Wenn sie fertig sind, arbeiten sie hier als Schichtleiter.“ Wofür sich seine drei Auszubildenden im Anschluss entscheiden, stehe ihnen natürlich frei, betont Fidan.

Siegen: Ausbildung in Zeiten von Corona

Nach Deutschland gekommen sind Kate Mavrenko und Marko Lienshyn mitten in der Corona-Pandemie. Viele neue Eindrücke sammeln konnten sie daher bislang nicht. „Von der Arbeit direkt nach Hause, die haben gearbeitet wie die Roboter“, sagt Hüseyin Fidan. Mit den neuerlichen Lockerungen in NRW sei nun wieder ein Stück „normales Leben“ möglich: „Endlich können sie in Clubs feiern, aber jetzt haben sie anderes im Kopf“, sagt Inhaber Fidan.

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„Auf Feiern habe ich gar keinen Bock“, bestätigt Kate Mavrenko. „Meine Familie und ich sollten zusammen sein“, sagt sie weiter. „Aber ich bin hier und die sind da.“ Daran, erklärt die 19-Jährige, werde sich auch nichts ändern. Ukrainische Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren dürfen das Land nämlich nicht verlassen: „Und meine Mutter sagt, sie will nicht ohne meinen Vater gehen.“ Über ihre Großeltern, die in Russland leben, könne sie sich wiederum nur wundern: „Die glauben immer noch nicht, dass Krieg ist. Die sagen, dass unsere Soldaten auf die Ukrainer schießen.“

Ukraine: Vater kämpft in der Armee

Auch Marko Lienshyn macht sich um seine Familie in der Ukraine große Sorgen, besonders um seinen Vater: „Er hat sich freiwillig für die Armee gemeldet.“ Der 18-Jährige telefoniert regelmäßig mit seinem Vater, doch seit wenigen Tagen können sie sich nur noch schreiben: „Es ist verboten für ihn zu telefonieren.“ Da seine Mutter in Estland arbeitet, leben seine beiden Geschwister, neun und elf Jahre alt, bei ihren Großeltern auf der Krim. Seit der Annexion, sagt Marko Lienshyn, seien die beiden offiziell russische Staatsbürger.

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Informationen darüber, was in ihrem Heimatland passiert, holen sich die beiden Auszubildenden aus dem Internet von Messengerdiensten wie Telegram oder Viber. Dort, erzählt Marko Lienshyn, habe er von einem Streubombenangriff in Charkiw erfahren: „Es gibt da ein Foto von 1945 und die haben es verglichen mit einem von heute. Das sieht ganz genauso aus.“

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Kate Mavrenko macht sich über die Zeit nach dem Krieg Gedanken: „Wenn wir zurückkommen, wird von Kiew nichts mehr übrig sein.“ Gedanken, die eine große Belastung für seine drei Auszubildenden sind, weiß Hüseyin Fidan: „Ich würde ja sagen: ‘Mach paar Tage frei’, aber es nützt ja nichts.“ Zu Hause würden sich die Gedanken immer um den Krieg drehen, sagt er. In der Bar seien die drei immer auf die Arbeit konzentriert. Kate Mavrenko bestätigt Fidan: „Wir haben wirklich ein geiles Team.“

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Unterkriegen lassen sich die beiden nicht. Besonders die große Welle der Solidarität mache Hoffnung. „Unglaublich, die ganze Welt hält jetzt zusammen“, betont Hüseyin Fidan. Kate Mavrenko weiß, dass die Menschen in der Ukraine dafür „sehr dankbar sind“. Marko Lienshyn hingegen sagt, dass der Fokus der Ukrainerinnen und Ukrainer im Moment eher darauf liege, den Krieg zu überleben. Trotzdem ist er frohen Mutes: „80 Prozent der Ukrainer sind bereit zu kämpfen.“ Auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi sind die beiden Auszubildenden ebenfalls stolz: „Er ist sehr stark. Er ist sehr groß geworden“, sagt Kate Mavrenko.

Unterstützung der Spendenaktion in Siegen

Auch wenn er nicht viel ausrichten könne, um den Krieg zu beenden, hat sich Hüseyin Fidan entschlossen, sich der Hilfe für die Ukraine anzuschließen. Zum einen habe er mit dem Team des Casa’s Pizza ein WG-Zimmer in Weidenau für zwei Personen organisiert. Zum anderen beteiligt sich die Belegschaft der Bar an der Spendenaktion von Tetyana Pankovska, die in Siegen eine Sammelstelle an der Hagener Straße organisiert.

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„Ich habe mit Tetyana gesprochen; die sind alle fertig. Ich glaube , die schlafen alle sehr wenig“, sagt Hüseyin Fidan. Außerdem könne nicht immer jemand vor Ort an der Sammelstelle sein: „Deswegen habe ich ihnen angeboten, das Casa als Zwischenlager zu benutzen.“ Auch seine ukrainischen Auszubildenden beteiligen sich an der Spendenaktion, wie Kate Mavrenko berichtet: „Der Chef hat uns Geld gegeben und wir haben Sachen für die Ukraine gekauft.“ Verbandszeug, Hygieneartikel und Gewebeband werden so bald ihren Weg in die Ukraine finden.

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