Attendorn. Nach Ratsbeschluss wird die Stadt Attendorn rund 700.000 Kubikmeter Erde im Eckenbachtal umschichten. So steht die Politik zum Industriegebiet.
Frühestens im Jahr 2027 werden die ersten Unternehmen im Attendorner Eckenbachtal, das in den kommenden Jahren sukzessive zu einem Industriegebiet entwickelt wird, ihre Fabrikhallen bauen. So lange dauert es noch, bis das Gelände samt der notwendigen Infrastruktur hergerichtet ist, sprich Kanal- und Versorgungsleitungen gelegt sowie ein Regenrückhaltebecken und die Straßen gebaut sind. Aktuell wird der kleine Bachlauf, um dessen Verlegung seit Jahren juristisch gestritten wird, an den Rand des künftigen Industriegebietes versetzt, damit im Plangebiet selbst rund 26 Hektar Netto-Baufläche verbleiben.
Sobald diese Gewässerumlegung abgeschlossen ist, steht in den Jahren 2024 und 2025 eine Baumaßnahme im Vordergrund: Für mehr als 16 Millionen Euro wird die Stadt das hügelige Eckenbachtal „glatt ziehen“ und dabei rund 700.000 Kubikmeter Erde umschichten. Der Stadtrat billigte diese Maßnahme für das Haushaltsjahr 2024, sodass die Stadt Anfang kommenden Jahres die EU-weite Ausschreibung auf den Markt bringen kann. Vorausgesetzt, sie kann nach dem Hacker-Angriff wieder auf ihre Unterlagen zurückgreifen. Im Sommer nächsten Jahres soll dann die eigentliche Profilierung des Geländes beginnen.
Heinemann sieht rechtliches Restrisiko
„Ob dieses Projekt für die Zukunft Attendorns wirklich sinnvoll ist und künftigen Generationen nützt, wird sich zeigen“, betonte der Grüne Wendelin Heinemann, der genauso wie Fraktionskollege Matthias Pröll gegen das Bauvorhaben stimmte. Heinemann ist auch Mitglied der Initiative zur Erhaltung des Eckenbachtals, die sich im Jahr 2006 gründete und seit jeher darum kämpft, dass keine Industrie auf der grünen Wiese entsteht. „Der Klimawandel erfordert ein wirksames Handeln auf allen Ebenen. Dazu gehört auch die Vermeidung von immer mehr Landverbrauch für neue Industriegebiete. Vielmehr ist eine verdichtende und mehrstöckige Bauweise in den vorhandenen Industriegebieten vorzuziehen.“ Er erinnerte im Stadtrat nicht nur daran, dass sich die Planungen zu Fernholte über viele Jahre hinziehen - der Stadtrat beschloss diesen Schritt bereits im Jahr 2006 -, er machte zugleich deutlich, dass immer noch ein rechtliches Restrisiko für die Stadt bestehe.
Damit spielte er auf das juristische Verfahren an, das die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW im Namen der Attendorner Initiative betreibt. Als der Kreis Olpe der Stadt Attendorn im Jahr 2020 die Genehmigung erteilte, den kleinen Bachlauf zu verlegen - und zwar sofort -, klagte die LNU vor Gericht. Mittlerweile haben die Naturschützer dreimal verloren - zweimal im Eilverfahren vor dem VG Arnsberg und dem OVG Münster und zuletzt auch im Hauptverfahren in Arnsberg. Möglicherweise legt die Landesgemeinschaft dagegen erneut Berufung ein.
Pospischil: Wirtschaftsstandort weiterentwickeln
Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) nahm den Ball Heinemanns auf und erinnerte ihn, dass die Richter Instanz-übergreifend zu dem Schluss gekommen seien, dass das „überragende Interesse an zusätzlichen Arbeitsstellen“ Vorrang habe vor den Umweltbedenken der Kläger. „Wir brauchen dieses Industriegebiet, um unseren starken Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln, bevor uns die Unternehmen den Rücken kehren“, entgegnete Pospischil und verwies darauf, dass es über Fernholte hinaus einen Bedarf von mehr als 30 Hektar Gewerbefläche gebe. Die Zahl stammt aus einer IHK-Bedarfsuntersuchung für die Kreise Siegen/Wittgenstein und Olpe. Im Übrigen könne die Stadt bauwilligen Firmen schon seit Jahren keine städtischen Grundstücke mehr anbieten.
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„Wir haben einen riesigen Bedarf und müssen ihn decken, um unseren Wohlstand zu erhalten. Das sind wir den nächsten Generationen schuldig. Wer von der Notwendigkeit Fernholtes nicht überzeugt ist, dem ist nicht mehr zu helfen“, sprang CDU-Fraktionschef Sebastian Ohm dem Bürgermeister argumentativ zur Seite. Ohms Fraktionskollege Rolf Schöpf sagte in Richtung Heinemanns, das Wohl der Attendorner Bürger hänge maßgeblich von Gewerbesteuereinnahmen ab, die die Stadt sinnvoll investieren könne - dazu trage später auch Fernholte bei. „Ich möchte meinen Kindern und Enkelkindern nicht erklären müssen, warum wir die gesunde Struktur an Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen“, sprach sich auch FDP-Fraktionsbock Ralf Warias vehement für den Bau des neuen Industriegebietes aus. Heinemann empfahl er, „Niederlagen auch mal einzugestehen“. Warias drückte zudem die Hoffnung aus, dass eine abermalige Berufung, wenn sie denn folgt, vom Gericht nicht mehr zugelassen würde.
„Es kann doch nicht unser Interesse sein, dass unsere Unternehmen abwandern und dann zum Beispiel in den USA produzieren, wo Umweltbelange überhaupt keine Rolle mehr spielen“, nahm SPD-Ratsvertreter Kevin Risch die Steilvorlage seines Fraktionskollegen Gregor Stuhldreier auf, der zuvor klargemacht hatte, dass man beim Bau des neuen Industriegebietes selbstverständlich die Umweltverträglichkeit im Blick habe und bei Anliegern und Nachbarn die Akzeptanz schaffen müsse, beispielsweise durch bauliche Maßnahmen wie Schall- und Sichtschütze.