Siegen. Die Zahl der Ausbildungsverträge im Bezirk der IHK Siegen ging im Jahr 2021 leicht nach oben. Die Lage bereitet der Kammer aber trotzdem Sorgen.

Von einer „durchwachsenen Jahresbilanz bei den Lehrstellen“ spricht die Industrie- und Handelskammer Siegen mit Blick auf 2021. Die Unternehmen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe hätten zwar insgesamt 1934 Ausbildungsverträge abgeschlossen – und damit 113 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Zuwachs von 6,2 Prozent könne jedoch die erheblichen Rückgänge des vergangenen Jahres nicht ausgleichen.

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„Unser Problem besteht vor allem in einer zu verhaltenen Nachfrage nach Lehrstellen“, deutet IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim das Geschehen. „In den letzten beiden Jahren haben sich deutlich weniger junge Menschen für den Abschluss eines Ausbildungsvertrages entschieden als früher. Die Anzahl der angebotenen Stellen sank ebenfalls, jedoch nicht in demselben Maß.“

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Bis in den Dezember hinein schlossen die Unternehmen noch Lehrverträge für das laufende Ausbildungsjahr. Dies geschah durchaus auch mit Jugendlichen, die nur teilweise die erforderlichen Voraussetzungen für die Ausbildung mitbrachten, wie die IHK mitteilt. „Viele Ausbildungsbetriebe sind zu Zugeständnissen bereit und nehmen erheblichen Zusatzaufwand in Kauf, um für den Fachkräftenachwuchs zu sorgen. Kein junger Mensch darf verloren gehen, aber möglichst auch kein freier Ausbildungsplatz“, betont Sabine Bechheim. „Sonst riskieren wir, dass der wirtschaftliche Aufschwung durch den Fachkräftemangel zusätzlich gebremst wird.“

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In der Corona-Krise habe sich gezeigt, „dass die Festlegung auf einen Berufsweg von vielen vertagt wird“, wie es weiter heißt: Die Schülerinnen und Schüler entschieden sich eher dafür, die Schulzeit mit dem Ziel Abitur oder aber für ein Studium zu verlängern, statt eine betriebliche Ausbildung zu absolvieren. „Bei all den Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft – Lockdowns und 3G/2G-Chaos in Einzelhandel und Gastronomie, Lieferkettenprobleme in der Industrie, Kurzarbeit in vielen Branchen“, so die IHK, erscheine den Jugendlichen und ihren Eltern dies offenbar als der sicherere Weg.

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Im Ergebnis habe dies „die Zugänge zur betrieblichen Praxis erschwert oder unterbrochen, zumal die Berufsorientierung auch im vergangenen Schuljahr einen schweren Stand in den Schulen hatte“. Oft genug habe diese nur online stattfinden können. „Betriebe, die sich bei den Ausbildungsmessen nicht präsentieren durften oder bei den Jugendlichen nicht mit einem Praktikum punkten konnten, haben bis zuletzt ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen können“, berichtet Sabine Bechheim. „Das trifft vor allem kleinere, unbekanntere Ausbildungsunternehmen.“

Neue Verhältnisse

Den Lehrstellenmarkt in Deutschland prägt sei einigen Jahren eine Umkehr der früheren Verhältnisse: Inzwischen gibt es mehr Stellen als Bewerberinnen und Bewerber.

Insgesamt schlossen die IHK-zugehörigen Unternehmen im Kreis Olpe 643 Lehrverträge ab, der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr betrug 5,2 %. In Siegen-Wittgenstein stieg die Anzahl der Lehrverträge um 6,7 % auf 1291. Dabei geht die Entwicklung in den verschiedenen Berufsgruppen erheblich auseinander, wie die Kammer erläutert. In den industriellen Metall- und Elektroberufen blieb die Anzahl der Auszubildenden stabil, bei den Kaufleuten für Büromanagement hingegen stieg sie um 42 %.

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Erhebliche Unterschiede verzeichnet die IHK auch zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden. Dies sei im Altkreis Wittgenstein besonders auffällig: Die stärksten Zuwächse liegen mit Erndtebrück (+ 44 %) und Bad Berleburg (+ 34 %) dort, aber auch einer der stärksten Rückgänge mit 17 % in Bad Laasphe. Im Altkreis Siegen sind nur in Burbach (- 7 %) und in Netphen (- 2 %) leichte Rückgänge zu verzeichnen, der stärkste Anstieg der abgeschlossenen Verträge vollzog sich in Wilnsdorf (+ 14 %) und Kreuztal (+ 12 %).

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Sorgen bereitet der IHK nach eigenem Bekunden, „dass sich dauerhaft schwache Eintragungszahlen mittelfristig auf die ortsnahe Beschulung in den Berufskollegs auswirken könnten“. Sabine Bechheim: „Je weniger Vertragsschlüsse, desto schwieriger wird es, eine ortsnahe Beschulung sicherzustellen. Weitere Wege wiederum ziehen fast immer noch weniger Bewerbungen nach sich.“ Deshalb sei es „umso wichtiger, dass der Unterricht für kleinere Klassen flexibler gehandhabt und durch ausreichend Lehrkräfte ermöglicht wird“.

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