Kreis Unna. Der Kreis Unna hat vierzehn Babysimulatoren im Einsatz. Schüler lernen damit, wie anspruchsvoll die Elternschaft sein kann.
51 Zentimeter, knapp drei Kilogramm schwer und genauso laut wie ein echtes Kind: Das sind die vierzehn Babysimulatoren der Schwangerschaftskonfliktberatung des Kreises. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie normale Puppen, doch in ihrem Inneren steckt viel Technik. Ein Computer lässt sich so programmieren, wie es gerade gebraucht wird. Egal ob liebes Kind oder Schreibaby – alles ist möglich. Die Simulatoren kommen beim sogenannten „Baby-Bedenkzeit-Projekt“ zum Einsatz.
Simone Saarbeck und Saskia Wierdeier nutzen die Puppen, um in Schulen über das Thema Verantwortung, Schwangerschaft, Elternschaft und Verhütung zu reden. „Die Puppen sollen nicht abschrecken“, erklärt Simone Saarbeck. Doch sie haben dieselben Bedürfnisse wie echte Babys – und das rund um die Uhr. „Die Schüler sollen merken, dass ein Baby eine große Verantwortung mit sich bringt. Sie sollen in sich hineinhorchen, ob sie das wirklich schon wollen und können.“
Drei Tage das volle Programm: Windeln wechseln, Füttern, Trösten, Spielen
Wenn das Team der Schwangerschaftskonfliktberatung Schulen für drei Tage besucht, dann gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich bewusst dafür entscheiden, in Absprache mit den Eltern, die Verantwortung für einen der lebensechtenBabysimulatoren zu übernehmen. „Wir erarbeiten mit den Schülern viele unterschiedliche Themen wie die Kosten, Verantwortung oder auch die Frage, was eine gute Mama oder einen guten Papa ausmacht“, sagt Saarbeck. „In einigen Schulen ist das Projekt schon länger bekannt“, sagt Saskia Wierdeier. Aber es würden auch immer wieder neue Schulen im Kreisgebiet dazukommen. Da pandemiebedingt einiges auf der Strecke bleiben musste in den vergangenen zwei Jahren, sei die Nachfrage für das kommende Jahr umso größer. „Wir sind 2022 komplett ausgebucht.“
Weil das kleine Team der Konfliktberatung neben der eigentlichen Arbeit nicht genug Kapazitäten hat, um an allen Schulen das Projekt anzubieten, werden auch interessierte Lehrerinnen und Lehrer geschult. Es gebe bereits Fachkräfte, die auf dieser Basis das Projekt selbst in ihren Klassen umsetzen können. Am wichtigsten ist immer das Wohl des Babys: „Die Schüler müssen lernen, richtig mit dem Kind umzugehen. Sie müssen es richtig halten, füttern, auf den Kopf aufpassen und es nicht schütteln“, sagt Saarbeck. Damit die Tragweite allen Beteiligten klar gemacht werden kann, ist das Projekt für Jugendliche ab 14 Jahren freigegeben. Und wer mitmacht, muss sich für „sein“ Baby auch einen Namen überlegen.
Einsatz bei einem Paar mit Behinderung
Die beiden Expertinnen weisen darauf hin, dass die Simulatoren grundsätzlich auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen können – wenn es die Kapazität hergibt. „Wir würden die Babys generell auch an Paare geben“, sagt Saarbeck. Seit Amtsantritt habe sie davon aber noch keinen Gebrauch gemacht, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin. „Meine Vorgängerin hat ein Baby an ein Paar mit Behinderung gegeben. Sie wussten nicht, ob sie einem Kind gewachsen sind und wollten es testen.“ Klar sei aber auch: In einem solchen Fall müssten die Voraussetzungen stimmen. An Schwangere würden die Simulatoren auf keinen Fall verliehen. Und auch bei Schwangerschaftskonflikten halten die Frauen den Einsatz für nicht sinnvoll. „Das könnte die Situation verschlimmern.“