Siegen. Diakonie beantragt Neurologie mit 42 Plätzen am Jung-Stilling. Die anderen Kliniken und die Uni sorgen sich mit Blick auf „Medizin neu denken“.
Der Streit zwischen den vier Siegener Krankenhäusern geht in die nächste Runde: Weil die Diakonie für das Jung-Stilling-Klinikum eine neurologische Station mit 42 Betten beantragt hat, wirft das Kreisklinikum als Krankenhaus mit großen neurologischer Station der Diakonie Wortbruch vor: Für das Projekt „Medizin neu denken“ sei vereinbart worden, dass sich jedes Haus auf seine eigenen medizinischen Schwerpunkte konzentriert.
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Worum geht es?
Die Diakonie hat für das Versorgungsgebiet Siegen-Wittgenstein/Olpe beantragt, am Stilling 42 neurologische Betten zu schaffen. Basis ist der aktuell noch gültige Feststellungsbescheid von 2015, das in diesem Gebiet 90 Betten benötigt werden. Dem höheren Bedarf trägt das Kreisklinikum mit derzeit 132 Plätzen bereits Rechnung und die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe befürwortet das auch – aber auf die offizielle Genehmigung wartet Klinik-Geschäftsführer Bertram Müller seit Längerem. Die Diakonie stößt, wie andere Träger, die sich auch beworben haben, in diese Lücke vor, die das Kreisklinikum besetzt.
Was sagt das Kreisklinikum?
Ihn habe der Antrag der Diakonie sehr überrascht, sagt Bertram Müller. Politisch gewünscht sei ausdrücklich, Kräfte zu bündeln, Doppelvorhaltungen zu vermeiden, Kooperationen einzugehen, „nicht alle müssen alles machen“, sagt er. Jeder solle seinen Fokus auf seine Kernkompetenzen legen – die Diakonie tue hier das Gegenteil. Das sei 2015 auch in einem gemeinsamen Strukturkonzept aller vier Kliniken vereinbart worden, als es darum ging, wer wie viele Plätze in welchen Abteilungen vorhält. Müller ist überzeugt: Der Bedarf werde durch das Kreisklinikum vollständig abgedeckt. Das entsprechende Strukturkonzept hätten alle Geschäftsführer unterschrieben. Dafür sei man der Diakonie in anderen Bereichen, etwa Geriatrie, entgegengekommen.
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Was sagt die Diakonie?
„Das Gesundheitswesen ist extrem schnelllebig und dynamisch, dem müssen sich Klinik-Träger stellen“, sagt Stefan Nitz, Pressesprecher der Diakonie. 2018 wurden Notfallstrukturen neu geregelt in Basis-, erweiterte und umfassende Notfallversorgung – je höher, desto mehr Geld, so die Kurzformel. Um ein Standort mit umfassender Notfallversorgung zu sein, müssen 5 von 6 sogenannten Dachdisziplinen vorgehalten werden. Das Jung-Stilling verfügt bereits über fünf solcher Dachdisziplinen, so Nitz, „wir wollen aber auf Dauer auf Nummer sicher gehen“, daher der Plan für eine sechste.
Zudem seien Geriatrie und Neurochirurgie – beides am Stilling vorhanden – eng verknüpft mit der Neurologie. Es sei also folgerichtig und von Gutachtern bestätigt, wenn auch diese Disziplin, die sich um das gleiche Organsystem kümmert, im Haus vorgehalten werde.
Tür nicht zugeschlagen
Mit nur drei von vier Häusern könne ein Uni-Klinikum Siegen kaum verwirklicht werden, so Thomas Grünewald. „Eine eigenständige Universitätsmedizin funktioniert für Siegen nur, wenn die Region an einem Strang zieht.“ Das Projekt sei eine einzigartige Chance. „Die Tür ist nicht zugeschlagen“, betont er: Lasst es uns zu viert machen oder da wird nichts draus.“
Was bedeutet das für die Kooperation und das Projekt „Medizin neu denken?“
Derzeit werden 25 Medizinstudierende der Uni Bonn über die Lebenswissenschaftliche Fakultät der Uni Siegen an den vier Siegener Kliniken praktisch ausgebildet. Das soll die Voraussetzungen schaffen für eine eigene medizinische Fakultät in Siegen, mit den kooperierenden Krankenhäusern als Uni-Klinik an vier Standorten. Für die Medizinerausbildung müssen in den Kliniken gemeinsam 21 Fächer abgedeckt werden.
Zusätzlich wurde vereinbart, dass jedes Haus einen eigenen medizinischen Schwerpunkt bildet, der auf den gewachsenen Tätigkeiten der Kliniken basiert. „Es war Konsens, dass jedes Haus die Ausrichtung der jeweils anderen achtet, damit sie sich nicht gegenseitig kannibalisieren“, sagt Dr. Thomas Grünewald, Beauftragter der Uni Siegen für das Projekt. Im Sinne dieser Profilierung könne es nicht sein, dass unter den Krankenhäusern ein Wettrüsten beginne, das den Verbund destabilisiere. Nur als geschlossene, solidarische Gruppe könne das Ziel Uni-Klinik Siegen erreicht werden.
Diakonie-Sprecher Nitz verweist darauf, dass sich die Zeit seither „immens weitergedreht“ habe, dass man auf neue Anforderungen und Gesetze reagieren müsse, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Es gehe nicht darum, dem Kreisklinikum den Rang als Krankenhaus mit der größten neurologischen Abteilung abzulaufen. „Wir stehen hinter der Medizinerausbildung in Siegen, wir tun nichts, was das gefährden könnte“, betont er. Mit 42 neurologischen Betten – beantragt, nicht entschieden – nehme man niemandem etwas weg, sondern trage dem gewachsenen Bedarf Rechnung.
Ist das Tischtuch zerschnitten?
Dieser Neurologie-Streit ist nicht der erste Zwist: Uneins sind sich Diakonie auf der einen und die anderen drei Krankenhäuser sowie die Uni auf der anderen Seite auch über ein gemeinsames Mutter-Kind-Zentrum, eine gemeinsame Pflegeschule oder die Mitgliedschaft in der Stiftung „Medizin neu denken“, die als juristisches Konstrukt die Kooperation regelt. Seit Monaten nehme die Diakonie nicht mehr an den Planungskonferenzen der Partner teil, wo wichtige strategische Fragen besprochen werden.
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In der Tat sei das Verhältnis der Diakonie zu den anderen Häusern schon einmal besser gewesen, sagt auch Stefan Nitz. „Aber wir arbeiten in vielen Bereichen gut zusammen.“ Es gelte, wieder zu einem vernünftigen Arbeitsverhältnis zurückzukehren. Gefährdet sei das Projekt mit der Uni keineswegs.
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