Siegen. . Warum sollten sich die Tauben an der Bäckerei Sandstraße/Ecke Kunstweg vom nahen Taubenschlag anfüttern lassen? Die Vögel schwelgen im Luxus.

Warum sollten sich die Tauben an der Bäckerei Sandstraße/Ecke Kunstweg vom nahen Taubenschlag anfüttern lassen? Die Vögel schwelgen im Luxus.

„Sie kommen in den Laden und lassen sich nicht vertreiben, die haben sich so an Menschen gewöhnt, dass sie sich auf der Hand nach draußen tragen lassen“, sagen die Mitarbeiterinnen. „Das sind immer die gleichen, man kennt sich ja“, sagt eine Frau und grinst. Ein Problem ist, dass Kunden die Tiere füttern, trotz Verbot. Gerade die Bäckerei ist ein Extremfall, mit einer regelmäßigen Futterstelle sind die Vögel nicht zu ködern. Ansonsten greift das Taubenkonzept der Stadt Siegen und des Tierschutzvereins aber erstaunlich gut. Ein paar Meter weiter die Sandstraße hoch muss Angelika Wurmbach den Bürgersteig vorm Teeladen regelmäßig fegen. „Mal mehr, mal weniger“, sagt die Verkäuferin, „nach ein paar Tagen sammelt sich schon etwas an.“ Federn vor allem, Kot weniger. „Ich habe nichts gegen die Tiere, Tauben gehören zum Stadtbild“, sagt sie. Aber wenn es klappt, die Population etwas zu reduzieren, hätten die Geschäftsleute nichts dagegen.

Der Tierschutzverein steht kurz vor Inbetriebnahme des zweiten Taubenschlags an der Morleystraße, unter dem HTS-Zubringer. „Im Lauf der nächsten zwei Wochen können die Tiere den Container anfliegen“, sagt Horst Reimann, Vorsitzender des Tierschutzvereins. Angefüttert sind die Tauben bereits, zwischen 100 und 150 Vögel sind regelmäßig hinter der City-Galerie.

Taubenschläge bieten den Tieren regelmäßiges und vor allem artgerechtes Futter, gleichzeitig werden sie aus der Innenstadt geholt und die Population kann tierschutzgemäß reguliert werden.

Mitarbeiter entfernen die Eier

Dazu entfernen die Mitarbeiter die Eier und geben den brütenden Tauben Imitate. „2011 haben wir rund 700 Tauben in der Innenstadt gezählt, diese Zahl zu drücken dauert Jahre“, weiß Reimann. Ideal für eine Stadt wie Siegen wären etwa 300 Tiere. Die Zahl soll nicht weiter anwachsen, dann kontinuierlich gesenkt und schließlich auf niedrigem Level gehalten werden.

Nach Fertigstellung des zweiten Taubenschlags wird der Tierschutzverein weiter an der Beschlusslage des Umweltausschusses arbeiten, nämlich im Stadtgebiet drei weitere, insgesamt also fünf Taubenschläge einzurichten. „Für den Zentrumsbereich einer in der Oberstadt sowie je einer in Weidenau und Geisweid“, sagt Reimann. In Geisweid etwa sind es zwar nur 30 bis 40 Vögel, allerdings können ohne die Betreuung des Tierschutzvereins daraus in fünf Jahren 150 Exemplare werden.

Kaum Flächen verfügbar

Meist scheitert ein neuer Taubenschlag weniger an der Finanzierung als am Standort. Kaum jemand sei bereit, eine Fläche abzugeben, denn die Abneigung gegen die fälschlicherweise oft als „Ratten der Lüfte“ titulierten Vögel ist immer noch weit verbreitet. „Ob sie eine Katze streicheln oder eine Taube auf der Hand haben, das gesundheitliche Risiko ist absolut gleich“, weiß Tierschützer Reimann.

Auch die Aggressivität des Taubenkots sei eine nicht haltbare, gleichwohl weit verbreitete These: „Natürlich ist das nicht schön! Wer in Tierkot tritt, ist nie begeistert, aber es besteht keine Gefahr, dass die chemische Zusammensetzung von Taubenmist Fußböden oder Fassaden zerfrisst.“

Dabei hat das Image der Taube durchaus einen Wandel erfahren: Bei einer Befragung des Arbeitskreises für Tierschutz aus Ratspolitikern und Verwaltungsmitarbeitern kam heraus, dass die Tauben an sich und auch das Siegener Konzept durchaus Akzeptanz finden. Und auch der Taubenschlag an der Sandstraße funktioniert so, wie er soll, gerade im Hinblick auf die Hinterlassenschaften der fliegenden Straßenbewohner: Bis zu 25 Liter Taubenkot entsorgt der Tierschutzverein pro Woche. Der liegt schon mal nicht mehr auf den Straßen herum.