Fröndenberg. Gut zwei Jahre haben die Ehrenamtler am Rennradmuseum Fröndenberg gewerkelt. Nun ist es fertig – und bietet exklusive Einblicke.
Die Ruhrstadt ist ein Radsport-Hotspot. Und das nicht nur, weil Erik Zabel – einem der bekanntesten deutschen Radsportler der vergangenen Jahrzehnte – eine eigene Strecke gewidmet wurde. Mit dem Rennradmuseum könnte Fröndenberg direkt am Marktplatz ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bekommen. Mit dabei sind sogar weltmeisterliche Exponate. Wir haben uns vor der Eröffnung schon mal umgeschaut.
Das Rad im Wandel der Zeit
Die Eröffnung des Rennradmuseums in Fröndenberg rückt immer näher. Langsam aber sicher ist die Ausstellung auch komplettiert. Ein Großteil der historischen Räder stammt aus der Sammlung von Andreas Grünewald. Aber auch der Fröndenberger Hans Kuhn ist mit von der Partie. Als früherer Rennradfahrer weiß er ganz genau um die Entwicklung des Sports – aber auch die des Sportgeräts. Im Museum selbst, das am 14. August eröffnet wird, beginnt alles bei der Draisine. Eine Nachbildung des hölzernen Laufrads steht direkt im Eingangsbereich. Gleich daneben ist ein Hochrad eingerichtet. „Damit sind damals sogar schon Rennen gefahren worden“, sagt Hans Kuhn. Zwischen 1890 und 1920 hätten Hochrad-Rennen ganze Stadien gefüllt. „Das war ganz schön schnell“, so Kuhn. Das Pendant zum Hochrad – ein Niederrad – ist um 1900 sogar bei der Tour de France zum Einsatz gekommen.
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Im Rennradmuseum gibt’s eine Reise durch die Zeit – und Geschichte. Vor allem der Fortschritt in puncto Technik wird so besonders eindrucksvoll. Während die Sportler auf Abfahrten rund um 1910 auch mal einen Fuß zwischen Hinterrad und Rahmen pressten, um zu bremsen, etabliert sich langsam aber sicher auch so etwas wie eine Gangschaltung. 1906 ist eine solche Nabenschaltung erstmals in Fahrrädern verbaut worden, serienreif wird sie allerdings erst in den 1930er-Jahren. „Aus dieser Zeit gibt es nur noch eine Handvoll Räder“, sagt Hans Kuhn. Eines davon steht in der Auslage des Museums am Marktplatz. Bis zur Serienreife der Gangschaltung mussten die Sportler vor einem Berganstieg auch mal das Hinterrad herumdrehen, um auf eine kleinere Übersetzung wechseln zu können.
So kam Hans Kuhn zu Olympia ‘72
Dabei ist Fröndenberg fast schon traditionell mit dem Radsport verbunden. Ursächlich ist allerdings nicht nur die Topografie, sondern vor allem die Union. Das Unternehmen stellte von 1905 bis Mitte der 1980er-Jahre die besten Ketten, Pedale, Speichen, Bremsen oder Lenker her – mitten in Fröndenberg. Hans Kuhn zeigt auf eine Glasvitrine in der Ecke. Dort sind die Produkte ausgestellt. „Die Union war der größte Arbeitgeber in Fröndenberg“, sagt Hans Kuhn. Bei dieser Produktpalette bot es sich schließlich an, entsprechende Testfahrer vor Ort zu haben. Das führte so weit, dass die Ost-West-Ausscheidung für die Olympischen Spiele in Melbourne 1956 in Fröndenberg ausgetragen wurde.
Mitte der 1960er-Jahre stößt dann auch Hans Kuhn zum Radsport dazu. Sein erstes Rennrad – lackiert in grün-metallic – ist ebenfalls Teil der Ausstellung. Seinerzeit führte eine Route der Union-Testfahrer in 13 Minuten um die Fröndenberger Innenstadt. „Irgendwann hab’ ich mir gedacht: Das schaffe ich auch“, erinnert sich Kuhn und lacht. Am Ende brauchte er 15 Minuten. Bei seinem ersten offiziellen Rennen „hab’ ich von Windschatten noch keine Ahnung gehabt“. Am Ende wird er von seinem Konkurrenten überholt und landet auf dem zweiten Platz. Doch die Aufmerksamkeit gilt keinesfalls dem Sieger, sondern Kuhn, der als Amateur zeigt, was möglich ist. Mit 20 Jahren holt Hans Kuhn später den Deutschlandpokal mit dem Mannschaftsvierer; 1971 wird Kuhn deutscher Meister mit dem Straßenvierer. 1972 ist er sogar Teil der Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in München, kommt dort allerdings nicht zum Einsatz.
Seit 38 Jahren ist er inzwischen Vorsitzender beim Radsportverein Unna (RSV), coachte Talente und Spitzensportler. Einige Etappen dieser Zeit sind allerdings auch im Rennradmuseum verewigt. Erster Titelträger des RSV war Frank Ommer, der 1983 Deutscher Meister im Crossfahren und Militärweltmeister wurde. Ein paar Meter daneben hängt schließlich eines der wohl berühmtesten Trikots der Ruhrstadt. Es ist das grüne Bergtrikot von Erik Zabel. Der frühere Profi, der inzwischen in Kessebüren an der Stadtgrenze zu Fröndenberg wohnt, habe laut Hans Kuhn maßgeblich zum Hype ums Volksradfahren beigetragen. Bis zu 900 Radler pilgerten einst nach Fröndenberg, um auf der Zabel-Route ihrem Idol nachzueifern.
Modernes Sportgerät
Doch nicht nur internationalen Sportidolen widmen Bernd Kern, Vorsitzender des Museumsvereins, und Hans Kuhn eine Abteilung in der früheren Stadtbücherei, die kaum wiederzuerkennen ist. Hugo Rickert aus Frömern bastelte exklusive Rennrad-Rahmen; inzwischen gehören die Modelle zu begehrten Sammlerstücken. Eine kleine Werkbank mit Einzelteilen des Rahmenbaus soll seine Arbeit im Museum widerspiegeln.
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Einen Sprung in die Moderne gibt es allerdings auch. In einem kleinen Raum mitten im Museum ist ein Hightech-Übungsgerät der Profis aufgebaut. Das Gerät erinnert an ein Trimm-Dich-Rad ohne Rad an der Hinterachse. Sensoren messen Geschwindigkeit und Trittstärke. Über das Internet kann man so digital an Straßenrennen teilnehmen und sich mit anderen messen. „Die Profis trainieren so im Winter. Und Corona hat dem natürlich einen zusätzlichen Schub gegeben“, erklärt Hans Kuhn.
Der letzte Abschnitt widmet sich zudem dem Bahnradfahren. Zu Hochzeiten sorgte diese Art des Rennsports für eine voll besetzte Westfalenhalle. Ein Stück der Bahn haben die Ehrenamtler mithilfe von Eckard Overbeck nachgebaut, einzig eine Panoramaaufnahme der Westfalenhalle fehlt noch an der Wand.