Menden. Menden kann aktuell keine Geflüchteten mehr aufnehmen. Verwaltung bittet Bezirksregierung um Zuweisungsstopp. Ratsbeschluss auf der Kippe.
Die ersten Container sind da. Doch die Einrichtung der Wohncontainer für Geflüchtete an der Franz-Kissing-Straße in Menden wird nicht rechtzeitig fertig sein. Derweil platzt die Stadt in puncto Zuweisungen buchstäblich aus allen Nähten. So sehr, dass die Verwaltung die Bezirksregierung nun um einen Zuweisungsstopp „angebettelt“ hat. Aushelfen soll nun die ehemalige Rodenbergschule - entgegen eines eigentlich bestehenden Ratsbeschlusses. Die Hintergründe.
Förderschul-Dependance mittlerweile unwahrscheinlich
Eigentlich ist es ein Szenario, das vor allem die CDU abwenden wollte: die Rodenbergschule als Unterkunft für Geflüchtete. Doch wie es scheint, werden nicht nur die Christdemokraten in der Sache vorerst zurückrudern. In einer Sondersitzung Anfang Januar 2024 macht Fraktionschef Bernd Haldorn noch deutlich, was aus seiner Sicht blüht: „Wenn die Schule einmal vollgelaufen ist, wird nichts mehr diese Nutzung stoppen und all das, was wir uns für die Schule vorgestellt haben, wird im Sande verlaufen.“
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Doch mittlerweile haben sich die Vorzeichen deutlich geändert. Zum einen ist der Einzug einer Dependance der Felsenmeerschule wohl nicht mehr so wahrscheinlich wie seinerzeit angenommen. Das Interesse des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist dem Vernehmen nach abgekühlt; eine endgültige Entscheidung steht wohl erst Mitte Juni fest. „Nach derzeitigem Kenntnisstand der Verwaltung ist die Nutzung der Rodebergschule durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe eher unwahrscheinlich“, heißt es dazu in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses. Zum anderen bestehe laut Verwaltung „aufgrund der weiter hohen Zuweisungszahlen derzeit aber eine hohe Dringlichkeit, eine Unterbringung aller Geflüchteten sicherzustellen“. Aktuell sind von 160 Plätzen in städtischen Übergangseinrichtungen 152 belegt; bis zum 4. Juni erwartet die Stadt elf weitere Zuweisungen.
Kritik an Containereinrichtung
Ein erstes Bild der vier Container an der Franz-Kissing-Straße hat sich der Sozialausschuss bereits kurz nach Anlieferung machen können. Doch dabei gibt es noch Nachbesserungsbedarf. Zum einen an der Stromversorgung - die ursprünglichen Planungen waren für weitaus weniger Container vorgesehen, als schlussendlich geordert wurden. Dafür müssen die Stadtwerke noch eine Trafostation vor Ort bauen. Zum anderen müsse für die CDU an der knappen Parkplatzsituation gearbeitet werden. Die Christdemokraten plädieren im Sozialausschuss dafür, weitere Parkmöglichkeiten für Angehörige oder Sozialarbeiter zu schaffen.
Damit will man vor allem dafür sorgen, dass es vor Ort nicht zu einem Gerangel um Parkplätze mit Anwohnern kommt. „Wir wollen im Umfeld eine möglichst hohe Akzeptanz schaffen“, betont Robin Kroll (CDU) dazu. Im besten Fall also ein nachbarschaftliches Verhältnis.
Derweil wird der Kostenrahmen - Menden erhielt seinerzeit eine Landesförderung in Höhe von 1,3 Millionen Euro zur Unterbringung Geflüchteter - unterm Strich wohl nicht ausreichen, wie ISM-Betriebsleiter Martin Niehage erklärt. „Ich kann nur nicht sagen, wie weit er überschritten wird.“ Neben der nicht eingeplanten Trafostation war bei der Gründung zudem mehr Erdaushub erforderlich als angenommen. Doch der Chef des Immobilienservice grenzt es zumindest ein: „Es wird kein hoher Betrag sein.“
Markus Schröer (SPD) zeigt sich allerdings verwundert: „Uns hat die Situation mit der Trafostation ziemlich irritiert.“ Die Sozialdemokraten wollen wissen, warum man das nicht von vornherein hätte wissen können. „Die Versorgung prüft man im Rahmen der Umsetzung, nicht der Planung“, erklärt Martin Niehage dazu. Noch dazu ging die Anschaffung von 18 statt zehn Wohncontainern deutlich über die von der Stadt vorgeschlagene Lösung hinaus.
Um diese wird man in keinem Fall herumkommen, wie Ulrich Menge, Teamleiter Schule, Sport, Soziales, erklärt. Gespräche über eine Aufschiebung der Zuweisungen bei der Bezirksregierung bis zum 23. Juni laufen derzeit. Die nächste Welle an Zuweisungen droht dann jedoch wieder bereits Mitte Juli; spätestens dann ist Menden über seiner Kapazitätsgrenze. „Das bedeutet, dass wir auf die Rodenbergschule nicht verzichten können“, so Menge im Sozialausschuss. Die derzeit vier Wohncontainer an der Franz-Kissing-Straße werden bis dahin noch nicht vollends eingerichtet sein können. Das Problem: Es fehlt ein Transformator, den die Stadtwerke erst vor Ort errichten müssen. Und selbst mit diesen Containern habe die Stadt nur einen Puffer von rund drei Monaten mit Blick auf die Zuweisungen - erst recht, sobald eine umfangreiche Sanierung der Unterkunft an der Bischof-Henninghaus-Straße Anfang 2025 droht.
Und genau für diesen Fall soll die Rodenbergschule nun entgegen dem eigentlichen Ratsbeschluss herhalten. Doch hier zeigt sich nun auch die CDU gesprächsbereit. „Wir werden uns für die Nutzung aussprechen“, erklärt Robin Kroll im Sozialausschuss. Dass eine Dependance der Felsenmeer-Förderschule nach Menden kommt, das hält selbst Kroll mittlerweile nicht mehr für wahrscheinlich. „Das leidenschaftliche Interesse des LWL ist nicht mehr so da.“ Nun müsse man für eine menschenwürdige Unterbringung sorgen - und die sei eben nicht mit Trennwänden in Sporthallen möglich. „Für die CDU-Fraktion ist es alternativlos, die Rodenbergschule zu nutzen“, sagt Kroll.
Stadt betont: Rodenbergschule nur eine Übergangslösung
Die Vorbereitungen der ehemaligen Schule will die Stadt bestenfalls nach einer Ratsentscheidung „ad hoc“ in die Wege leiten. „Es geht nur um eine Übergangslösung“, betont die Erste Beigeordnete Henni Krabbe. Solange es dabei bleibt, könne sich zumindest auch Linken-Fraktionsvorsitzender Thomas Thiesmann damit abfinden.
Die Christdemokraten wollen das Thema jedoch weiterdenken. „Das Wasser steht uns bis zum Hals. Städtische Mitarbeiter müssen schon bei der Bezirksregierung betteln. Wir sind die ganze Zeit Getriebene“, sagt Robin Kroll. Hintergrund ist dabei vor allem, dass es Menden schon länger an einer dauerhaften Unterkunft fehlt. Pläne für den Bau einer Einrichtung an der Leibnizstraße scheiterten bekanntlich (WP berichtete).
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