Siegen. Der Siegener Guido Müller, verheiratet, zwei Kinder, ist selbstständiger PR-Berater (Siegberg).
2020 war in großen Teilen ein mentales Bad der Gefühle, für alle. Absolut anstrengend, fordernd, an manchen Tagen auch eine echte Qual. Vor allem der erste Lockdown hat zu vielen Verunsicherungen geführt. Zu schlechter Stimmung. Man war auf einmal physisch isoliert. Und auch wenn das nicht jeder wahrhaben will: Der Mensch – ja, auch Siegerländer – ist und bleibt gesellig, braucht echten Austausch zu Nachbarn, Freunden und Geschäftskunden.
Jahr lief überraschend gut
Als freischaffender PR-Berater, also Solo-Selbstständiger, gehöre ich zu der Gruppe, die scheinbar vom Staat vergessen wurde. Für mich spielte das keine Rolle. 2020 lief überraschend sehr gut. Als PR-Berater habe ich ein Alleinstellungsmerkmal. In der Krise muss kommuniziert werden. Zum Glück waren meine Kunden wirtschaftlich nicht vom Lockdown betroffen.
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Anstrengend war das Verschieben, Ausfallen, Neuplanen von Kundenprojekten. Im politischen Raum entfielen alle Parteitage. Ebenso ein großer Parlamentarischer Abend mit Bundestagsabgeordneten aller Parteien in Berlin. Stattdessen standen Personalthemen im Vordergrund. Von wöchentlichen Videobotschaften bis zu neuen Marketingideen für die Personalsuche. Kommunikationsmittel Nr. 1 wurde 2020 die Videokonferenz. Für viele Neuland, oft in großen Runden anstrengend, nicht selten abstürzend während des Meetings.
Theater und Restaurant gehören dazu
So gut es mir auch ging, Kollegen – vor allem aus der Event-, Messe- und Künstlerbranche – hatten ein schweres Jahr. Das drückt auch bei mir die Stimmung: 100 Prozent Kurzarbeit, die erste Privatinsolvenz bei einem befreundeten Veranstaltungstechniker bereits im Juli... Wie will man seine Mitarbeiter bezahlen, wenn man zwölf Monate keine Einnahmen oder Chancen auf Einnahmengenerierung hat? Die Politik findet für den Kultur- und Veranstaltungsbereich nicht den richtigen Hebel. Die Wichtigkeit von Kulturveranstaltungen und Gastronomie für Menschen stellen einige in Frage. Für mich gehören Theater, Restaurant oder einfach ein Bier in der Eckkneipe dazu.
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Das Sportevent „ Rudelturnen “, das ich mit Freunden vor vier Jahren ins Leben gerufen habe, drohte Corona zum Opfer zu fallen. Wir stemmten uns gegen diese Niederlage und konnten im Juli mit im Schnitt mehr als 300 Teilnehmern starten – die erste sportliche Großveranstaltung nach dem Lockdown. Acht Behörden waren allein in Siegen eingebunden, um eine Erlaubnis zu erhalten. Dass den Menschen der gemeinsame Sport guttut, merkte man sofort. Erstmals konnte sich ein Hygienekonzept bei uns vor Ort im Breitensport bewähren. Und es ist gut gegangen. 15 Termine absolvierten wir im Sommer zwischen Siegen und Erndtebrück. Abstandsregeln, Registrierungen per App, Personenbegrenzung, kein geselliger Ausgang nach dem Fitnesstraining. Gesichtsmaske auf und ab nach Hause.
Nicht durch Lethargie anstecken lassen
In den ersten Lockdown fiel auch die Anmietung eines zweiten Büros, mit dem Ziel, sich als Berater mit Gleichgesinnten auszutauschen. Ein Risiko? Ja. Aber im Nachhinein kann man sagen: Die Entscheidung war richtungsweisend. Mit Video- und Podcast-Profi Christian Klein fand sich sofort der ideale Büropartner. Die Gemeinschaft läuft unter dem Namen „Bergwacht“ und soll in Zukunft Kreativen und Soloselbstständigen einen Anlaufpunkt bieten.
Was 2020 auch deutlich zeigt: Man darf sich nicht durch lähmende Lethargie anstecken lassen. Die war auch zu spüren. Manche sehen in Home-Office, Kurzarbeit und digitalem Unterricht etwas Gutes. Ich nicht. Kundenprojekte gehören vor Ort live diskutiert. Als Alternative haben wir „open air“ getagt. Auf dem Balkon, im Biergarten, in Besprechungsräumen, in denen auch im November die Fenster geöffnet blieben. Abstand können wir Siegerländer.
Wer 2020 gut übersteht, ist 2021 vorne dabei
Für 2020 bin ich vor allem dankbar, weil ich im Umfeld gemerkt habe, wie Corona andere beruflich ausgeknockt hat. Vollkommen unverschuldet. Hier muss der Staat für Entschädigung sorgen. Für meine Agentur stehen neue Kunden und neue Projekte auf der Haben-Seite, die die Ausfälle, die es auch gab, gut kompensieren konnten. Das Jahr war anstrengend. Aber wie bei jedem Boot-Camp ist man hinterher auch stolz, es geschafft zu haben. Als Lotsenboot, ohne festes Personal, kann man tatsächlich besser durch die Wellen fahren. Ein neues Ziel ist auch schon in Sicht: In Köln wird gerade ein neues Agenturprojekt angestoßen.
Meine Überzeugung: Wer 2020 unversehrt verlässt, ist 2021 vorne gut dabei. Hoffen wir, dass das „Corona-Kapitel“ im Frühjahr durch ist und wir diese Seiten im Buch des Lebens mit Nachdruck umschlagen können.
Der Siegener Guido Müller, verheiratet, zwei Kinder, ist selbstständiger PR-Berater (Siegberg) und engagiert sich in Vereinen wie dem TV Jahn Siegen und für die FDP.
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