Olpe/Siegen. . Das gibt es auch nicht alle Tage im Gericht. Im Olper Raubprozess wurde der Angeklagte vermessen und gefilmt. Unter dem wachsamen Blick von zwei Justizbeamten nahm Anthropologin Dr. Kerstin Kreutz die ungewöhnliche Begutachtung des in U-Haft sitzenden 20-Jährigen im Schwurgerichtssaal des Siegener Landgerichtes vor. Hintergrund: Es ging um den Vergleich mit dem Tankstellen-Video beim Überfall.
Wie berichtet, hatte ein maskiertes Duo am 3. Januar 2012 mit Vorschlaghammer und Axt die Tankstelle an der Westfälischen Straße überfallen und 200 Euro erbeutet. Einen 20-Jährigen aus Wenden hatte das Landgericht im September zu 2 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt. Als Komplize hatte dieser den jetzt vor dem Landgericht angeklagten 20-jährigen Griechen aus Olpe genannt.
Verteider beantragte Größen-Gutachten
Verteidiger Dr. Frank Nobis hatte ein Größen-Gutachten beantragt zum Beweis, dass sein Mandant nicht der zweite Räuber auf dem Video sein könne. Vielmehr wolle der verurteilte Wendener seinen Bruder (18) schützen, der wegen eines Tankstellen-Überfalls am 11. August 2012 in Letmathe verurteilt worden war.
Mutmaßlichen Tankstellen-Räuber gefilmt
Dem Antrag des Verteidigers kam das Gericht jetzt nach. Mit einer ganzen Reihe von Utensilien rückte Dr. Kerstin Kreutz, Direktorin des Instituts für Anthropologie Wettenberg, an. Die 50-Jährige dirigierte den Angeklagten durch den Gerichtssaal, legte Messwinkel und Messlatte an. Dabei stieg sie auch auf den Tisch, um den mutmaßlichen Räuber aus exakt dem Winkel zu filmen wie in der Tankstelle. Seit 15 Jahren erstelle sie derartige Bildervergleichsgutachten, sagt die Sachverständige.
Die mit dem Gutachten verbundene Hoffnung von Verteidiger Dr. Nobis erfüllte sich indes nicht. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass der Angeklagte durchaus als Täter in Frage kommen könne. „Ich kann keine deutlichen Ausschlussmerkmale feststellen. Von den Konstitutionsmerkmalen gibt es keine Abweichung“, brachte es die Anthropologin auf den Punkt.
Messungen durch eine Gutachterin
Der Angeklagte sei, wie der Räuber auf dem Video, ein athletischer Typ, habe eine leicht nach außen gestellte Fußhaltung und komme mit seinen 1,73 Meter als Täter in Betracht. Die Messungen der Gutachterin hatten ergeben, dass der gesuchte Räuber etwa einen Kopf kleiner als der verurteilte, 1,87 Meter große Wendener sei: „Der Größenunterschied beträgt etwa 20 Zentimeter.“ Eher unwahrscheinlich sei deshalb, dass der Bruder des Wendeners mit seinen 1,80 Meter als Täter in Frage komme: „Da habe ich Zweifel. Die Differenz wäre zu gering.“
Weiteres Indiz: Der Angeklagte ist offenbar Linkshänder. Auf Bitten der Gutachterin, ihr die Kamera auf dem Tisch zu reichen, griff er mit links zu. Auch die ehemalige Verlobte hatte ausgesagt, dass der 20-Jährige mit links schreibe. Der gesuchte Räuber hatte die Axt ebenfalls in der linken Hand und griff auch mit dieser in die Kasse. Der Prozess wird am 24. Mai um 9 Uhr fortgesetzt. Nach den Plädoyers soll am Nachmittag das Urteil gesprochen werden.