Menden. Prozessauftakt am Landgericht Arnsberg nach Brand-Serie in Lendringsen. 61-Jährige wegen schwerer Brandstiftung angeklagt.

Es ist die wohl intensivste Brand-Serie, die Menden in den vergangenen Jahren erlebt hat. Im Sommer 2023 brennt es zwischen Anfang Juni und Ende August beinahe im Wochentakt. Gartenlauben, Wälder, Holzerntemaschinen. Nichts ist vor den Flammen sicher. Verantwortlich sein soll eine 61 Jahre alte Mendenerin. Sie steht seit Dienstagmorgen wegen schwerer Brandstiftung vor dem Landgericht Arnsberg. Was sie über ihre mutmaßlichen Taten sagt – und was bei Prozessbeteiligten für Fragezeichen sorgt.

Motiv für Brand-Serie in Lendringsen bleibt rätselhaft

Gleich mehrfach rückt die Mendener Feuerwehr im Sommer 2023 aus. Vor allem nachts und an den Wochenenden sorgen Waldbrände und Gartenlauben, die in Flammen stehen, für helle Aufregung. Im Mittelpunkt: Lendringsen. Denn auf den Mendener Süden scheinen es der oder die Täter besonders abgesehen zu haben. Wegen 13 Delikten ist nun eine 61-jährige Mendenerin angeklagt, die seit ihrer Festnahme Ende August 2023 in der JVA Köln einsitzt. Zu Prozessbeginn am Landgericht Arnsberg zeigt sie sich in überwiegenden Teilen geständig, räumt die Taten größtenteils an. Mit einer Ausnahme: Mit brennenden Fahrzeugen will sie nichts zu tun haben. Ihr Verteidiger erklärt die beiden Credos, nach denen seine Mandantin zugeschlagen haben soll: „Die Kriterien waren: Nicht zwei Brände an einem Tag und keine Fahrzeuge.“ Der potenzielle Schaden sei für die Mendenerin dabei nämlich nicht überschaubar gewesen.

Ich bin viel mit dem Hund spazieren gewesen. Da hat das wohl angefangen.
Angeklagte - über den Beginn ihrer Brand-Serie

Das Motiv allerdings bleibt für die Anwesenden ein Rätsel. Die Begeisterung fürs Feuer und die Kraft der Flammen soll bei der Mendenerin im Sommer 2022 entstanden sein. Damals habe sie erstmals einen – wenn auch kleinen – Waldbrand beobachtet. Und ihn der Feuerwehr gemeldet. Selbst gezündelt hatte die Frau da aber noch nicht, wie sie sagt. Erst ein gutes Jahr später begann die Brand-Serie offiziell. „Ich bin viel mit dem Hund spazieren gewesen. Da hat das wohl angefangen“, erklärt sie dem vorsitzenden Richter. Als Raucherin habe sie immer ein Feuerzeug parat gehabt und begonnen, an Ästchen und Grasflächen zu zündeln. Was sich im trockenen Sommer 2023 ganz ohne Probleme im Wald machen ließ, war an Gartenhütten rund um ihre Wohnung in Lendringsen hingegen deutlich schwieriger. „Mit dem Feuerzeug alleine brennt so etwas nicht.“ Deshalb habe sie bei den abendlichen Gassi-Runden, sobald ihr eine etwas abgelegene Gartenhütte aufgefallen ist, später dann auch neben Kotbeuteln und Feuerzeug ein wenig Waschbenzin (Spiritus) eingepackt. Nachdem die ersten Flammen an einem Zaun oder einer Hütte gelegt waren, machte sich die 61-Jährige allerdings schnell aus dem Staub – inklusive schlechtem Gewissen. „Was ging dabei in Ihnen vor?“, will der Richter daraufhin von der Angeklagten wissen. Eine wirkliche Antwort gibt’s darauf nicht: „Wenn ich das wüsste…“

Und so brannte es im Abstand einiger Tage gleich an mehreren Stellen in Lendringsen im Sommer 2023. In den meisten Fällen konnten die Mendener Feuerwehr oder aufmerksame Nachbarn Schlimmeres verhindern. Ein Audi und eine Holz-Erntemaschine fielen den Flammen jedoch gänzlich zum Opfer, ebenso ein Wohnwagen (WP berichtete). Schadenssumme: rund 80.000 Euro. Doch dabei wird die durch und durch unscheinbare Frau auf der Anklagebank mit grauen Haaren, grauem Rollkragenpullover, grauer Fleecejacke und dunkler Jeans deutlich: Mit diesen Bränden habe sie nichts zu tun. Pikant allerdings: In den Akten wird die Angeklagte für einen Fahrzeugbrand zumindest als Zeugin geführt. Die Brände waren tagelang Gesprächsthema in Lendringsen. Unterhaltungen mit Nachbarn oder der eigenen Familie vermied die Mendenerin zumeist; kam die Sprache doch darauf, soll sie sich von den Taten schockiert gezeigt haben. Die Berichterstattung hat die Angeklagte in jedem Fall verfolgt. Screenshots von Zeitungsberichten sind auf ihrem Handy sichergestellt worden.

Aufwändige Ermittlungen rund um den Bieberberg

Wenngleich das Motiv am ersten Prozesstag weitgehend im Dunklen bleibt, zeigen die Aussagen von gleich mehreren Polizeibeamten, wie aufwändig die Kreispolizeibehörde nach dem Täter gesucht hat – und welche Fragen sich für die „Ermittlungskommission Harvester“ bisher noch immer nicht gänzlich klären lassen konnten.

Das waren aber leider alles Sackgassen.
Polizeibeamtin - über die ersten Observationen von Verdächtigen

Als sich die Brand-Serie in Lendringsen spätestens Ende Juni 2023 abzeichnet, bündelt die Kripo alle Vorfälle in einer Akte. Anschließend steht ein Gerichtsbeschluss zur Umgebungsüberwachung, „damit wir ein Gefühl für die Gegend bekommen. So haben wir auch ein Muster erkannt“, erklärt eine Beamtin im Prozess. Mehrere mögliche Verdächtige, speziell rund um den Bieberberg, werden anschließend observiert. „Das waren aber leider alles Sackgassen“, so die Beamtin weiter. Als die Kripo nicht mehr weiterkommt, kommt das Landeskriminalamt ins Spiel. Mit der sogenannten Operativen Fallanalyse, also geschulten Profilern, sollen weitere Erkenntnisse und Muster zutage treten. „Die Analyse besagte, dass es jemand aus Lendringsen sein muss“, erklärt die Polizistin. Dass der Bieberberg daraufhin noch intensiver in den Mittelpunkt der Ermittlungen rückt, das ist spätestens ab August 2023 auch Lendringsern klar. Gerüchte machen die Runde: verdeckte Beamte, Überwachungskameras. Und genau das ist auch passiert. Selbst Drohnen lässt die Polizei nachts überm Bieberberg kreisen, um Brandherde – und mögliche Verdächtige – schnell ausfindig zu machen; ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) aus Dortmund steht für den Zugriff bereit.

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    gerade wieder eine Gartenhütte angesteckt haben soll. Den Brandbeschleuniger soll sie demnach in einer Kottüte auf dem Weg nach Hause in einen Gully geworfen haben. Nach und nach gibt die 61-Jährige die Taten nach der Verhaftung zu – streitet allerdings schon damals ab, Fahrzeuge angezündet zu haben. „Sie hat immer wieder betont, dass es eine Art Stressventil war“, erinnert sich die Polizeibeamtin an die Vernehmung. Taten habe es laut eines weiteren Beamten oft dann gegeben haben, wenn etwa ein Enkel, zu dem die Mendenerin keinen Kontakt hat, Geburtstag hatte oder aber der Schwiegervater ins Krankenhaus musste.

    Der Prozess wird fortgesetzt.