Fröndenberg. Lea und Martin Westhoven bekommen für ihren Schritt ins Netz viel Zuspruch. Mit ihrer Situation sind die jungen Eltern allerdings nicht alleine.
Es ist ein Nachmittag, an dem Lea Westhoven all ihren Mut zusammennimmt. Sie tippt die Zeilen in ihr Handy – und schickt die Nachricht ab: Großeltern gesucht. Binnen weniger Stunden bekommt sie dutzende Rückmeldungen und Zuspruch. Mit ihrem Schritt möchte sie auch anderen Familien helfen.
Erinnerungen fürs Leben
„Ich war selbst ein bisschen überrascht“, sagt Lea Westhoven und lacht. Mit einer solchen Resonanz auf ihren Online-Aufruf hätte sie nicht gerechnet. „Opa hatte immer eine Engelsgeduld mit uns“, erinnert sie sich. Er habe ihr beigebracht, die Uhr zu lesen und ein paar Akkorde auf der Gitarre zu klimpern. „Bei Oma und Opa haben wir die schönsten Weihnachten gehabt“, sagt die junge Mutter. Inklusive heißem Kakao unter der Trauerweide. Lea Westhovens Augen strahlen. Es sind eben diese Erinnerungen, die sie ihren Kindern weitergeben möchte.
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Vor zwei Jahren – kurz nach der ersten Corona-Welle – sind Lea und Martin Westhoven von Lüdinghausen, südlich von Münster, nach Fröndenberg gezogen. Eine schwierige Zeit für viele junge Familien. Und eine, in der Besuche in der Heimat kaum möglich waren. Die eigenen Großeltern wohnen eine gute Autostunde entfernt, sind selbst nicht mehr so mobil. „So ist es ja nicht möglich, dass sie mal mit den Kindern in den Zoo oder auf den Spielplatz gehen“, sagt sie. Dabei gehe es ihr auf keinen Fall darum, selbst mehr Freizeit oder eine kostenlose Kinderbetreuung zu haben. „Ein Kindermädchen haben wir, wenn wir mal ins Kino oder Essen gehen wollen.“ Es solle etwas Dauerhaftes sein – von der alle Seiten profitieren.
Die Chemie muss stimmen
Mit der Idee, übers Internet nach Oma und Opa zu suchen, habe Lea Westhoven daher schon länger gespielt. Ihr Beitrag in sozialen Netzwerken ist dann allerdings eher spontan entstanden. „Ich hab’ an dem Tag ein Video von meiner Familie bekommen und stand danach so unter Strom.“ Die Finger gleiten über das Smartphone und mit dem letzten Tipper drückt Lea Westhoven auf „Posten“. Frei nach dem Motto: „Wenigstens habe ich es probiert.“ In mehreren Gruppen wird der Beitrag geteilt und sammelt großen Zuspruch.
Bei zwei Pärchen hat es online gefunkt. So auch bei Andreas und Frauke Hennemann aus Dellwig. Der frühere Unternehmensberater und seine Frau haben inzwischen ein bisschen mehr Zeit – und selbst noch keine Enkelkinder. „Es hat mir gefallen, wie mutig die Familie das veröffentlicht hat“, sagt Andreas Hennemann. „Und wir lieben Kinder.“ Am Ende aber müsse es auf allen Seiten passen – und von Dauer sein, schließlich gehe damit auch eine gewisse Verantwortung einher. Die Chemie bei den ersten Treffen hat schon mal gepasst, sagen alle. „Wir sind gespannt, wie es weitergeht“, sagt Hennemann.
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Eine Art Bewerbungsverfahren oder Wettrennen wollte Lea Westhoven bewusst vermeiden, vielmehr stehe ein entspanntes Kennenlernen im Mittelpunkt. „Diese Menschen investieren schließlich auch Zeit und lassen sich darauf ein. Ich möchte da auch niemanden im Unklaren lassen.“ Zudem entwickeln ihre Söhne auch irgendwann eine Bindung.
Etwas, von dem Jung und Alt profitieren
Lea und Martin Westhoven sind allerdings kein Einzelfall. Beim Kreis Unna gibt es schon seit 2005 die sogenannten Familienpaten. Sie sollen junge Familien gerade im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes entlasten. Einige der Angebote unterstützen Familien mit Kindern bis drei Jahren, andere auch Familien mit älteren Kindern; auch die Vermittlung von Großeltern ist möglich. Allerdings ist das für Lea Westhoven eher eine kurzfristige Lösung. Wie wichtig die Verbindung von Jung und Alt ist, macht derweil auch ein Blick auf den Hirschberg deutlich. Der Neubau der Kita St. Marien auf dem Campus des Schmallenbach-Verbundes ist eines von nur wenigen Mehrgenerationen-Projekten in Westfalen und wird von Gerontologen der Technischen Universität Dortmund (TU) begleitet. Sie versprechen sich positive Auswirkungen auf Kinder wie Senioren. Während Kinder laut Dr. Elke Olbermann von der TU ein „positiveres Bild vom Alter“ erhalten, könnten Senioren wieder aktiver werden.
Eine solche Win-Win-Situation wünscht sich auch Familie Westhoven. „Ich würde gerne Sichtbarkeit für das Thema schaffen“, sagt Lea Westhoven. Ältere Menschen, die eben keine große Familie oder Kinder haben, sollten ebensowenig vereinsamen wie Familien, die sich nach schönen Erinnerungen mit den Großeltern sehnen.