Siegen-Wittgenstein/Olpe. Fehlendes Material, steigende Preise, gestörte Lieferketten, Corona: Wirtschaft in Siegen-Wittgenstein/Olpe fährt auf Sicht. Auch positive Trends
Rohstoff- und Energiepreise, Materialmangel, Chipkrise, Corona: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen sieht derzeit eine konjunkturelle Seitwärtsbewegung in der Wirtschaft. „Die Lage ist passabel, aber leider nicht stabil“, kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage vom Januar. Einzelhandel und Gastgewerbe, ohnehin bereits gebeutelt, seien durchs verschärfte Pandemiegeschehen zusätzlich belastet. Hensel: „Corona wirkt gerade dort wie ein mächtiger Bremsklotz. Und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht.“
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558 Unternehmen mit mehr als 41.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten sich an der Umfrage. Der Konjunkturklimaindex ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung erreicht abermals einen guten Wert von 120 Punkten, liegt damit weiter deutlich über dem Mittelwert der vergangenen 20 Jahre (105).
Das Gastgewerbe in Siegen-Wittgenstein verliert laut IHK den Glauben an Trendwende
44 Prozent der Unternehmen berichten von einer guten, 13 % von einer schlechten Lage. So gut wie seit drei Jahren nicht mehr. Das sei erfreulich, der positive Trend gelte insbesondere im Großhandel und in der Industrie. „Aber wo Licht ist, ist leider auch Schatten: Das Gastgewerbe verliert den Glauben an eine Trendwende, aber auch der Einzelhandel und etliche konsumnahe Dienstleister berichten von teils deutlich schlechteren Geschäften“, sagt Felix G. Hensel.
Die Erwartungen der Unternehmen die kommenden Monate hätten sich etwas eingetrübt, blieben aber positiv. 26 % rechnen künftig mit besseren Geschäften, 16 % mit schlechteren. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener erinnert, dass eine gute Auftragslage gestört werden kann durch fehlendes Material, steigende Preise und gestörte Lieferketten: „Je länger die Durchlaufzeiten der Produkte, desto größer sind die Risiken, böse Überraschungen zu erleben.“ Die meisten Unternehmen würden daher auf Sicht fahren; nur 11 % von ihnen gehen von einer Verbesserung bei der Versorgung mit relevanten Rohstoffen und Waren in den nächsten sechs Monaten aus. Jedes vierte Unternehmen rechnet erst 2023 mit einer Entspannung.
A 45: Sperrung der Rahmede-Talbrücke wirkt sich in Siegen-Wittgenstein negativ aus
Die Vollsperrung der A 45 bei Lüdenscheid schlage zusätzlich ins Kontor der heimischen Wirtschaft; zwei Drittel spürten negative Auswirkungen der maroden Rahmede-Talbrücke: Gestiegene Transportkosten, höherer Planungsaufwand, längere Anfahrtszeiten der Beschäftigten, sinkende Arbeitgeberattraktivität, steigende Kosten, schwierigere Logistik, zählt Klaus Gräbener auf. „Wir beginnen langsam zu erahnen, wie nachhaltig die kleinen Risse im Brückenbeton die bisherigen Standortvorteile Südwestfalens untergraben.“
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Der positive Trend bei der Beschäftigungsprognose hält weiter an. 24 % planen demnach eine Personalaufstockung, 8 % einen Abbau. Vor allem Industrie, Großhandel und Baugewerbe wollen die Beschäftigtenzahl erhöhen. Einerseits ein positives Signal, findet die IHK, indes gebe es ungebrochen Probleme, offene Stellen auch zu besetzen. 60 % der Unternehmen meldeten derzeit Engpässe, berichtet IHK-Präsident Hensel. Acht von zehn Unternehmen gingen von einer Verschärfung des Fachkräftemangels in den kommenden Jahren aus. „Die Sorge ist groß, dass sich der Fachkräftemangel von einer gravierenden Herausforderung zu einem regelrechten Wachstumshemmnis entwickelt.“
IHK Siegen: Automobilindustrie schwächelt, Maschinen- und Anlagenbauer hochzufrieden
In großen Teilen der Industrie überwögen weiterhin die positiven Meldungen: 48 % der Firmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als gut, 12 % als schlecht. 31 % blicken optimistisch in die Zukunft, 15 % sind pessimistisch. Nur 9 % der Betriebe melden einen niedrigen Auftragsbestand – im Herbst war es noch ein Viertel. Der Auslastungsgrad steige ebenfalls, die Auftragseingänge für In- und Ausland zögen wieder an. Nach Einschätzung Klaus Gräbeners dürfe das nicht in Sicherheit wiegen, denn drei Viertel der Industriebetriebe meldeten Ertragseinbußen aufgrund der angespannten Versorgungslage. „Dies schmälert den Handlungsspielraum für Investitionen. Die Stimmung ist zwar zuversichtlicher als es die Virus-Lage befürchten ließ. Zum Jubeln besteht allerdings kein Anlass.“
Während in Teilen der Automobilzulieferindustrie die Lage weiterhin angespannt bleibt, stellt sie sich im heimischen Maschinen- und Anlagenbau besonders erfreulich dar. Dort bewerten 82 % der Firmen ihre Geschäftslage als gut. Das ist der höchste Wert seit mehr als 15 Jahren. Die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland erreichen demnach Spitzenwerte.
Großhandel in Siegen-Wittgenstein und Olpe mit bester Lagebeurteilung in der Region
Die konjunkturelle Entwicklung der Bauwirtschaft bleibt äußerst stabil. Zwar trübt sich die Beurteilung der Geschäftslage im Vergleich zum Herbst etwas ein, dennoch geben etwa 96 % der befragten Baubetriebe eine gute oder befriedigende Einschätzung ab.
Die Stimmung im regionalen Großhandel hellt sich zu Jahresbeginn deutlich auf. 52 % der Großhändler bewerten ihre Lage als gut und nur 5 % als schlecht. Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: „Damit ist der Großhandel der Sektor mit der besten Lagebeurteilung in der Region. Insbesondere die produktionsnah operierenden Unternehmen konnten in den vergangenen Monaten ihre Umsätze erhöhen. Im konsumnahen Großhandel ist die Situation hingegen verhaltener.“
Die Stimmungslage in der regionalen Dienstleistungsbranche ist gedämpft. Zwar steigt die Lageeinschätzung um sieben Punkte im Vergleich zum Herbst, allerdings ist der Blick auf die kommenden Monate deutlich pessimistischer. Vor allem das Verkehrsgewerbe senkt aufgrund hoher Kraftstoffpreise und chronischen Fahrermangels die Erwartungen.
IHK Siegen: 2G im Handel, 2Gplus in Gastronomie sind faktischer Lockdown
Die Omikron-Variante und die strengen Corona-Maßnahmen trafen seit Dezember den Einzelhandel und das Gastgewerbe erneut in der umsatzstärksten Phase des Jahres massiv. Die Lageeinschätzung stürzt im Einzelhandel um 32 Punkte und im Gastgewerbe um 78 Punkte ab. Stephan Häger: „Die 2G-Regelung für einen Großteil der Einzelhändler und die 2G-Plus-Regelung für die Gastronomie wirkt, gepaart mit der Verunsicherung der Verbraucher, faktisch wie ein Lockdown. Mit ,besorgniserregend‘ ist die derzeitige Situation noch zurückhaltend umschrieben. Die Finanzlage hat sich im Vergleich zum Herbst nochmals merklich verschlechtert. Für zahlreiche Betriebe geht es ums nackte Überleben.“
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Im Einzelhandel beurteilt nur noch etwa die Hälfte der Unternehmen ihre Finanzlage als unproblematisch. Im Gastgewerbe ist es sogar nur ein Drittel. Während die Stimmung im Gastgewerbe einheitlich düster ist, ist sie im Einzelhandel weiterhin gespalten. Immerhin 25 % der Einzelhändler bewerten ihre derzeitige Lage als gut. Insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel und der Einzelhandel mit Möbeln und Küchen sowie mit Bau- und Heimwerkerbedarf melden gute Geschäfte.