Attendorn. Die Attendorner Finanzlage wird sich im kommenden Jahr verschlechtern. Das werden auch Bürger und Unternehmer zu spüren bekommen.

Es brechen ungewohnte Zeiten für die Bürger der Stadt Attendorn an: Zum ersten Mal nach etlichen Jahren planen Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) und Kämmerer Klaus Hesener in 2024 Steuererhöhungen und die Kürzung freiwilliger Leistungen. „Auch wenn Weihnachten vor der Tür steht, Geschenke werden nicht verteilt“, drückte Pospischil in seiner Haushaltsrede am Mittwoch im Stadtrat auf die Adventsstimmung. Gezwungenermaßen, wohl gemerkt, denn liebend gern hätte er darauf verzichtet, die eigenen Bürger und Unternehmer stärker zur Kasse zu bitten.

Sondersitzung

Der Attendorner Stadtrat wird den eingebrachten Haushalt in einer Sondersitzung am 31. Januar beschließen. Damit gerät die Stadt „nur“ für einen Monat in die vorläufige Haushaltsführung. Durch den Hacker-Angriff auf den kommunalen IT-Dienstleister (SIT), von dem auch die Stadt Attendorn maßgeblich betroffen ist, war es zeitlich nicht mehr möglich, den Haushalt noch in diesem Jahr zu beschließen. Vor allem aus dem Grunde, weil die Mitarbeiter im Rathaus keinen Zugriff auf ihre Daten haben und der Haushaltsplanentwurf mühselig rekonstruiert werden musste.

Allein, es geht nicht. Nach mehr als 13 starken Jahren mit hohen Steuereinnahmen, immensen Investitionen und dicken Haushaltsüberschüssen, die für eine Ausgleichsrücklage von mehr als 100 Millionen Euro gesorgt haben, komme es zur finanzwirtschaftlichen Zeitenwende. Der Grund: Die Kommunen können die Finanzlast, die ihnen Bund und Länder aufbürden, kaum noch stemmen.

Kommunen werden kollabieren

Der Bürgermeister skizziert die grundsätzliche Lage so: „Während in den letzten Jahren steigende Ausgaben noch durch wachsende Steuereinnahmen gedeckt werden konnten, macht die einbrechende Konjunktur das strukturelle Auseinanderdriften von gleichbleibenden finanziellen Ressourcen auf der einen und rapide steigenden Ausgaben auf der anderen Seite auch in Attendorn offenkundig. Und während Bund und Land den Kommunen weiterhin zusätzliche Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich aufbürden, müssen inflationsbedingt sprunghaft gestiegene Personalkosten und eine geradezu explodierende Kreisumlage gestemmt werden.“

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Dies sei eine Zäsur, eine Zeitenwende. „Die Kommunen werden in den nächsten Jahren nicht nur unter den finanziellen Lasten ächzen, sie werden eine nach der anderen kollabieren, wenn Bund und Land ihnen nicht schnell und nachhaltig unter die Arme greifen“, befürchtet Pospischil, der eine klare Forderung stellt: „Die Kommunen brauchen ausreichend finanzielle Mittel, über die sie selbst im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung verfügen können, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und die Daseinsvorsorge vor Ort zu sichern. Geht es weiter wie bisher, ist die Handlungsfähigkeit der Kommunen akut gefährdet.“

Gewerbesteuerprognose: 39 Millionen Euro

Absehbar auch für die „reiche“ Stadt Attendorn? Das wird sich zeigen! Fakt ist, dass sich die städtischen Finanzen im kommenden Jahr spürbar verschlechtern. Kämmerer Klaus Hesener rechnet im Ergebnisplan, der maßgeblich für den Haushaltsausgleich ist und das Eigenkapital abbildet, mit einem Jahresverlust in Höhe von 15,5 Millionen Euro. Im Finanzplan, der die Liquidität abwickelt, liegt der zu erwartende Fehlbetrag sogar bei 18,3 Millionen Euro. Der Kämmer rechnet jedoch auch in 2024 mit konstanten Gewerbesteuer-Einnahmen, die prognostizierten 39 Millionen Euro liegen auf dem Niveau der Vorjahre.

Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erfassen, dass Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen mit diesem Wachstum nicht schritthalten konnten und somit die finanziellen Spielräume der Kommunen immer mehr schrumpfen.
Bürgermeister Christian Pospischil über die Kreisumlage

Pospischil weiß, bei wem er sich zu bedanken hat: „Dieses Niveau haben wir dem konstanten Erfolg und der Standorttreue Attendorner Unternehmen zu verdanken. Viele von ihnen sind trotz der Konjunkturschwäche im Inland und der Wettbewerbsnachteile der deutschen Industrie erfolgreich auf dem Weltmarkt. Das ist die Grundlage für unsere finanziellen Spielräume.“ Er weiß aber auch, dass die hohen Kosten für Energie und Personal oder der Fachkräftemangel viele Unternehmer verunsichern – auch in Attendorn. Umso entscheidender aus seiner Sicht ist, dass die Stadt in den nächsten Jahren sukzessive das Industriegebiet Fernholte entwickelt.

Mächtig ins städtische Finanzkontor schlägt die Kreisumlage, die von derzeit knapp 37 Millionen Euro auf knapp 47 Millionen Euro steigen wird. „Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erfassen, dass Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen mit diesem Wachstum nicht schritthalten konnten und somit die finanziellen Spielräume der Kommunen immer mehr schrumpfen. Die Ursache für die stark steigende Umlage sind exponentiell anwachsende Sozialausgaben auf Ebene des Kreises sowie auf Ebene des Landschaftsverbandes, der wiederum durch eine Umlage der Kreise finanziert wird.“ Darüber hinaus sind die Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst sowie Personal- und Sachaufwendungen der Stadt weitere Kostentreiber.

Gemeinsam Verantwortung tragen

„In einer solchen Situation müssen wir gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, dass die Hansestadt finanziell nicht unter die Räder kommt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die kommunale Infrastruktur und wichtige Zukunftsperspektiven für die Stadt erhalten bleiben“, so Pospischil weiter. Doch dies gehe nur, wenn ernsthaft konsolidiert werde. Zum einen dadurch, dass nicht dringend notwendige Investitionen verschoben werden. Zum anderen dadurch, dass die freiwilligen Leistungen in Form von Zuschüssen an Vereine und Einrichtungen um ein Viertel gekürzt oder Förderprogramme gänzlich ausgesetzt werden – mit Ausnahme der Zuschüsse für das Sozialzentrum „Lebensfroh“.

Selbstverständlich wissen wir, dass wir damit Grundstücksbesitzer und Unternehmer gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belasten.
Bürgermeister Christian Pospischil über die Steuererhöhungen

Zudem kommen Bürgermeister und Kämmerer nicht umher, die Grund- und Gewerbesteuern, die in NRW aktuell zu den niedrigsten gehören und seit vielen Jahren nicht mehr angepackt wurden, moderat zu erhöhen und dadurch Steuermehreinnahmen von 2,4 Millionen Euro zu erwirtschaften. Pospischil: „Selbstverständlich wissen wir, dass wir damit Grundstücksbesitzer und Unternehmer gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belasten. Die Steuerzahler in Attendorn können sich aber darauf verlassen, dass wir die Mehrbelastung so niedrig wie möglich gestalten.“

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Trotz der schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen soll in Attendorn kein Stillstand einziehen, deswegen plant die Verwaltung mit verschiedenen Investitionen in die eigene Infrastruktur. So soll die Erschließung des Industriegebietes Fernholte unvermindert fortgesetzt werden, sodass sich dort ab 2027 die ersten Unternehmen ansiedeln können. In die Verkehrsinfrastruktur sollen rund 7,5 Millionen Euro fließen. Ähnlich viel Geld möchte die Stadt in ihre Schulen stecken, gerade im Hinblick auf den OGS-Anspruch ab 2026. Weitere Investitionen werden in das Feuerwehrwesen fließen, unter anderem soll das Feuerwehrhaus in Attendorn modernisiert werden und im Ihnetal ist ein Neubau geplant. Nicht zuletzt soll die Digitalisierung vorangetrieben werden. Und dennoch wird Kämmerer Klaus Hesener stärker denn je auf die städtischen Finanzen achten müssen.