Siegen. Auf dem Parkhaus Heeserstraße in Siegen soll ein neuer Taubenschlag entstehen. Die Tiere brauchen Unterschlupfe – und stellen gewisse Ansprüche.

Auf dem obersten Deck des Parkhauses Heeserstraße soll ein neuer Taubenschlag entstehen. Außerdem wird die Stadt künftig 10.000 (statt bisher 3000) Euro pro Jahr für die Umsetzung des Taubenkonzepts bereitstellen. Der Umweltausschuss gab dazu geschlossen sein Okay. Dass es mit den Vögeln Schwierigkeiten gibt, ist nämlich nicht primär den Tieren anzulasten, wie in der Sitzung deutlich wurde.

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Es gehe um ein „tierschutzrelevantes Problem“, betonte Claudia Rommel von der Taubenhilfe Siegen. Der Verein kümmert sich seit Jahren gemeinsam mit dem Tierschutzverein Siegen ehrenamtlich um die Taubenschläge. „Tauben sind doch Schmarotzer und Luftratten“ zitierte Claudia Rommel Vorurteile, mit denen sie angesichts des Engagements konfrontiert sei. Diese ablehnende Haltung sei unangemessen, wie die Expertin erläuterte. Die heutigen Stadttauben seien ehemalige Haustauben, als solche eigentlich Haustiere – und „damit haben wir eine Fürsorgepflicht ihnen gegenüber“.

Siegen: Tauben sollen Lebensraum finden – aber sich nicht unkontrolliert vermehren

Probleme entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg: Vorher sei Taubenhaltung auf Dachböden noch üblich gewesen, doch danach entfielen diese Domizile. Die Tauben blieben aber und mussten ergo woanders hin. Eine Argumentation in der Art, dass die Vögel doch gefälligst andere Lebensräume als die Innenstädte bevölkern sollen, greife folglich nicht. „Die kommen nicht aus dem Wald. Daher können sie auch nicht in den Wald zurück“, brachte es Claudia Rommel auf den Punkt. Sie sollen sich allerdings auch nicht unkontrolliert vermehren. Ein erklärtes Ziel des Taubenkonzepts ist es daher, die Population dadurch im Zaum zu halten, dass Eier gegen Kunststoffattrappen ausgetauscht werden. Das klappt nur dann effektiv, wenn es zentrale Orte gibt, wo die Tiere in großer Zahl brüten.

Stadttauben sind die Nachkommen von domestizierten Vögeln. In der Stadt – hier auf einem Geländer neben der Apollobrücke – fühlen sie sich entsprechend wohl: Es ist sozusagen ihr natürlicher Lebensraum.
Stadttauben sind die Nachkommen von domestizierten Vögeln. In der Stadt – hier auf einem Geländer neben der Apollobrücke – fühlen sie sich entsprechend wohl: Es ist sozusagen ihr natürlicher Lebensraum. © WP | Florian Adam (Archiv)

Anspruchslos in Bezug auf ihre Bleibe sind die Tiere nicht gerade. Die alte Makler-Weisheit „Was zählt ist ,Lage, Lage, Lage’“ gilt tatsächlich auch für Tauben. Von den vier Schlägen, die es in Siegen gibt, sind drei bei der Zielgruppe durchgefallen, wie Taubenhilfe und Verwaltung berichten:

Der Container an der Morleystraße, im Februar 2014 ebenerdig in Betrieb gegangen, wurde zunächst gut angenommen. Dort konnten 700 Eier ausgetauscht werden. Da der Standort inzwischen aber auch bei Raubtieren wie Mardern und Greifvögeln beliebt ist und die Tauben ihn nur noch zum Fressen nutzen, muss er verlagert werden.

Der Container auf einer Grünfläche an der Oberen Kaiserstraße in Geisweid und der Schlag nahe der Kläranlage Weidenaufunktionierten beide nicht. In Geisweid wurde die Fütterung inzwischen eingestellt – auch, um keine Ratten zu verköstigen; und die Dependance in Weidenau ist schon länger aufgegeben.

Siegen: Taubenschlag in der Sandstraße ist chronisch überfüllt

Als Volltreffer hingegen erwies sich der Taubenschlag im Dachgeschoss des Gebäudes Sandstraße 38: Tauben nisten einerseits gerne in einer gewissen Höhe und andererseits gerne in der Nähe ihrer Lieblingsorte, wie Claudie Rommel erläuterte. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, verbringen die Tiere mehr als 80 Prozent des Tages im Schlag. Während dieser Zeit sind sie folglich weder im Stadtbild zu sehen, noch hinterlassen sie ihren Kot im öffentlichen Raum – seien es Straßen, Plätze, Gebäudefassaden oder Außengastro-Mobiliar.

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Aus der Einrichtung in der Sandstraße konnten bisher rund 3000 Eier entfernt werden. Weil dieser Standort aber so attraktiv ist, ist er auch völlig überfüllt: Die Tiere geraten deshalb unter Stress, werden anfälliger für Krankheiten, halten sich weniger dort auf und verlagern ihre Brutaktivitäten. Der Bereich unter der Siegbrücke an der Bahnhofstraße wurde so beispielsweise ein Hotspot, bis Aufenthalts- und Nistplätze dort beseitigt wurden – „als Vergrämungsmaßname“, wie es in der Vorlage heißt.

Siegen: Taubenschlag auf dem Parkhaus Heeserstraße soll Bedürfnisse der Tiere erfüllen

Ein weiterer Schlag auf dem Parkhaus Heeserstraße, so die Hoffnung, dürfte Abhilfe schaffen, weil die Tauben damit ein zweites anziehendes Angebot in der Unterstadt bekommen. Die Verwaltung soll laut Beschluss des Umweltausschusses gemeinsam mit der für das Objekt zuständigen Kommunalen Entwicklungsgesellschaft (KEG) Siegen, dem Tierschutzverein und der Taubenhilfe die Voraussetzungen schaffen, damit dort ein entsprechendes Domizil angelegt werden kann. Dafür reichen zwei Stellflächen aus. „Über die Errichtung weiterer Taubenschläge in der Innenstadt wäre dann zu entscheiden, wenn Erfahrungen mit dem Standort Heeserstraße vorliegen und eine ehrenamtliche Betreuung weiterer Einrichtungen sichergestellt werden kann“, ist dazu in der Vorlage vermerkt.

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Die Erhöhung des städtischen Zuschusses von 3000 auf 10.000 Euro jährlich soll den Betrieb der Taubenschläge – Unterhaltung, artgerechtes Futter, Eierattrappen, medizinische Versorgung – stärker als bisher unterstützen. Die faktischen Kosten belaufen sich nach Angaben der Verwaltung auf circa 15.000 Euro und werden von den beteiligten Vereinen über Spenden finanziert – zusätzlich zu deren ehrenamtlichem Einsatz. Der Umweltausschuss stimmte außerdem geschlossen dafür, der Taubenhilfe einmalig 1000 Euro Zuschuss für die Betreuung und Unterhaltung einer Pflegestation für kranke und verletzte Tauben in Siegen zu zahlen (siehe Infobox).

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