Siegen. Verein Deutsche Sprache lädt Birgit Kelle nach Siegen ein. Anglizismen wollen sie sie inzwischen tolerieren, geschlechtergerechte Sprache nicht.

Anfang 2014 kam es in der Siegerlandhalle zu einem Streitgespräch zwischen zwei sehr unterschiedlichen CDU-Frauen. Zana Ramadani, gebürtige Wilnsdorferin mit albanischen Wurzeln und seinerzeit Femen-Aktivistin, traf auf die deutlich konservativere Birgit Kelle, die gern ihre Herkunft im sozialistischen Rumänien hervorholt, wenn sie über Unfreiheit und besonderes Gespür für entsprechende Gefahren spricht. Jetzt ist Kelle wieder in Siegen – ohne Kontrahentin.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Gut zwei Stunden doziert und diskutiert sie vor und mit den gut 20 Anwesenden. Wobei sich alle die ganze Zeit völlig einig sind. „Gender Mainstreaming. Eine irre Ideologie und ihre Hintergründe“, ist der offizielle Titel von Kelles Vortrag, der Anlass ist ihr aktuelles Buch „Noch normal? Das lässt sich gendern“. Eingeladen hat die regionale Vertretung des „Verein Deutsche Sprache“, kurz VDS. Birgit Kelle und die heimische Vorsitzende Regine Stephan kennen sich schon seit Jahren aus Dortmund. Seit sie den Vereinsvorsitz übernommen habe, sei sie bemüht gewesen, Kelle nach Siegen zu holen, sagt Stephan erfreut über den Erfolg nach zwei Jahren. Regine Stephan ist auch als AfD-Politikerin im Kreisgebiet aktiv.

Im Verein Deutsche Sprache in Siegen sind viele AfD-Mitglieder aktiv

Sie ist nicht die einzige Vertreterin der Partei an diesem Tag im Raum, wie überhaupt der Verein grundsätzlich eher konservativ aufgestellt und inzwischen von AfD-Vertreterinnen und -Vertretern dominiert ist. Wobei auffällt und sogar ausdrücklich betont wird, dass der Kampf gegen das Gendern die frühere Fokussierung des VDS auf die Anglisierung der deutschen Sprache abgelöst hat. Birgit Kelle nutzt immer wieder mal englische Begriffe, Regine Stephan wirft ein, da sei mehr Toleranz vorhanden inzwischen.

+++Auch interessant: BIPoC Society Siegen: Gegen Rassismus im Uni-Alltag+++

Birgit Kelle wettert gegen die „Kunstsprache“ des Genderns, die nichts im Deutschen verloren habe und daneben ohnehin nur die Spitze des Eisbergs einer ganzen „Ideologie“ sei mit dem Ziel, die Menschen in die Unfreiheit zu treiben. Wer das tun wolle, wird allerdings nicht ersichtlich. Selbstverständlich verändere sich Sprache immer wieder, sei ein Wort wie „googeln“ durch steten Gebrauch Teil des Wortschatzes geworden. „Das muss uns nicht gefallen“, sagt Kelle. Es sei aber von den Menschen entschieden worden. Was etwas völlig anderes sei, als der Zwang von oben, gewisse Worte zu nutzen oder sie zu verbieten. Wobei auch Wörter wie „Studierende“ inzwischen durch steten Gebrauch zunehmend Eingang in die Alltagssprache finden.

Birgit Kelle sieht sich selbst als „Vertreterin des Mainstream“

Was einst noch auf die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gezielt habe, reiche inzwischen weit darüber hinaus, konzentriere sich auf die Geschlechter unabhängig von der Sexualität, gehe statt von wissenschaftlichen Fakten von den Gefühlen der Menschen aus, behauptet die Autorin. Niemand müsse mehr objektiv benachteiligt oder belästigt werden, es reiche schon, dass jemand das tatsächlich oder vermeintlich empfinde, um andere zu stigmatisieren.

Birgit Kelle selbst sieht sich „als Vertreterin des Mainstream“, der leider viel zu still sei, sich nicht den Vorstößen radikaler Minderheiten beugen dürfe, die versuchten, natürliche Unterschiede zwischen Mann und Frau zu negieren. Vater und Mutter seien nicht nur Rollen, hätten eine echte Bedeutung. Eine Mutter sei mehr als eine gebärende Person, die weiblich gelesen werde.

Nicht verwunderlich, dass Birgit Kelle an der „MeToo“-Debatte kein gutes Haar lässt und auch mit den aktuellen Rassismus-Vorwürfen nichts anfangen kann. „Ich weiß, dass ich gern zu den alten weißen Männern gezählt werde“, grinst sie.

Birgit Kelle behauptet in Siegen: Transsexualität sei oft nur eine Phase

In dieser Logik behauptet Kelle als selbst nicht Betroffene, dass Transidentität oft nur eine Phase sei. Das führe dann dazu, dass Mädchen, die sich aus Unwissenheit plötzlich unwohl in ihren pubertierenden Mädchenkörpern fühlten, schon ab zwölf Jahren Pubertätsblocker bekämen – „das haben wir doch alle durchgemacht“, urteilt sie aus ihrer Perspektive über ihr vollkommen unbekannte Menschen. Und behauptet: „Die wollen unsere Kinder“. Erneut bleibt offen, wer „die“ sind.

Eine Schülerin bestätigt in der Fragerunde, dass es in ihrer Generation, „der ich leider angehöre“, genau solche Transgender-Hypes aus Mode gebe. Eine junge Frau, die fleißig mitschreibt, beklagt, in ihrer Doppelrolle als Pfarrerin und im Schuldienst mit dem Gendern befasst zu sein, möchte gern Argumente, die sie Schul- und Kirchenleitung entgegenhalten kann, „ohne meinen Job zu gefährden“.

Birgit Kelle in Siegen: „Genderbewegung“ werde zusammenbrechen

AfD-Politikerin Brigitte Eger-Kahleis beschwert sich bitter, die einzige im Siegener Stadtrat gewesen zu sein, die gegen den Beschluss über die Einführung der „Gender-Sprache“ gestimmt habe. Obwohl sie viel Unterstützung von Ratskollegen bekommen habe: „Hintenrum“. Natürlich hat Kelle eine deutliche Meinung: „Es fragt sich, ob ein Stadtrat das Recht hat, ein Kulturgut wie die deutsche Sprache im Stadtgebiet einfach so außer Kraft zu setzen!“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

Sie antwortet: „Nein. Und die ersten Klagen laufen jetzt schon gegen solche Beschlüsse!“ Sie sei sicher, „die gesamte ‘Genderbewegung’ wird zusammenbrechen“. So wie am Ende alle Versuche gescheitert seien, Menschen zu unterdrücken. Das wisse sie als Spätaussiedlerin vielleicht besser als andere Deutsche, die über Generationen in Freiheit gelebt hätten.