Siegen. Das Sozial-Restaurant des Heimatvereins Achenbach in Siegen muss im Lockdown geschlossen bleiben. Obdachlose müssen folglich im Freien essen.

Der Heimatverein Achenbach muss Obdachlose buchstäblich im Regen stehen lassen. Wegen der Corona-Regeln kann das Sozial-Restaurant „net(t)werk“ keine Gäste empfangen, Mahlzeiten werden lediglich zum Mitnehmen verteilt. Wer aber keine Wohnung hat, muss sich mit seinem Essen bei Wind und Wetter im Freien aufhalten. Der Heimatverein wendet sich deshalb in einem offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

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„Wir möchten einfach auf das Problem hinweisen“, sagt Günther Langer, ehrenamtlicher Geschäftsführer der „Gemeinnützige Qualifizierungs- und Weiterbildungsgesellschaft des HV Achenbach UG“, die im Stadtteil eine Vielzahl von Angeboten für Menschen mit geringem – oder ganz ohne – Einkommen macht. Es bestünde volles Verständnis für die Corona-Regeln, betont Günther Langer. Doch bezogen auf die Situation wohnungsloser Menschen bestehe Anpassungsbedarf: „Da muss das Land nachbessern. Da muss eine Sonderregelung her.“

Achenbach: Etwa ein Dutzend Wohnungslose nutzen das Angebot regelmäßig

30 bis 50 Leute nehmen im Schnitt die kostenlose Essensausgabe in Anspruch, wie der Geschäftsführer erläutert, an manchen Tagen mehr als 100. Darunter seien etwa ein Dutzend Obdachlose. Für diese sei es nicht nur um die Mahlzeiten gegangen; sondern auch darum, sich aufwärmen, duschen oder in den Räumen des Heimatvereins ihre Kleidung waschen zu können. Dass das derzeit nicht geht, sei „unmenschlich“, sagt Günther Langer.

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Das Restaurant habe 120 Quadratmeter. Vor dem Lockdown durften maximal fünf Personen hinein, jeder saß an einem eigenen Tisch, die Abstände seien eingehalten worden. Der Heimatverein habe im Herbst sogar extra neue Fenster in das bereits ältere Gebäude eingebaut, um die Belüftung deutlich zu verbessern: „Wir haben wirklich Geld in die Hand genommen.“ Doch nun bleibt das Restaurant eben leer.

Stadt Siegen kann aufgrund der Vorschriften keine Sondergenehmigung erteilen

Eine Sondergenehmigung habe die Stadt Siegen nicht erteilt. „Es ist keine Kritik an der Stadt“, unterstreicht der Geschäftsführer. Die Mitarbeiter seien überaus freundlich und kooperativ gewesen, „aber die müssen das umsetzen, die halten sich an geltendes Recht“. Dem Heimatverein sei als Alternative ein Zelt im Außenbereich vorgeschlagen worden. Ein solches stellten die Mitglieder auch auf, bauten es jedoch wieder ab, weil sich dort die Einhaltung der Regeln nicht ausreichend habe gewährleisten lassen, wie Günther Langer berichtet.

Eindeutige Regeln

„Die Stadt Siegen schätzt und unterstützt den Heimatverein Achenbach für sein gemeinnütziges Wirken, ist aber gleichzeitig an die eindeutigen, rechtlich gültigen Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung gebunden“, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus.

Aufgrund des Infektionsgeschehens ist die Einnahme der ausgegebenen Mahlzeiten in geschlossenen Räumen derzeit nicht möglich. Arne Fries als zuständiger Ordnungsdezernent der Stadt Siegen bedauere, dass für solche Situationen keine Ausnahmeregelungen vorgesehen sind.

Bei den zuletzt meist niedrigen Temperaturen hätten sich die Gäste um die Heizpilze gedrängt, der Abstand sei nicht zu gewährleisten gewesen – „es ist ja kalt!“ Und Ehrenamtliche unter diesen Bedingungen für die Aufpasserrolle zu gewinnen, sei alles andere als einfach. Im Restaurant hingegen sei regelkonformer Betrieb unkompliziert möglich.

Achenbach: Mitglieder des Heimatvereins sind enttäuscht

Während der Besuch von Schulen, Gottesdiensten oder Geschäften unter entsprechenden Auflagen wieder möglich sei, fühle sich der Heimatverein mit seinem Angebot außen vor. „Die Enttäuschung der Mitglieder ist tierisch groß“, bringt es Günther Langer auf den Punkt. Aus Düsseldorf sei bisher keine Reaktion auf den offenen Brief gekommen, „wir warten ab“. Das Schreiben endet mit einem direkten Appell an den Ministerpräsidenten, „eine Lösung im Rahmen der CoronaSchVO zu schaffen, damit wir weiterhin die Schwächsten unserer Gesellschaft unterstützen können“.