Siegen-Wittgenstein. Heimische Händler sehen sich zum Teil von den Herstellern abgehängt – oder abhängig. Für die Problemlösung hilfreich könnten Netzwerke sein.

„Es ist eine dramatische Situation, keine Frage“, sagt Martin Achatzi, Fotohändler aus Bad Laasphe „Aber es ist ein Segen, dass die Medien über das Thema Lieferengpässe im Einzelhandel ausführlich berichten. Aufgrund dessen haben die Kunden das Problem erkannt.“ Er selbst habe noch Ware aus dem Mai 2020 offen, berichtete Achatzi jetzt im Einzelhandelsausschuss der IHK Siegen. Sicherheitshalber habe er seinen Lagerbestand schon vor Monaten auf das Dreifache des Üblichen aufgestockt. Das Problem für viele „kleine“ Einzelhändler: „Die Hersteller verkaufen mehr und mehr selbst.“ Entsprechend bleibe zunehmend weniger für die Händler.

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Karsten Wolter, Apotheker aus Bad Berleburg: „Wir befinden uns in Abhängigkeiten von asiatischen Ländern, die geopolitisch eine Rolle spielen könnten.“
Karsten Wolter, Apotheker aus Bad Berleburg: „Wir befinden uns in Abhängigkeiten von asiatischen Ländern, die geopolitisch eine Rolle spielen könnten.“ © Unbekannt | WP

„Alles, was aus Asien kommt, ist eine Katastrophe.“ So formuliert es Bernd Petzolt von Optik - Uhren - Schmuck „Staehler 1888“, in der Bad Laaspher Königstraße. Während es auch in der Bekleidungs- und Schmuckbranche enger wird, zeigte Karsten Wolter ein Problem auf, von dem jeder Mensch betroffen sein kann: „Es gibt in Europa kaum noch Hersteller von Antibiotika. Die Wirkstoffhersteller sitzen in China, die Produktion befindet sich in Indien.“ Wenn die Medikamente im doppelten Wortsinn auf der Strecke blieben, gebe es ein richtiges Problem. „Wir befinden uns in Abhängigkeiten von asiatischen Ländern, die geopolitisch eine Rolle spielen könnten“, erklärte der Inhaber der Kur-Apotheke in Bad Berleburg. Dabei seien „diese Lieferengpässe seit Jahren bekannt“.

Gefahr: Starke Marken stehen nicht ausreichend zur Verfügung

„Wir müssen aufpassen, dass besonders gefragte Ware bei uns vorhanden ist“, stimmte Thomas Corte zu. „Es besteht die Gefahr, dass starke Marken nicht ausreichend zur Verfügung stehende Produkte eher über den eigenen Onlineshop oder beim großen Onlinehändler abliefern als aufwendiger bei kleineren Händlern zu verteilen.“ Der Inhaber der Corte Elektro Fachmarkt GmbH (Euronics XXL Corte) in Attendorn fürchtet, dass im Dezember die Bestände knapp werden könnten – erst recht nach einem erfolgreichen „Black Friday“.

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Stichwort Logistik: „Es gibt Probleme bei Transport und Verpackung“, so dass Glas und Porzellan teils nicht mehr lieferbar seien, äußerte sich Dr. Ertan Elmaaǧaçli von der Firma ELIH in Geisweid. Auch Lidl könne zwar „noch vieles ausgleichen, aber im Weihnachtsgeschäft wird uns was fehlen“, sagte Immobilienleiter Joachim Jung. Auch er schob dies auf „ein gestörtes Logistiksystem“, in dem „zu viele leere Container weltweit ungenutzt herumstehen“.

Vielfältiger Einzelhandel, individuelle Probleme

Etwas Würze in die Diskussion brachte Thiemo Brinkmann. Der Inhaber der Siegener Knolli GmbH steckt mitten in den Vorbereitungen für das Weihnachtsgeschäft in seinen Knolli-Filialen. Die Kartoffeln wurden bereits geliefert – nun drohte ihm das Geschäft wegzubrechen, da Kartoffelgewürze nicht vor Februar 2022 lieferbar seien. Er hat sich beholfen, indem er über Warenaustauschbörsen mit Glück Ersatz besorgen konnte. „Sonst wäre das Weihnachtsgeschäft ohne uns gelaufen.“

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„So vielfältig der Einzelhandel, so individuell sind die Probleme“, schloss Ausschussvorsitzender Wolfgang Keller, Inhaber von Toyota Keller mit Hauptsitz Siegen. „Die gibt es jedoch derzeit in Hülle in Fülle.“ Um diese zu lösen, sei es hilfreich, sich zu vernetzen – „auch über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus“.