Siegen. Die AfD Siegen bemüht sich in der Kommunalpolitik um bürgerliches Auftreten statt Populismus. In den Sozialen Netzwerken sieht das oft anders aus
Ist die AfD im Siegener Rat ein Wolf im Schafspelz? Das hatte Adhemar Molzberger (SPD) in der Debatte um einen Arbeitskreis gegen Rassismus, Rechtsextremismus und -populismus geäußert – die AfD wies den Vorwurf weit von sich.
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Vielmehr sieht sie sich in Siegen gewissermaßen als „Schaf im Wolfspelz“; gibt sich bürgerlich-gemäßigt. Weg von Populismus, Agitieren gegen Flüchtlinge und „Altparteien“ – bis zur Kommunalwahl wurde diese Klaviatur des Populismus insbesondere vom Siegener AfD-Bürgermeisterkandidaten Henning Zoz quasi täglich bedient, seither kaum noch. Offensichtlich hat die AfD nicht die erhofften Wahlergebnisse eingefahren – Siegen 7,27 Prozent, im Kreis 6,72. Daher der Schwenk?
In den politischen Gremien handelt die AfD Siegen sachlich
Ausländerfeindliche Zungenschläge aus dem Wahlkampf gehören seit der Wahl im Grunde der Vergangenheit an – zumindest in den öffentlichen Sitzungsteilen. In der jüngsten Ratssitzung stimmte die AfD zum Beispiel mit den anderen Fraktionen für einen städtischen Zuschuss für Beratung ausländischer Mitbürger. Fraktionsvorsitzender Roland Steffe begründet regelmäßig und sachlich die AfD-Haltung zu verschiedenen Themen. Schon in der konstituierenden Ratssitzung hatte die AfD den anderen Fraktionen die Zusammenarbeit angeboten. Angesichts des scharfen AfD-Tons im Wahlkampf nicht verwunderlich, dass die zurückscheuten.
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Auch im Kreistag agiert die AfD nüchtern und sucht, nicht völlig unerwidert, die inhaltliche Nähe zur FDP, etwa beim zweiten Volkstrauertag oder der digitalen Infrastruktur an Schulen.
„Niemand in der Siegener AfD ist rechtsextrem oder rechtsnational“
Die anderen Ratsfraktionen sind erkennbar skeptisch. Volt beantragte in der jüngsten Ratssitzung einen Arbeitskreis für ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, -populismus und Rassismus, AfD-Mann Roland Steffe erregte sich deutlich über Adhemar Molzbergers „Wolf im Schafspelz“-Formulierung – im Arbeitskreis säße nämlich auch die AfD. „Eine bodenlose Unverschämtheit“ sei das, schäumte Steffe, „niemand in der hiesigen AfD ist rechtsextrem oder rechtsnational.“
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Umgehend richtete er seine Wut gegen die unzweifelhaft rechtsextreme Splitterpartei „Der dritte Weg“. „Wir müssen die Aktivitäten dieser Leute eindämmen“, forderte Steffe, am besten ignoriere man „diese paar Hanseln“, die viel zu viel Aufmerksamkeit bekämen. „Sie sind in einer Partei mit Rechtsextremen“, konterte Samuel Wittenburg (Volt) gelassen. „Sie haben sich das selber ausgesucht – auch, wenn Sie’s selber nicht sind.“
AfD Siegen sieht keinen Zusammenhang zwischen Populismus und Extremismus
In einer noch während der Ratssitzung versandten Pressemitteilung schrieb der nicht anwesende Fraktionspressesprecher Michael M. Schwarzer, dass es sich bei Populismus um ein legitimes Instrument der politischen Kommunikation handle, das alle Parteien verwenden würden. „Das bekämpfen zu wollen, es verbieten wollen, ist ein Angriff auf demokratische Grundwerte, insbesondere der Meinungsfreiheit.“ Populismus und Extremismus in direkten Zusammenhang zu bringen, sei perfide und unzulässig.
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Die AfD bekämpfe jede Form von Extremismus und unterstütze entsprechende Anträge, egal von wem. Man stelle sich klar gegen Rechtsextremismus und Rassismus, aber es seien nicht nur Rechtsextremisten rassistisch. Man dürfe sich nicht einseitig auf Rechtsextremismus konzentrieren, weil die Gefahren des linken und religiös motivierten Extremismus fahrlässig bis sträflich vernachlässigt würden.
Was AfD-Mandatsträger in den Sozialen Netzwerken äußern
Kaum eine andere Partei versteht es, die Sozialen Netzwerke so für ihre Zwecke zu nutzen wie die AfD. Gerade bei Facebook hat die Partei einen dankbaren Resonanzboden. Seit dem Kommunalwahlkampf ist es aber in den weitgehend öffentlichen Teilen des Internets mit Siegerland-Bezug ruhiger geworden. Ein Überblick.
Die stv. Siegener Fraktionsvorsitzende Annette Six zum Beispiel bezeichnet sich bei Facebook selbst als „populistisch pöbelnde Politpublizistin“ und äußert sich dort auch entsprechend.
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Michael M. Schwarzer arbeitet als Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion und verantwortet deren Veröffentlichungen.
Sein Bruder Martin M. Schwarzer, Mitglied im Kreistag und im Gemeinderat Wilnsdorf, äußert sich auf seiner Facebookseite auch mal höhnisch über hochbetagte Corona-Opfer, teilt Beiträge aus dem Querdenken/Coronaleugner-Umfeld und wettert gegen angeblich staatsgelenkte öffentlich-rechtliche Sender. Er fiel auch in der konstituierenden Sitzung des Siegener Rats dadurch auf, im Zuschauerbereich keine Maske tragen zu wollen. Erst als der Sitzungsdienst mit Rauswurf drohte, kam Schwarzer der Maskenpflicht nach.
AfD-Fraktionen gemäßigter als Kreisverband Siegen-Wittgenstein
Kreistagsmitglied Regine Stephan fordert bei Facebook, die „LGBT-Indoktrinierung zu stoppen“ oder schwenkt auf die Behauptung eines „Ermächtigungsgesetzes“ ein, nach der die Grundrechte in Deutschland abgeschafft seien. Besonders häufig teilt sie Beiträge der früheren Grünen- und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, die sich inzwischen für Strukturen der Neuen Rechten engagiert und dem AfD-Umfeld zugerechnet wird. Auch spielt Lengsfeld wiederholt die Gefährlichkeit des Coronavirus herunter. Stephan spricht sich dafür aus, der WHO den „Geldhahn zuzudrehen“.
Auf den offiziellen Facebook-Kanälen der AfD-Gliederungen im Kreis – Kreisverband, Kreistagsfraktion, Stadtratsfraktion Siegen – geht es für AfD-Verhältnisse im Vergleich eher besonnen zu. Gerade die Fraktionen halten sich zurück – der Kreisverband hingegen ist da aktiver, teilt Beiträge der Fake-News-Blogs „Philiosophia Perennis“ oder „PI-News“, ruft die Bundeskanzlerin zum Rücktritt auf, spricht von einer „Diktatur“ oder fordert, kriminellen „Ausländern“ die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen.
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