Achenbach. Monatelang kaum Vereinsleben – in Siegen-Achenbach soll das ein Ende haben. Im September wird coronasicher Dorffest gefeiert. Absage möglich...

Antragsnummer „001“ – beim Heimatverein sind sie mal wieder die ersten. Die ersten beim „Neustart“ für Vereine, um endlich wieder Vereinsleben zu ermöglichen. Und das heißt auch: Feiern. Begegnung, Miteinander, Nachbarschaft – das ist alles viel zu kurz gekommen während der Corona-Zeit.

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Also gibt es ein Dorffest in Achenbach, Samstag, 4. September, endlich wieder – auch auf die Gefahr hin, dass es kurz vor knapp doch noch abgesagt werden könnte. Das haben die Organisatoren einkalkuliert. „Könnte“ ist für sie kein Grund, es nicht mindestens zu versuchen.

Die Gemeinschaft in Achenbach lebt auch von Feiern, Nachbarschaft, Geselligkeit

Achenbach ist ohne den Heimatverein nur ziemlich schwer vorstellbar. Der ist in Achenbach nicht nur ein Heimatverein. Die Schnittmengen zwischen Ort und Verein sind ziemlich groß, er betreibt über die Weiterbildungsgesellschaft Sozialkaufhäuser, betreut Projekte für Migranten, Arbeitslose. Man kennt sich, hilft sich. Wenn der Vorsitzende Günther Langer höre, dass irgendjemand seinen Job verloren oder kein Geld hat, suche er nach einer Möglichkeit, das zu ändern, sagt Gerhard „Gerd“ Alfes anerkennend. Früher, da gab es die, die als „Säufer vom Edeka“ in Achenbach bekannt waren. Heute fegen sie die Straßen, mähen die Grünstreifen, achten in Warnwesten darauf, dass kein Müll in die Gegend geschmissen wird. Sie gehören jetzt zur Gemeinschaft dazu, erfahren Anerkennung und Wertschätzung. „Die malochen wirklich“, sagt Alfes.

Der Platz zwischen Heimathaus und Alter Schule in Achenbach ist wie geschaffen für das Dorffest: Rechts unter den Bäumen wird die Bühne stehen.
Der Platz zwischen Heimathaus und Alter Schule in Achenbach ist wie geschaffen für das Dorffest: Rechts unter den Bäumen wird die Bühne stehen. © Hendrik Schulz

Und die Gemeinschaft lebt in Achenbach, wie so vielen ländlichen Orten, auch vom Feiern. Da trifft man die, die nicht nebenan wohnen oder zum Freundeskreis gehören. Die auch gute Leute sind. Schnitzel-, Forellen- und Feuerwehrfest „hat’s alles nicht mehr gegeben“, sagt Gerd Alfes. Er ist Achenbacher seit 27 Jahren, er kennt so gut wie jeden hier, aber außer zufällig auf der Straße bekam er kaum jemanden zu Gesicht. „Das fehlt im Ort“, sagt er. „Die Leute wollen sich wiedersehen.“ Ursprünglich kommt er aus Geisweid, „ich liebe dieses Dorfleben“, sagt er. Immer habe er Zuspruch und Trost hier erfahren, „das werde ich diesen Leuten nie vergessen. Und wenn ich die Möglichkeit habe, bei diesem Dorffest zu helfen und der Gemeinschaft etwas zurückzugeben – ist doch nur ein bisschen Zeit. Ich kenne Leute und weiß, wen ich fragen muss.“

Heimatverein Achenbach hilft anderen Vereinen aus Siegen und Umgebung bei Festen

Im März gab es die ersten Ideen. „Wir müssen im Herbst irgendwas auf die Kette kriegen“, da waren sie sich einig. Die Idee reifte, die Inzidenzen sanken, die Impfquote stieg. Corona wird auch 2021 nicht überwunden sein, man wird lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Das kann nicht immer nur Lockdown sein. Ein Fest, das so sicher ist wie es irgend geht und das trotzdem entspanntes Feiern ermöglicht. Ein ganz schöner Akt für einen 100 Jahre alten Heimatverein. Nicht unbedingt Kerngeschäft. „Wir mussten ganz schön viel liefern“, sagt Vereinsvorsitzender Günther Langer – dabei helfe die Neustart-Förderung enorm, „das Land hat die Vereine wirklich nicht vergessen“, lobt Langer. Gerade Landtagsabgeordneter Jens Kamieth habe bei den Vorbereitungen sehr unterstützt. Das Risiko liegt beim Veranstalter. „Wenn das Dorffest abgesagt werden muss, ist das Geld weg. Da bekommen wir nichts wieder.“

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Zuerst musste ein Hygienekonzept erstellt und vom Siegener Ordnungsamt genehmigt werden. Das geschah zügig, damit konnte dann der Antrag auf Neustart-Fördermittel bei der Bezirksregierung Arnsberg gestellt werden. Parallel gingen die weiteren Förderanträge raus, etwa an „Demokratie leben“.

Der Heimatverein Achenbach hat ein großes Netzwerk, vergleichsweise viel Personal und Erfahrung. Davon sollen gern auch andere Vereine profitieren können. Gerade erst war eine Frauengruppe aus Neunkirchen da, um sich beraten zu lassen. „Ist doch toll, wenn das Nachahmer findet“, sagt Günther Langer. Wenn Hilfe benötigt werde: Gerne nachfragen. Nach dem Motto „Organisiert Eure Feste, wir helfen Euch, sie coronasicher zu kriegen“.

Am 4. September spielt „Hörgerät“ beim Dorffest in Siegen-Achenbach

„Man weiß nicht, was in vier Wochen ist“, sagt Gerd Alfes. Mittwoch, 11. August, schnellte die Inzidenz für den Kreis von 19,9 auf 27,4 hoch, Donnerstag dann weiter auf 36,5. Samstag, 4. September – das ist noch weit weg. Das Dorffest ist das erste Mal seit dem ersten Lockdown Anfang 2020, dass überhaupt irgendeine größere Feier stattfindet.

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Der Blick nach vorn: Am 4. September, von 17 bis 22 Uhr, auf dem Gelände um Heimathaus/Alte Schule im Langenseifen. Außer der Achenbacher Band „Buddies“ (bei der Gerd Alfes trommelt) spielt „Hörgerät“, in etwas verkleinerter Besetzung als „Hörgerät(chen)“. Unentgeltlich. Alles andere als selbstverständlich finden das Günther Langer und Gerd Alfes. Die Band ist eine Nummer im Siegerland, spielt üblicherweise vor durchaus großem Publikum für entsprechende Gagen. Roger Homrighausen von Rent Audio aus Kreuztal, auch so ein Kontakt, liefert die Bühne, hilft beim Auf- und Abbau unter den hohen Bäumen.

Feiern, aber sicher: Das Dorffest Siegen-Achenbach wird coronakonform – und gemütlich

Man kennt sich, hilft sich. Für Verpflegung sorgt die „lokale Frittenbude“, wie Alfes grinsend sagt: Die Pizzeria Aroma hat längst ein Hygienekonzept; geht inzwischen ja gar nicht mehr ohne. Einnahmen für den Gastrobetrieb, der Heimatverein coronamäßig auf der sicheren Seite – so profitieren beide. Am Sozialkaufhaus Heidenberg gibt es seit einiger Zeit einen Gemeinschaftsgarten. Mit dem Gemüse aus diesem Garten wird beim Dorffest vor Ort gekocht, die Produkte vorgestellt; gefördert vom Bundesprogramm „Demokratie leben“. Über die Arbeitslosenförderung „Dias.Komm“ wird Personal aus dem Ort für Einlasskontrolle, Ordnungsdienst, Service und Reinigung gestellt.

Es wird einen Ein- und einen Ausgang geben, entzerrte Essensausgabe, mehrere getrennte Toilettengebäude auf dem Gelände, Papiermarken statt der üblichen wiederverwendbaren Plastikchips. Die alle einzeln zu desinfizieren… Gerd Alfes kümmerte sich darum, dass sich Besucher mit Luca- oder Corona-Warn-App zur Kontaktnachverfolgung ganz einfach mit dem Smartphone anmelden können, auch verpflichtend auszufüllende Listen liegen aus. Feiern, aber sicher.

Die Corona-Lage in Siegen-Wittgenstein kann sich jederzeit ändern

Jeder zweite Satz, den er zum Thema höre und lese, sei „hoffentlich klappt das“, sagt Günther Langer. Die Leute sollen wieder eine Perspektive bekommen, dass Corona zwar die Dinge verändert, aber nicht beerdigt hat; dass es weitergeht mit dem Dorfleben. Da habe sich großer Frust angestaut in den vergangenen Monaten.

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Eine Woche vorher stimmt sich der Heimatverein noch einmal mit den Behörden ab, damit sie wissen, was sie dürfen und was nicht. Ob es eine maximale Besucherzahl geben wird oder Zutritt nur für Geimpfte und Genesene – steht alles jetzt noch nicht fest, die Lage kann sich jederzeit ändern. „Das wird dann auch nicht diskutiert, sondern eins zu eins umgesetzt“, sagt Gerhard Alfes. Wichtig beim Dorffest vor allem das „dass“. Weniger das „wie“. Die Absage ist immer im Hinterkopf. „Wir organisieren auf Maximum, mit Option auf 100 Leute oder gar nicht.“ Aber in Achenbach sind sie vorbereitet.