Attendorn. Die Kreisumlage wird für die Stadt Attendorn nächstes Jahr auf 47 Millionen Euro steigen. Gleichzeitig stagnieren die Einnahmen. Das hat Folgen.

Seit etlichen Jahren betreibt die im Vergleich zu vielen anderen Kommunen reiche Hansestadt aus Attendorn mit ihrer fetten Ausgleichsrücklage in Höhe von rund 100 Millionen Euro eine bürgerfreundliche Politik: Die Attendorner zahlen im Landesvergleich die niedrigsten Steuern, die Vereine werden aus der Stadtkasse mit reichlich Fördergeldern übergossen und die Stadt selbst hat in den vergangenen Jahren zig Millionen Euro in die eigene Infrastruktur gesteckt, unter anderem in den kompletten Umbau der Innenstadt. Doch die Zeiten, in denen Verwaltung und Politik nach dem Gießkannen-Prinzip die Attendorner zufrieden stellen, finden in diesen Tagen ein abruptes Ende. „Wir stehen vor einer finanzwirtschaftlichen Zeitenwende“, spricht Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) Klartext. Unternehmer, Bürger und Vereine werden es im kommenden Jahr zu spüren bekommen.

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Zwar muss der Stadtrat den Haushalt für das kommende Jahr noch verabschieden, doch schon jetzt zeichnet sich mehr als deutlich ab, dass die Kämmerei um Steuererhöhungen nicht umherkommen wird. Das ist für Attendorn ein beinahe neues Phänomen. Vor exakt 20 Jahren, damals war Kämmerer Klaus Hesener noch gar nicht im Amt, passte die Stadt letztmalig die Grundsteuer an, wenige Jahre später (2008) stieg auch der Gewerbesteuerhebesatz etwas an. Seitdem drehten Politik und Verwaltung nicht mehr an dieser Einnahmen-Schraube, weil es keinen Zwang dafür gab. Bis 2019 fuhr Attendorn Jahr für Jahr Überschüsse ein und baute sich ein fettes Polster auf, ohne dabei auf Investitionen verzichten zu müssen. Dann starteten die Krisenjahr – auf die Corona-Pandemie folgten der Ukraine-Krieg samt Energiekrise und eine deutliche Verschlechterung der Wirtschaft.

Zehn Millionen Euro mehr

„Wir erleben gerade eine Potenzierung vieler Probleme, die sich auf unsere Finanzlage auswirken“, sagt der Kämmerer mit ernster Miene. Während auf der einen Seite die Ausgaben inflationsgetrieben exorbitant ansteigen, stagnieren auf der anderen die Einnahmen. „Dadurch entsteht eine strukturelle Lücke, die wir kaum noch ausgleichen können“, erklärt Hesener. Die bevorstehende Finanzlücke lässt sich an einer Zahl im Besonderen ablesen: Die Stadt Attendorn wird im kommenden Jahr rund 47 Millionen Euro Umlage an den Kreis Olpe zahlen müssen, das sind satte zehn Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Schuld daran sind vor allem die steigenden Personalkosten vom Landschaftsverband bis in die Rathäuser sowie die enorm gestiegenen Sozialkosten vor dem Hintergrund der Kriege und der Flucht nach Deutschland. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft eine schwierige Zeit durchmacht, was spürbare Auswirkungen auf die Steuereinnahmen der Hansestadt hat, die bekanntlich sehr von der Automobil- und Armaturenbranche abhängig ist.

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Die „reichen“ Attendorner stehen zwar nicht so mehr mit dem Rücken zur Wand wie viele anderen Kommunen, denen bereits die Haushaltssicherung droht, doch auch in der Hansestadt könnten die Rücklagen in kürzester Zeit aufgebraucht sein. Kämmerer Klaus Hesener und sein Team haben intern simuliert, dass bei steigenden Personalkosten, einer immer höher ausfallenden Kreisumlage und sinkenden Gewerbesteuereinnahmen die Ausgleichsrücklage bereits 2027 aufgebraucht sein könnte. Aus all diesen Gründen forderten nicht nur die Attendorner, sondern sämtliche Bürgermeister und Kämmerer unlängst in einem Brandbrief, dass Bund und Länder den Kommunen schleunigst aus der Finanzpatsche helfen und die Rahmenbedingungen für die Industrie so verändern müssten, dass die Wirtschaft wieder wachsen kann. Denn nicht nur Attendorns Kämmerer fürchtet, dass die eigenen Konsolidierungsschritte bei Weitem nicht auskömmlich sein werden.

Handlungsfähig bleiben

Dass eine Anhebung der Steuern auf wenig Gegenliebe in der Attendorner Bevölkerung stoßen wird und die Vereine nicht erfreut sein werden, dass die Stadt die freiwilligen Leistungen kürzen muss – sofern die Politik diese Linie mitgeht –, ist Kämmerer Klaus Hesener bewusst. Allein: „Es hilft nichts, wir müssen jetzt mit Sinn und Verstand agieren. Auf unsere Bürger kommen Unannehmlichkeiten zu, die wie ihnen gerne ersparen würden.“ Nur eben nicht ersparen können. „Verwaltung und Politik müssen jetzt Konsolidierungsmaßnahmen einleiten, um handlungsfähig zu bleiben“, ergänzt Bürgermeister Pospischil in dem Wissen, dass die angedachten Sparpläne in der Bevölkerung kritisch beäugt werden. Und vielleicht auch auf Unverständnis stoßen.