Netphen-Salchendorf. Menschen aus Netphen unterstützen mit Spenden die Ukrainerinnen und Ukrainer im Kriegsgebiet. Viele persönliche Schicksale sorgen für Gänsehaut.

Die Spenden- und Hilfsbereitschaft in Netphen-Salchendorf ist überwältigend. Rund 14.000 Euro sind bereits auf dem Konto des Salchendorfers Stefan Engel angekommen, erst Sonntag wurde mit der Spendengenerierung begonnen. Er ist Teil des Teams der Privatinitiative „Ukrainehilfe Salchendorf“, hat sein Konto kurzfristig zur Verfügung gestellt, um Spenden für Hilfsmittel beziehungsweise deren Transport zu sammeln. „Ich komme kaum noch hinterher“, sagt er. Dazu kommen Sachspenden (Medikamente, Schlafsäcke, usw.). Die sammelt unter anderem Allgemeinmediziner Dr. Harald Menker in seiner Netphener Praxis. Die Initiative für die Hilfsaktion ergriff sein Freund und Nachbar Yuriy Dulenchuk, selbst Ukrainer.

Netphen: Hilfe für Menschen im Ukraine-Krieg hat sich „so entwickelt“

„Es hat sich alles so entwickelt“, erzählt Harald Menker. Der Salchendorfer Yuriy Dulenchuk habe ein gutes Netzwerk in Deutschland und der Ukraine, organisiere Hilfslieferungen im Pendelsystem aus dem Bereich Frankfurt, Siegen, Köln und Dortmund, die am Mittwoch begannen. Sie werden bis an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, dort umgeladen und anschließend in die Ukraine gebracht.

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„Da dachte ich: Ich rufe auch mein Netzwerk auf und gucke, was sich bewegen lässt“, sagt Harald Menker. „Damit habe ich eine Lawine losgetreten.“ Rund 3000 Euro konnte der Allgemeinmediziner bereits in seiner Praxis für die Ukrainerinnen und Ukrainer sammeln, die er unter anderem in Lebensmittel und Verbandsmaterial für sie investierte. Hinzu kommen zahlreiche Sachspenden.

Spenden aus Netphen: „Alle und jeder“ spenden für Menschen in der Ukraine

Trotz der mehr oder weniger spontanen Aktion ist in Salchendorf alles gut organisiert: Auf einer Liste steht genau, was die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen. Darunter sind Medikamente, technische Ausrüstung und anderes, aber auch militärische Ausrüstung und Kampfkleidung wie Helme und Tarnnetze. Eine der dort genannten „Spendenauflaufstellen“ ist das Zuhause der Familie Dulenchuk. Gebraucht werden außerdem Schlafsäcke, Isomatten, aber auch Powerbanks und Nachtsichtgeräte sowie Wärmebildkameras.

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Die Welle der Hilfsbereitschaft sei bisher „unglaublich“, unterstreicht Harald Menker. So habe eine Patientin das Verbandszeug ihres verstorbenen Mannes gespendet, erzählt Harald Menker. „Es gab auch ein Medikamentenpäckchen, das mit einer zittrigen alten Handschrift beschriftet war. Da stand genau drauf, wofür die Medikamente einzunehmen sind“, so der 58-Jährige. Das bereite einem Gänsehaut. Ein Ehepaar kaufte einen vollen Karton mit KFZ-Verbandskästen. „Alle und jeder“ würden spenden, so Harald Menker.

Die Menschen aus Netphen-Salchendorf haben zahlreiche Kartons zusammengetragen, die mit einem Transporter erst an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht werden, dann weiter in die Ukraine. 
Die Menschen aus Netphen-Salchendorf haben zahlreiche Kartons zusammengetragen, die mit einem Transporter erst an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht werden, dann weiter in die Ukraine.  © Privat | Privat

Ukraine-Krieg: Mediziner aus Netphen konzentriert sich auf medizinische Hilfsgüter

Er hat sich als Mediziner mit einigen anderen Ärzten aus der Region auf medizinische Hilfsgüter spezialisiert, weil er diese sichten, prüfen und sortieren kann. Auch Verbandsstoffe, Verbandskästen und funktionstüchtige Orthesen könnten gerne in seiner Praxis abgegeben werden. Kartons sind für den Transport hilfreich.

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„Auch Geldspenden kommen an, da wir damit zum Einkaufspreis beim Großhändler und den Apotheken günstig einkaufen können und so mehr in die Ukraine schicken können“, betont Menker. Weiterhin hätten die Apotheken in Deuz und Netphen selbstlos gespendet. „Die Martini-Apotheke hat ihre Antibiotika-Bestände leergeräumt“, sagt Harald Menker – und natürlich für den normalen Bedarf wieder nachbestellt.

Hilfe für Ukraine aus Netphen: „Am Eiersberg kam ständig was an“

Ein Lieferwagen und ein Kombi machten sich am Mittwoch, proppenvoll mit Hilfsmitteln, in Richtung Ukraine auf. „Um halb 7 sind sie losgefahren“, sagt Harald Menker. Die Fahrer der Hilfsgüter-Transporte aus Salchendorf seien Ukrainer. Aber auch viele andere Freiwillige hätten sich gemeldet und ihre Hilfe bei den Transporten angeboten.

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Das Einpacken in die Wagen sei turbulent gewesen. „Am Eiersberg kam ständig was an“, sagt Harald Menker (siehe Infobox). All die Sachspenden mussten sortiert und in die Wagen gepackt werden, soweit denn alles passte.

Ukrainer in Netphen: „Sie fahren nun direkt ins Kriegsgebiet“

„Ein Ukrainer, Anfang 30, ist mitgefahren, um dort zu kämpfen“, erzählt Harald Menker. Ein ukrainisches Pärchen habe in Salchendorf übernachtet, erzählt Harald Menker. „Sie fahren nun direkt ins Kriegsgebiet, dort lebt ihre erwachsene Tochter.“ Sie begleiten den Transport der Hilfsgüter in die Ukraine, bleiben anschließend dort. „Wir haben mit ihnen noch ukrainische Rote-Beete-Suppe gegessen“, berichtet Harald Menker.

Die Sammelstellen und Kontaktdaten

Die Sammelstellen der Praxen: Praxis Dr. Menker, Neumarkt 14 in Netphen; Praxis Dr. Tremmel, Hilchenbacher Straße 82 in Herzhausen; Praxis Drs. Becher und Klock, Sohlbacher Straße 32 in Siegen; Praxis Drs. Mansfeld und Nies, Häusling 22 in Siegen; Praxis Drs. Arzt und Hickmann, In der Herrenwiese 14 in Hilchenbach.

Weiter Informationen zu der Privatinitiative „Ukrainehilfe Salchendorf“ gibt es im Netz unter www.ukrainehilfe-salchendorf.de oder per E-Mail an spende@ukrainehilfe-salchendorf.de. Bankverbindung: Stefan Engel, Comdirect Bank, DE06 2004 1133 0733 6183 00. Stichwort: UKRAINE. Spendenbescheinigungen können nicht erstellt werden.

Eine weitere Möglichkeit, Sachspenden abzugeben, gibt es Am Eiersberg 19 bei Familie Dulenschuk (0151/74 77 70 07) oder Am Eiersberg 24 bei Stefan Engel.

Schnell sei man „persönlich in der Geschichte drin“. Niemand weiß, wie viele Opfer der Krieg noch fordern wird. „Was da passieren kann“, sagt Harald Menker und spricht im gleichen Atemzug von möglichen Flächenbombardements und „heftigem Krieg“. „Das wird uns noch lange beschäftigen.“

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Viele seiner Patientinnen und Patienten hätten den zweiten Weltkrieg miterlebt, erzählt Harald Menker. Bei ihnen kämen durch die aktuellen Ereignisse Erinnerungen an diese Zeit hoch. Wenn sie davon erzählen würden, sei „man sofort mit drin“. Nun nicht in der Ukraine zu helfen, ist für den Arzt keine Option. „Helfen ist mein Beruf und ich weiß, dass die Menschen in einer großen Notlage sind.“ Hinzu komme, dass Yuriy Dulenchuk ein Freund von ihm sei, betont Harald Menker. „Das verpflichtet mich, mitzuhelfen.“ Es sei zudem einfach „ein gutes Gefühl“.

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Das Leid der Menschen ist für ihn, wie für viele Europäerinnen und Europäer, trotz der Entfernung unfassbar nahe. Umso wichtiger ist ihm die Unterstützung. Und es geht nicht nur Harald Menker so. „Von allen Seiten kommt Hilfe“, sagt der Salchendorfer. Dieser Ansturm habe ihn „völlig umgehauen“, gehe allen sehr nah. „Die Ukrainer sind so dankbar“, unterstreicht Stefan Engel. Egal, wie lange dieser Krieg dauert, die Hilfsbereitschaft dürfe nicht abreißen. Harald Menker hofft auf viele weitere Transporter mit Unterstützungspaketen.

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